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Betrieb & Gewerkschaft

Mehr als nur ökonomischer Druck erforderlich

Von Clarissa L. | 01.03.2006

Der Streik im Öffentlichen Dienst läuft zum Zeitpunkt des Drucks der Avanti nun schon mehr als zwei Wochen. Wie kann die Lage in der Tarifauseinandersetzung eingschätzt werden? Nach zwei Streikwochen wurde einiges deutlich. Die so genannten Arbeitgeber haben mehr im Sinn als nur Geld auf Kosten der Lohnabhängigen zu sparen. Ihnen geht es mit einer weiteren Verlängerung der Arbeitszeit vor allem um die Türöffner-Funktion für weitere diesbezügliche Runden.

Der Streik im Öffentlichen Dienst läuft zum Zeitpunkt des Drucks der Avanti nun schon mehr als zwei Wochen. Wie kann die Lage in der Tarifauseinandersetzung eingschätzt werden? Nach zwei Streikwochen wurde einiges deutlich:

Erstens: die so genannten Arbeitgeber haben mehr im Sinn als nur Geld auf Kosten der Lohnabhängigen zu sparen. Ihnen geht es mit einer weiteren Verlängerung der Arbeitszeit vor allem um die Türöffner-Funktion für weitere diesbezügliche Runden für das Kapital (vor allem in der Industrie aber nicht nur dort). Deshalb ist der Konflikt weit größer als der ver.di-Vorstand die ganze Zeit gehofft hatte. Nur so ist auch zu erklären, dass schon wenige Tage nach der Unterzeichnung des TVöD im September letzten Jahres die Arbeitszeitbestimmungen gekündigt wurden. Dass ver.di dies so zugelassen hatte, war der Naivität und der Verkommenheit des Vorstands geschuldet.
Wenn der Vorstand aber jetzt einknickt und ohne Not „Kompromisse” sucht, droht ein ähnlich großes gewerkschaftspolitisches Desaster wie beim Abschluss von 1992, als die Vorsitzende Monika Wulf-Mathies sich über ein entsprechendes Urabstimmungsergebnis hinwegsetzte und ein schlechtes Verhandlungsergebnis gegen den eindeutigen Willen der Mitgliedschaft unterschrieb.
Anziehungskraft der Gewerkschaft
Zweitens: Der bisher sehr engagiert geführte Kampf belegt wieder einmal, dass die KollegInnen sehr wohl die Gewerkschaft als ein Kampfinstrument zur Durchsetzung ihrer Interessen begreifen. Wo nicht gekämpft wird hat sie keine Anziehungskraft. So wurden allein im Januar 3 000 Neuaufnahmen verzeichnet, so viele wie sonst in einem halben Jahr.
Drittens: Ein Hauptziel der „Öffentlichen Arbeitgeber” ist das Bestreben, mit Hilfe dieser Auseinandersetzung die allgemeine Privatisierungspolitik wieder ein Stück voranzubringen. Zuletzt waren sie politisch teilweise in die Defensive geraten. Vor allem in Stuttgart war es ver.di gelungen, eine breit angelegte Kampagne gegen Privatisierungen umzusetzen und hat dabei ein sehr gutes Echo in der Bevölkerung gefunden.
Streikbrecher von Privatfirmen
Jetzt wird während des Streiks mit Hilfe von Privatfirmen Streikbrecherarbeit durchgeführt. Besonders hervor tun sich dabei solche Städte wie Freiburg, Mannheim und Ulm. Der Grüne OB Salomon in Freiburg hat z.B. durch die Privatisierung der Müllentsorgung besonders gute Karten. Er konnte mit seinem Konzept erreichen, dass dieser Bereich nicht mehr bezuschusst werden muss und sogar Gewinn abwirft. Dass dies nur möglich ist, weil in dieser Privatfirma Hungerlöhne gezahlt werden, interessiert in der veröffentlichten Meinung wenig.
Aber auch die SPD-OBs von Ulm und Mannheim (Widder, Verhandlungsführer bei den Kommunen) sind ausgesprochene Scharfmacher.
Vor allem die Streikbrecherarbeit durch Privatfirmen, die neue Propagandaoffensive wegen der angeblich sich häufenden Ratten auf den Straßen und für weitere Privatisierungen zeigt: Dieser Kampf wird nicht nur ökonomisch entschieden. Er wird sogar vorrangig an der politischen Front entschieden. Dort gilt es, eine umfassende Gegenöffentlichkeit zu schaffen, Solidarität zu organisieren, sich einmischen, auch dann, wenn mensch nicht im Öffentlichen Dienst arbeitet. 

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