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Innenpolitik

Mangelhafte Entsorgung

Von Hans-Ulrich Hill | 01.05.2011

Die Entsorgung giftiger Chemikalien- und Medikamentenrückstände funktioniert in Deutschland nicht bzw. nicht mehr, und dies in einem Land, dessen Regierungen gebetsmühlenartig behaupten, im Bereich Umweltschutz führend zu sein. Im Folgenden ein kurzer Blick auf die gravierenden Probleme für die Gesundheit der Bevölkerung.

Die Entsorgung giftiger Chemikalien- und Medikamentenrückstände funktioniert in Deutschland nicht bzw. nicht mehr, und dies in einem Land, dessen Regierungen gebetsmühlenartig behaupten, im Bereich Umweltschutz führend zu sein. Im Folgenden ein kurzer Blick auf die gravierenden Probleme für die Gesundheit der Bevölkerung.

Kliniken und niedergelassene Labors entledigen sich der hochgiftigen und oft Erbgut  verändernde flüssigen Abfälle auf die bequemste Art: in den Ausguss. Dies wurde auf einer Fachtagung in Regensburg Anfang Mai 1999 durch Umweltmediziner der Uni Freiburg mitgeteilt. Dies sei auch noch legal, es gäbe keine Verbotsbestimmungen. Die Abwassertechnische Vereinigung will nun in einem Merkblatt fordern, Rückstände aus der klinischen Chemie als Sondermüll zu deklarieren und entsprechend zu entsorgen.

Ähnlich verfahren offensichtlich auch die Drogeriemärkte: Schlecker forderte die Mitarbeiter­­Innen auf, Spraydosen nach Mangelfeststellung im Freien leer zu sprühen und andere defekte Artikel mit Flüssigkeiten in den Abfluss, also ins Wasser über die Kanalisation zu entsorgen. Begründung: „Aus Gründen der Sicherheit müssen die  als reizend deklarierten Produkte vor Ort entleert werden“, sie würden ja sowieso in die Umwelt gelangen. Wer der Anweisung nicht folgt, bekommt eine Abmahnung. Das Umweltbundesamt sieht hier einen Verstoß gegen das Kreislaufwirtschafts- und Abfall-Gesetz.

Die Medikamenten-Entsorgung über die Apotheken funktioniert nicht mehr. Die von der Kölner Firma Vfw-Remedica bundesweit organisierte Entsorgung der Alt-Medikamente wird die Umverpackungen der Medikamente bei Recyclingfirmen nicht mehr los und muss daher von den Apotheken Gebühren von 200 Euro verlangen. Für Vfw-Remedica lohne sich das Geschäft nicht mehr. Seit dem 1.4.2009 gilt eine neue Verpackungsverordnung, nach der die Medikamentenverpackungen über den Hausmüll entsorgt werden dürfen. Jetzt verhandeln Vfw-Remedica und Apotherkerverband über neue Entsorgungsverträge, was noch Monate bis Jahre dauern kann. Nun erwarten Umweltschützer  eine Zunahme der Gewässer- und Trinkwasserbelastung mit Medikamenten-Rückständen. Außerdem weigern sich die Pharmafirmen, für die Rückholung von verfallenen Altmedikamenten zu zahlen, solange sich die ApothekerInnen nicht beteiligen. Bis zum 1.6.2009 war diese Rückholung für die ApothekerInnen kostenfrei. Vfw schätzt die Kosten für die Rückholung auf rund 4 Millionen Euro pro Jahr. Altmedikamente können daher nicht mehr in Apotheken abgegeben werden, weil das Rücknahmesystem nicht mehr funktioniere. Dieses sei aus Kostengründen gestoppt worden.
Rückstände im Trinkwasser
Nach Auffassung der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz han­delt es sich bei Alt-Arzneimitteln um „Bürgermüll“, für dessen Entsorgung  die kommunale Selbstverwaltung zuständig sei. Die Apothekervereinigung weist darauf hin, dass alte Medikamente auch mit dem Hausmüll entsorgt werden dürften. Auch die Pharmafirmen weigern sich, die abgelaufenen Medikamente wie noch vor einigen Jahren von den Apotheken zurückzunehmen, sie holen diese einfach nicht mehr ab. Verhandlungen mit den Apothekerkammern wurden abgebrochen.
VerbraucherberaterInnen weisen auf die zunehmenden Konzentrationen von Arzneimittel-Rückständen im Trinkwasser hin. Die Aufbereitungsverfahren zur Trinkwassergewinnung reichen nicht mehr aus, viele Arzneimittel und Schadstoffe aus dem Wasser zu entfernen. Eine Nachrüstung der Aufbereitungsverfahren ist sehr teuer und wird daher nicht durchgeführt.  Die Entsorgung von Altmedikamenten über den Hausmüll würde das Problem weiter verschärfen.

Die EU-Richtlinie schreibt jedoch vor, dass „geeignete Sammelsysteme für nicht verwendete oder abgelaufene Arzneimittel“ eingerichtet werden müssen. Davon ist bis heute (März 2011) in Deutschland nichts geschehen.

Die HerstellerInnen der Arzneimittel, die Pharmaindustrie, tun alles, um über die Pharma-Referenten und Ärzte immer mehr Medikamente zu verteilen und dabei ein stetiges Wachstum zu erreichen. Sie tun aber nichts für die geordnete Entsorgung, sondern therapieren die gesamte Bevölkerung gegen deren Willen mit den Rückständen im Trinkwasser. Die dort gemessenen Konzentrationen liegen in vielen Fällen schon im therapeutischen Bereich.

Diese Beispiele zeigen: Eine Pharmaindustrie, die nur nach dem Prinzip der Profitmaximierung funktioniert, kann nicht nachhaltig sein. Ein Recycling der Altmedikamente entspricht nicht dem betriebswirtschaftlichen Prinzip der Kostenminimierung. Daher wird diese gesellschaftlich notwendige Leistung verweigert und der Schaden von chronischen Vergiftungen der Bevölkerung aufgebürdet. Hier hilft nur ein grundsätzlicher Systemwechsel, denn dieses derzeit herrschende System von stetig wachsender Produktion bei zunehmender Umweltvergiftung  vergiftet uns alle.

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