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Betrieb & Gewerkschaft

Metalltarifabschluss – IG Metall: „Wir zahlen mit für Eure Krise!”

Von Heinrich Neuhaus | 01.03.2010

Voll Stolz verkündete die IG Metall-Presseabteilung: „Für den Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie gibt es viel Lob und wenige kritische Stimmen in den Medien.”

Voll Stolz verkündete die IG Metall-Presseabteilung: „Für den Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie gibt es viel Lob und wenige kritische Stimmen in den Medien.”

Wir fügen hinzu: Leider gibt es bisher auch nur sehr wenig Kritik bei den Metaller­­­­Innen selbst. Die „Angststarre” aufgrund der kapitalis­tischen Krise hält offenbar an. BDA-Präsident Hundt begrüßte den Abschluss: „Dies ist ein sowohl nach Inhalt als auch nach Art des Zustandekommens richtungsweisendes Beispiel für zeitgemäße Tarifpartnerschaft”. Bei soviel Lob vom „Sozialpartner” ist genaueres Hinschauen Pflicht.
Ausgangslage
Fakt ist, dass die Produktion der Branche im Krisenjahr 2009 im Vergleich zu 2008 um 22,4 Prozent gesunken ist. Gleichzeitig hat die konjunkturelle Kurzarbeit sprunghaft zugenommen. Etwa 20 Prozent der regulären Arbeitsstunden sind entfallen. Seit Ende 2008 hat das Kapital 200 000 Arbeitsplätze in der Metall- und Elektroindustrie vernichtet. Zudem haben seit Beginn der Krise 220 000 Leihbeschäftigte ihre Stellen verloren.
Agendapolitik
Schon Ende Oktober 2009 ließ Huber nach Beratungen mit den Betriebsratsfürsten der Autoindustrie die Linie erkennen. Über die Medien und über die Köpfe der IGM-Mitglieder hinweg verkündete er, dass Lohnerhöhungen zweitrangig seien. Vielmehr würden Beschäftigungssicherung und Übernahme von Auszubildenden „die großen Herausforderungen sein”. Fünf Monate vor Auslaufen der Tarifverträge nahm die IGM dann offizielle Sondierungsgespräche in allen Tarifgebieten auf. Mit der Kapitalseite sollte ohne störende Basiseinflüsse ein vorgezogenes Tarifabkommen abgeklärt werden.

Nach dem Beschluss des IGM-Vorstandes vom 9. Februar 2010 starteten die Tarifverhandlungen in Nordrhein-Westfalen und Baden Württemberg zur Beschäftigungssicherung und zum Entgelt. In beiden Bezirken gab und gibt es unterschiedliche Bedingungen, unter anderem wegen der materiell und politisch besseren Ausstattung des Baden-Württemberger Tarifvertrags „Kurzarbeit-Qualifizierung-Beschäftigungssicherung” und des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld. Ohne konkrete Forderung ging die IG Metall in die Tarifverhandlungen. Diese an die Praktiken der IG BCE erinnernde Vorgehensweise wurde von einem blitzschnellen Pilotabschluss mit zwei Komponenten am 18. Februar in NRW „gekrönt”.
Lohnverzicht
Die Eine ist der Entgeltarifvertrag mit einer Gesamtlaufzeit von 23 Monaten. Bis März 2011 gibt es eine „Einmalzahlung” von 320 Euro (Azubis 120 Euro), die in zwei Schritten (Mai und Dezember 2010) ausgezahlt wird und nicht tabellenwirksam ist. Ab April 2011 werden die Entgelte und Ausbildungsvergütungen um 2,7 % erhöht. Es ist eine dreiste Behauptung des IG Metall-Apparats, dass mit diesen auf die Laufzeit gesehen knapp 1,4 % tabellenwirksamen Entgelterhöhungen und dem „Einmalbetrag” die Reallöhne gesichert würden. Das Gegenteil ist der Fall.
Kurzarbeit
Als entscheidenden Inhalt ihres zum „Jobpaket” hochstilisierten Abschlusses verkaufte die IGM-Führung jedoch das zweite Element – den Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit” (Laufzeit bis 30.06.2012). Er hat drei Hauptbestandteile:

  1. Die neue tarifliche Kurzarbeit kann in Betrieben, die mindestens seit 12 Monaten konjunkturelle Kurzarbeit leisten, eingeführt werden. Das jeweilige Unternehmen verzichtet für 6 Monate auf betriebsbedingte Kündigungen. Die Einmalzahlungen für Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden für alle Beschäftigten auf das Monatsentgelt aufgeschlagen. Einerseits steigt dann das Kurzarbeitsgeld, andererseits sinken die Ausgaben (die „Remanenzkosten”) der Unternehmen für die Kurzarbeit.
  2. Arbeitszeitverkürzung mit Teil­entgeltausgleich: Nach dieser neuen tariflichen Kurzarbeit muss ein weiterer tariflicher Kündigungsschutz von mindestens 6 Monaten folgen. Die Wochenarbeitszeit kann auf bis zu 28 Stunden und mit Zustimmung der IGM auf bis zu 26 Stunden abgesenkt werden. In diesen Fällen gibt es nur einen bescheidenen Teilentgeltausgleich.
  3. Bessere Übernahmeregelungen nach Abschluss der Ausbildung.

Unter dem Strich ist ein Kern dieses Handels der Verzicht auf tarifliche Entgeltbestandteile für die Möglichkeit von Arbeitszeitverkürzungen. Ob die tarifliche Kurzarbeit wirksam wird, hängt auch davon ab, ob der vereinbarte Teillohnausgleich befristet auf politischer Ebene von den Beiträgen zu Sozialversicherung freigestellt wird.

Für die gesetzliche Kurzarbeit verlangen die „Sozialpartner” die Fortführung der erleichterten Kurzarbeitsbedingungen und die befris­tete Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch den Staat.
Gegenmacht
Gegen die Solidarpakt-Orientierung der IG Metall bedarf es einer wirksamen Strategie für gewerkschaftliche Gegenmacht. Innerorganisatorische Demokratie und kämpferische Praxis gegen die Abwälzung der Krisenlasten sind die zwei Seiten dieser Alternative.

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