TEILEN
Länder

Krisenland Iran

Von Ali Behrokhi | 01.02.2014

Vertritt das Regime die Interessen des iranischen Volkes?
Im Februar 2014 jährt sich die Machtübernahme des Regimes der islamischen Republik in Iran zum 35. Mal und der „moderate“ Präsident Hassan Roohani führt dort seit mehr als einem halben Jahr die Regierungsgeschäfte. Die iranischen Verhältnisse werden in diesem Beitrag analysiert.

Vertritt das Regime die Interessen des iranischen Volkes?
Im Februar 2014 jährt sich die Machtübernahme des Regimes der islamischen Republik in Iran zum 35. Mal und der „moderate“ Präsident Hassan Roohani führt dort seit mehr als einem halben Jahr die Regierungsgeschäfte. Die iranischen Verhältnisse werden in diesem Beitrag wie folgt analysiert:

  • Begriffe wie „moderat“ und „Reformen“ sowie das Phänomen „Wahlen“,
  • das Amt des Präsidenten und die Stellung des Führers,
  • die iranische Februarrevolution von 1979,
  • die Gründe, die die Machtübernahme des    schiitischen Klerus begünstigten,
  • die Haltung des Regimes zu den Großmächten und zum „eigenen Volk“,
  • das sozioökonomische Erbe des Regimes
  • und die „iranische Atompolitik“.

Hassan Roohani – weder Demokrat noch Reformer
Als im Sommer 2013 Hassan Roohani zum Präsidenten der islamischen Republik in Iran gewählt wurde, feierten die gleichgeschalteten iranischen Medien und die mit ihnen im Bunde stehende „freie“ global agierende kapitalistische Propagandamaschinerie die „Wahl“ als „Sieg der Vernunft“. Der schiitische Geistliche Hassan Roohani hat in den letzten 30 Jahren als führender Kader im Sicherheitsapparat des Regimes fungiert und war jahrelang persönlicher Berater des „Führers“1 und dessen Vertreter im nationalen Sicherheitsrat der islamischen Republik. Also dieser Mensch ist für alle groben Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen mitverantwortlich, die in Iran passiert sind und immer noch passieren! Entgegen dieser Kenntnisse und Fakten lauteten die Lobgesänge der Medien so oder ähnlich: der neue Präsident käme aus dem Lager der „Gemäßigten“ und „Reformer“, er würde mit der angekündigten „Charme-Offensive“(?!) die Beziehungen zu den westlichen Ländern normalisieren, den iranischen Frauen erlauben, die Kopftücher etwas höher zu setzen und für Verbesserungen der Lebensbedingungen in Iran sorgen …

Bevor die wichtigsten Maßnamen der iranischen Regierung seit dem Amtsantritt des „moderaten Präsidenten“ etwas genauer unter die Lupe genommen werden, ist es notwendig, auf folgende Fragen einzugehen. Was bedeuten Begriffe wie „gemäßigt“, „moderat“ oder „Reform“, wenn es sich dabei um die Funktionsträger und die Politik des iranischen Regimes handelt?
„Wahlen“ in Iran
Wie funktionieren Wahlen in der islamischen Republik Iran? Über welche Kompetenzen verfügen der „gewählte“ Präsident und der „nicht gewählte Führer“? Ganz gewiss kommt es an der Spitze des Regimes der islamischen Republik seit längerer Zeit zu heftigen Macht- und Flügelkämpfen, die aus unterschiedlichen Interessen und Positionen geführt werden. Dafür sind folgende Gründe zu nennen. In der Zeit seiner Gründung im Jahr 1979 musste das Regime aus Rücksicht auf die revolutionäre Stimmung im Land einem faulen Kompromiss zwischen reaktionären islamistischen Ansichten und republikanischen Grundsätzen zustimmen. Inzwischen sind die republikanisch eingestellten liberalen und nationalen Gruppen, die damals mit den Mullahs gemeinsame Sache machten, längst gesäubert und von der Macht entfernt, aber der „Geburtsfehler“ der islamischen Republik ist geblieben.

Laut Verfassung liegen die wichtigsten staatlichen Entscheidungen in der Hand des Führers. Von einem obskuren „Gelehrten-Gremium“ dazu ernannt, bleibt er bis zu seinem Lebensende an der Macht, mit absolutistischen Machtbefugnissen ausgestattet, niemanden Rechenschaft schuldig „außer Gott“(?!)

In derselben Verfassung tauchen republikanische Elemente wie „Wahlen“, „Abgeordnete“, „Volksvertretung“ … auf. Aber der „Führer“ ist befugt, vom Parlament beschlossene Gesetze zu blockieren, Minister zu entlassen, die Judikative als eigene Domäne zu behandeln, in die Wirtschaft unkontrolliert einzugreifen, Kommandeure der Streitkräfte zu benennen und zu entlassen und mit dem Ausland Krieg zu führen oder Frieden zu schließen … Die „Gewählten“ tragen zwar hochtrabende Namen wie Präsident und Parlament, aber bei allen entscheidenden Fragen sind sie ohne den Segen des Führers macht- und funktionslos. Dieses Missverhältnis der Machtverteilung führt zwangsläufig zu Konkurrenz- und Kompetenzstreitigkeiten, besonders in Krisenzeiten und besonders, wenn es um die Macht- und Geldverteilung geht!
Repression und wirtschaftliches Desaster
Auf zwei weitere Faktoren politischer und wirtschaftlicher Natur, die zur Verschärfung der Spannungen an der Spitze des Regimes beitragen, muss hingewiesen werden. Seit s
einer Gründung bis heute regiert das Regime das Land mit Schwert und Blut. Nicht nur GegnerInnen der islamischen Herrschaftsordnung sind Feinde Gottes und werden verfolgt, verhaftet, gefoltert und ermordet. Alle iranischen Frauen und Männer, die nicht „so sind“ und nicht „so aussehen“, wie das Regime es vorschreibt – und das ist immerhin die Mehrheit der iranischen Bevölkerung! –, werden auf der Straße, im Betrieb, in der Schule, ja sogar zu Hause, kontrolliert, gedemütigt und beleidigt. Und so wandern Jahr für Jahr unzählige Menschen in die Folterkammern des Regimes.

Das faschistoide Klima wird durch das wirtschaftliche Desaster verschärft, das die islamische Republik jeden Tag erzeugt. Schöpfend aus den reichlich vorhandenen Petrodollars, hat das Regime eine parasitäre Atmosphäre des Söldnertums und der Almosenempfänger geschaffen. Wie in den korrupten Ölmonarchien am persischen Golf leben die Machthaber der islamischen Republik in märchenhaftem Reichtum und sind in der Lage, ihre Anhänger, Sympathisanten und Schlägertrupps reichlich zu belohnen. Zur gleichen Zeit müssen lohnabhängige Menschen oft Monate auf ihre Löhne und Gehälter warten. In der iranischen Volkswirtschaft herrschen Chaos und Korruption. Funktionsträger des Regimes wie schiitische Geistliche, die als „Freitagsprediger“ in allen iranischen Städten und Provinzen das Sagen haben, oder Kommandeure der paramilitärischen Wächterarmee (Pasdaran) verfügen über die notwendige Macht und Mittel, um vorbei an staatlichen Kontrollen Waren aus den westlichen Ländern oder aus China einzuführen und zu verkaufen. Die Folge davon ist, dass die einheimischen Produktionsstätten dagegen nicht konkurrieren können, Pleite gehen und die Zahl der Erwerbslosen steigt. Von dem Heer der Arbeits- und Beschäftigungslosen einmal abgesehen, sind die Beschäftigten wegen der hohen Inflations- und Teuerungsrate meistens nicht in der Lage, mit ihrem Verdienst sich und ihre Familien zu ernähren.
Volk und Staat in Iran
Das Verhältnis Volk und Staat lässt sich in Iran so darstellen: In Iran leben über 75 Millionen Menschen. Das Regime mit seinen sich bekämpfenden und miteinander konkurrierenden Fraktionen und Flügeln samt Anhängerschar im Land kommt auf ca. 10 Prozent der Gesamtbevölkerung. Man sollte nicht meinen, die AnhängerInnen seien alle fromme schiitische GlaubensverfechterInnnen  und GottesanbeterInnen. Die meisten von ihnen sind in einer materiellen Abhängigkeit mit dem Regime verbunden. Je näher sie dem Regime stehen, mit desto höherem Ansehen, besserem Einkommen und besseren Chancen für sich und ihre Familienmitglieder können sie rechnen. Dieser brüchigen Minderheit steht eine ca. 90-prozentige Bevölkerungsmehrheit gegenüber, die keine Hilfe und Unterstützung erfährt, vom Staat drangsaliert wird, von den Reichtümern des Landes nichts zu sehen bekommt und extrem unzufrieden und rebellisch ist. Das islamische Regime in Iran sieht wie ein kleiner schwarzer Fleck aus, der in einem Ozean von Unzufriedenheit und Ablehnung dahintreibt! Wenn nun westliche Medien und PolitikerInnen von Reformen und moderaten Kräften in Iran sprechen, dann handeln sie irreführend und leisten einem korrupten und mörderischen Regime propagandistischen Beistand.

Die Spitzenpolitiker und Kader des Regimes wissen ganz genau, dass bei kleinster Öffnung und Reform das ganze Gebilde der islamischen Republik zusammenbricht und sie als erste um ihre Privilegien, ihre Position, ja sogar um ihr Leben bangen müssen. Wenn in Iran von „Reformen“ die Rede ist, dann ist damit die Rettung des Regimes gemeint und nicht gesellschaftliche Verbesserungen. Außerdem sind die Machtmechanismen des Regimes in Iran so konstruiert, dass Menschen, die „Reformen“ als Veränderung und Verbesserung der Lebensbedingungen begreifen, von vorneherein keine Chance haben, „gewählt“ zu werden. Laut „Wahlvorschriften“ der  islamischen Republik sind säkulare, liberale, linke, rechte und sonstige „Kandidaten“ nicht existent und dürfen sich nicht zur Wahl stellen.

Aus dem Gros der bekannten und anerkannten islamistischen Eiferer wird eine Handvoll ausgewählt und zur „Wahl“ zugelassen. Die Wahlveranstaltungen des Regimes, die ursprünglich seiner „demokratischen Legitimation“ dienen sollten, tragen längst zu seiner Lähmung und Entlarvung bei. Beim Urnengang bekommen die WählerInnen einen Stempel in den Ausweis, der als Zeichen der Staatstreue gilt und der beim Behördengang oder bei der Berührung mit den staatlichen Stellen sehr wohl hilfreich sein kann. Trotz der aufgrund einer Wahlverweigerung befürchteten Schikanen weigert sich mehr als die Hälfte des „Wahlvolkes“ beim Wahlszenario mitzumachen. Mit andern Worten: Über die Hälfte der Wahlberechtigten nimmt an den undemokratischen Wahlen nicht teil, und dies mit steigender Tendenz. Die von den Iranerinnen klug aufgebaute Verweigerungstaktik zwingt das Regime zu erstaunlichen Zahlentricksereien und Stimmbetrügereien. So kommt es schon vor, dass die Stimmen für den Kandidaten, der am Ende des Wahltages als Wahlsieger feststehen wird, während des Tages laut der staatlichen Angaben bei fünf bis sechs Millionen liegen und der Kandidat am Abend des selben Tages plötzlich mit über 17 Millionen Stimmen gewählt wird.

Im Jahr 2009 fliegt bei der zweiten „Wahl“ von Ahmadinejad gerade dieser Wahlbetrug auf. Das führt zu Unruhen, die Monate lang anhalten, das ganze Land erfassen und schließlich blutig niedergeschlagen werden.

Die so gewählten Präsidenten der islamischen Republik, wie der „Reformer“ Mohammad Khatami (1997 – 2005), oder der „radikale Hardliner“ Mahmud Amadinejad (2005 – 2013) und der jetzige „Moderate“ kommen und gehen und belasten die Welt mit ihren Behauptungen, Versprechungen und Lügenmärchen. Was aber seit über 30 Jahren in Iran hartnäckig Kontinuität aufweist, sind Menschenrechtsverletzungen und wirtschaftliche Inkompetenz und Korruption.
Die Amtszeit des „Reformers“_Hassan Roohani
Um den Rahmen des Beitrags nicht zu sprengen und die Geduld der Leserinnen und Leser nicht unnötig zu strapazieren, soll ein sehr kurz zusammengefasster Überblick der bisherigen Amtszeit von Hassan Roohani aufzeigen, welche Früchte seine „Charme-Offensive“ und „moderate Politik“ in Iran tragen. Seit Juni 2013 ist Hassan Roohani als Präsident im Amt. Schon im Oktober/November desselben Jahres werden interessierte und betroffene Kreise von erschütternden Nachrichten aus Iran überrascht. Internationale Nachrichtenagenturen, Onlineausgaben einiger deutschsprachigen Zeitungen wie der Süddeutschen Zeitung, offizielle persischsprachige Internetseiten wie bbc.uk./persian/iran und radiofarda.com und die meisten oppositionellen iranischen Seiten wie akhbare-rooz.com gehen darauf ein und  berichten darüber. Menschenrechtsorganisationen protestieren dagegen und rufen die UNO auf, sich einzuschalten und zeigen sich empört.
Hinrichtungen seit Oktober 2013
Die Empörung war berechtigt. Denn das Regime überzog das Land mit einer Welle von Hinrichtungen. Das Regime hält Zehntausende von Frauen und Männern in den iranischen Gefängnissen fest und behandelt sie wie Geiseln ohne Schutz, ohne
Recht. Hinrichtungen stehen in Iran auf der Tagesordnung. Zum Massenmord von Gefangenen kommt es aber, wenn folgende drei Faktoren aufeinanderprallen. Die Krise im Land verschärft sich, Unruhen sind zu befürchten und das Regime ist wieder einmal dabei, sich mit den Imperialisten auf einen Deal einzulassen, der den Interessen Irans entgegensteht. (Über den sehr fragwürdigen „Genfer Deal“ vom November 2013 siehe weiter unten.) In solchen Fällen betrachtet das Regime die – zumeist öffentlichen – Hinrichtungen als „prophylaktische Maßnahme“. In einer Atmosphäre von Angst und Schrecken wird den zutiefst unzufriedenen und zornigen Menschen zu verstehen gegeben: „Schaut her, jeder Gedanke an Widerstand und jede Form von kollektivem und organisiertem Kampf gegen uns wird so geahndet, wie ihr seht!“ In den Monaten Oktober/November 2013 gab es die meisten Berichte über Todesurteile in Iran, die mal einzeln und mal gruppenweise vollstreckt wurden.
Hier einige Beispiele:

  • Am 14.10.2013 berichtete die SZ unter der Überschrift „Iran: Angehörige eines Verurteilten werfen Handgranate während einer Hinrichtung“ wie folgt: „… Um die Hinrichtung eines zum Tode Verurteilten Häftlings zu verhindern, haben seine Verwandten eine Handgranate in ein Gefängnis in der westlichen Provinz Ilam geworfen … Ungeachtet des Vorfalls ist der Verurteilte erhängt worden …“
  • In den letzten Oktobertagen 2013 erreichte folgende Meldung über internationale Nachrichtenagenturen die Öffentlichkeit. Darin wird der Staatsanwalt der südöstlichen iranischen Provinz Zahedan, Mohammad Marziyeh, mit folgenden Worten zitiert: „Am 25. Oktober sind bei Gefechten mit den Aufständischen 14 iranische Grenzwächter ums Leben gekommen … Als Rache, und um das Gleiche mit Gleichem zu beantworten, wurden 16 Gefangene hingerichtet…“. Dieser barbarische „Racheakt“ vermittelt einen Eindruck über das in Iran herrschende „Rechtsverständnis“.
  • Am gleichen Tag (29. Oktober 2013) wurden zwei kurdische Oppositionelle im Westen Irans in den Städten Orumiyeh und Salmas hingerichtet. Der Vater eines der Ermordeten erklärt öffentlich: „Meinen Sohn hatten sie wegen eines Buches verhaftet …“
  • Einen Tag später (30. Oktober 2013) werden sieben Menschen wiederum in der Stadt Orumiyeh wegen Drogendelikten gehängt. Zu gleicher Zeit werden zwei Menschen im Norden Irans in den Städten Sari und Semnan hingerichtet …

Die tatsächliche Zahl der Hinrichtungen in Iran liegt im Dunkeln, und solange das Regime dort weiter herrscht, sind exakte Recherchen nicht möglich. Doch soviel steht fest, dass auf Grund der international bestätigten Zahlen in Iran in einem Zeitraum von 3 Monaten täglich zwei Menschen hingerichtet wurden – gemessen an der Bevölkerungszahl des Landes ein „Weltrekord“! Bei den verhängten und vollstreckten Todesurteilen in Iran taucht oft der Begriff „Drogen“ auf, deshalb ist die Frage sehr berechtigt, welche Rolle spielen eigentlich die Drogen dabei? In Iran sitzen sehr viele Frauen und Männer aus politischen Gründen im Gefängnis. „Bei Bedarf“ wirft ihnen das Regime „Handel mit Drogen und Konsum von Drogen“ vor und ermordet sie. Dabei hat die iranische Justiz ein leichtes Spiel. In Iran gibt es laut Angaben des Regimes über vier Millionen Drogenabhängige.
Drogen in einer streng überwachten und geschlossenen Gesellschaft
In einer geschlossenen und streng überwachten Gesellschaft wie der iranischen, in der jegliche menschliche Regung stark reglementiert wird, ist es offensichtlich, dass das herrschende Regime bei einer Angelegenheit, die über vier Millionen Menschen betrifft, die Hauptverantwortung trägt. Hinzukommt der folgende delikate Aspekt, der auf die Mittäterschaft des Regimes hinweist. Bei Machtkämpfen, die manchmal auch offen ausgetragen werden, sickern ab und zu solche Raritäten durch. Im Parlament vor den Fernsehkameras oder in der eigenen Presse wirft die eine Gruppierung den politischen Gegenspielern vor, dass dort „Brüder“ mit Minister- oder Direktorenposten die Hand bei den Schmuggelgeschäften im Spiel hätten und so der „geliebten islamischen Republik“, dem „geliebten Islam“ und dem „geliebten Führer“ schaden würden. Dieses Treiben wird aber vom Regime der islamischen Republik geduldet und sogar gefördert, und das aus folgendem Grund: Mit Drogen legt man Teile der Jugend so zusagen von innen heraus und unblutig lahm und schaltet sie als schaffende, treibende und denkende Kraft aus. Außerdem verdient man dabei Millionen, ein leichtes Geld, wonach das korrupte System ständig durstet und hungert. Da das Regime offiziell immer wieder Menschen wegen „Drogendelikten“ hinrichten lässt, stellen viele Menschenrechtsgruppen die islamische Republik vor solche oder ähnliche Fragen: Ist denn das Drogenproblem überhaupt mit Todesurteilen und Todesstrafen zu lösen? Und angesichts der hohen Zahl von über vier Millionen Drogenabhängigen, wie viele Menschen wolle denn das Regime der islamischen Republik hinrichten?

Seit Beginn des Jahres 2014 bis heute (20.01.2014) sind laut iranischen Menschenrechtsorganisationen, die durch amnesty international bestätigt wurden, 40 Menschen wegen diverser „Drogendelikte“ hingerichtet worden.
Die gescheiterte iranische _Februarrevolution
Im Februar 1979 fegte ein von Millionen Menschen getragener Volksaufstand in Iran das monarchistische Regime von der Macht. Der Sturz kam für viele überraschend, denn das Schah-Regime galt als Lieblingsregime des Westens, unterhielt gute Beziehungen mit dem damaligen Ostblock, verfügte über reichlich Finanzmittel und wurde als Insel der Stabilität gelobt.

Doch die meisten IranerInnen hatten eine andere Einschätzung von diesem Regime. Sie erlebten Tag für Tag den „kaiserlichen Prunk“, seine Verschwendungssucht, seine Günstlinge, seine Kontakte zu den Imperialisten und seine polizeistaatlichen Repressionsmethoden. Sie machten das Regime und seine ausländischen „Freunde“ für ihre Probleme verantwortlich. Gleichzeitig blickten sie jedoch auf eine politische Widerstandskultur, die trotz diktatorischer Regierungen in der iranischen Gesellschaft fortlebte. Im Jahre 1953 hatte in Iran ein demokratisch geführter Kampf eine nationalliberale Regierung – unter Präsident Mohammad Mosadegh – an die Macht gebracht, die die iranische Ölindustrie nationalisierte, die britischen Agenten hinauskomplimentierte und den Schah zwang, das Land zu verlassen. Im August desselben Jahres bereitete ein von dem amerikanischen Geheimdienst CIA geführter Putsch der Demokratiebewegung ein Ende, setzte den flüchtigen Schah wieder auf den Thron und errichtete ein diktatorisches Regime, das bis 1979 dauerte.

Nach einer mit Polizei- und Militärgewalt erzwungenen „politischen Ruhepause“ formierte sich der Widerstand erneut, mündete in die Massenproteste der Sommer- und Herbstmonate des Jahres 1978, die allmählich das ganze Land erfassten. Monatelang standen täglich viele tausende Frauen und Männer auf der Straße und forderten: der „amerikanische Sc
hah“ muss weg! Mit dem Sturz des Schahs war ein Etappensieg erreicht, der jedoch Keime einer frühen Niederlage in sich trug.
Die Machtübernahme des Klerus
Seit dem Bestehen der islamischen Republik stellt sich die Frage: Wie war es möglich, dass nach dem Sturz eines volksfeindlichen Regimes durch einen Volksaufstand eine noch reaktionärere Clique die Macht eroberte? Ein Hinweis auf zwei innen- und außenpolitische Faktoren kann die Suche nach einer Antwort erleichtern:
1. Innenpolitische Faktoren
Von der Mitte der 1920er Jahre bis 1979 war in Iran ein Regime an der Macht, das als „Pahlawi-Dynastie“ in die Geschichte eingegangen ist. In der Pahlawi-Zeit herrschte in Iran politische Friedhofsruhe. Wer es in diesem System des Schweigens und Gehorchens wagte, sich außerhalb der festgelegten Richtlinien zu äußern, riskierte sein Leben. Die strenge staatliche Zensur ließ unabhängigen Parteien, Gewerkschaften und Presse keinen Raum.

Während die politische Opposition mundtot war, genossen die schiitischen Geistlichen zwar keine politischen, aber durchaus religiöse Freiheiten und gesellschaftliches Ansehen. Als 1978/1979 die Unruhen ausbrachen, waren linke Kräfte weitestgehend physisch eliminiert, saßen im Gefängnis oder lebten im Exil. Zur gleichen Zeit waren ungefähr 60.000 Geistliche im ganzen Land tätig, hatten Zugang zu den Ohren und der Seele der Bevölkerung und konnten sich leicht als deren Sprecher und Vertreter profilieren.
2. Außenpolitische Faktoren
Die iranische Revolution fand in einer Zeit statt, in der der „Kalte Krieg“ voll im Gange war und die Spannungen zwischen den NATO-Staaten und dem Ostblock (Warschauer Pakt) die Weltpolitik beherrschten. Mit der mehr als 1.000 km langen Grenze zu der damaligen Sowjetunion nahm Iran im hegemonialen Konkurrenzkampf der Großmächte einen zentralen Platz ein. Aus der Sicht der NATO-Mächte musste – und muss weiterhin – Iran mittel- und langfristig „pro-westlich“ bleiben. Als im Herbst 1978 definitiv feststand, dass das Schah-Regime sich von den Schlägen der Revolution nicht mehr erholen würde, trafen sich die Regierungschefs von USA, England, Frankreich und BRD zu einer „Iran-Konferenz“ auf der karibischen Insel Guadeloupe und fassten sinngemäß folgenden Beschluss:

Das Schah-Regime ist nicht mehr zu halten, Iran muss innen- und außenpolitisch vor dem Kommunismus geschützt werden, der schiitische Geistliche Ruholla Khomeiny ist als antikommunistischer Garant zu unterstützen.
Das islamische Regime und _seine „Fähigkeiten“
Dank des grünen Lichts der Westmächte und dem politischen Vakuum in Iran gelangte der schiitische Klerus an die Macht. So wird aus dem Volksaufstand in Iran, der gegen einen Diktator und seine ausländischen Gönner gerichtet war, die sogenannte „islamische Revolution“.

Die Menschen, deren Kampf den Machtwechsel ermöglicht hatte, erwarteten nun, dass das neue Regime ihnen mehr Freiheit, mehr Demokratie und bessere Lebensbedingungen bringen würde. Die neuen Machthaber waren wegen ihrer Weltanschauung und ihrer sozialen Herkunft weder in der Lage noch willens, sich den Anforderungen der iranischen Gesellschaft zu stellen.

Weltanschaulich bewegten – und bewegen sich immer noch – die „Islam-Gelehrten“, die nun politische Ämter innehatten, in vormittelalterlichen Denk- und Wertvorstellungen. Diese Denkart kennt keine Opposition im herkömmlichen Sinn. Wer immer gegen sie, ihren Staat, ihre Direktiven ist, wurde und wird als Gotteslästerer, als „Verdorbener auf Erden“ (aus dem Koran) gebrandmarkt und bestraft. Tausende wurden mit dieser Begründung hingerichtet.

Bis zu dem entscheidenden Jahr 1979 waren die schiitischen Geistlichen in Iran gesellschaftlich und wirtschaftlich abhängig von der Spendierfreudigkeit der reichen und weniger reichen Gläubigen. Deshalb suchten sie entsprechend ihrer sozialen und religiösen Stellung die Nähe der Wohlhabenden. Diese parasitäre Art, zu wirtschaften und zu leben, gehört bis heute zu den wirtschaftlichen Gepflogenheiten der islamischen Republik in Iran.

Aus Platzgründen sollen nur einige wenige Beispiele einen Eindruck von den „Lebensgewohnheiten“ in Iran vermitteln.

Im November 2013 müssen die staatlichen und halbstaatlichen iranischen Nachrichtenagenturen (zum Beispiel ISNA) folgende Zahlen bestätigen und selbst veröffentlichen. Die staatlichen Einnahmen, die hauptsächlich aus dem Ölgeschäft gespeist werden, belaufen sich im Zeitraum von 2005 – 2013 auf 980 Milliarden Dollar. Im selben Zeitraum machen die Ausgaben 824 Milliarden Dollar aus. Der Rest, also der reine Gewinn des Staates, beträgt ungefähr 154,5 Milliarden Dollar. Ungefähr 50 Milliarden davon sind auf einen Fond mit dem Namen „Fond für nationales Wachstum“ überwiesen worden. Der Fond bestätigt den Eingang von 30 – 50 Milliarden…

Die Frage ist, wo sind die restlichen 100 Milliarden? Die Suche bleibt erfolglos…!!!
Am 12 November 2013 bezieht sich die Frankfurter Rundschau auf die Nachrichtenagentur Reuters und berichtet unter der Überschrift:
„Reicher als der Schah“

dass der geistliche Führer Irans Ali Khamenei2 ein Firmenimperium mit einem Wert von knapp 100 Milliarden Dollar kontrolliere … Die Unterlagen seien geheim und schwer zu schätzen… Reuters liste aber Immobilien im Wert von 52 Milliarden Dollar und Firmenbeteiligungen in Höhe von 43 Milliarden Dollar auf…“
Iranisch-Türkischer Finanzskandal
In der Zeit von Mitte Dezember 2013 bis Mitte Januar 2014 überraschten Meldungen über einen riesigen „iranisch-türkischen Finanzskandal“ die Öffentlichkeit. Die diesbezüglichen Informationen, die unter anderem von dem türkischen Fernsehen „TRT“, der türkischen Zeitung „Todays Zaman“, iranischen Quellen und der süddeutschen Zeitung (vom 23.12.2013, 27.12.2013, 28./29.12.2013, 08.01.2014, 14.01.2014) mehrmals berichtet wurden, haben folgende Kernaussage:

„…wegen Geldwäsche in Höhe von 87 Milliarden Dollar und Goldschmuggel von mehreren Tonnen, die ihren Weg von Iran über Azarbayjan und Russland in die Türkei gefunden haben, wird ein 29jähriger iranischer Kaufmann namens Reza Zarab in der Türkei verhaftet. Es geht darum, dass er Mitglieder des türkischen Kabinetts, Ministersöhne, hohe Polizeioffiziere und den Direktor der staatlichen türkischen „Khalk-Bank“ oft mit mehreren Millionen Dollar bestochen hat …“

Das Ausmaß und die Auswirkungen der iranisch-türkischen Finanzkorruption sind noch nicht bekannt und nicht genau abzusehen. Fest steht nur, dass die iranische Korruptionsspirale immer höher dreht und längst die ausländischen „Geschäftspartner“ erreicht hat.
Das Atomabenteuer
Die sogenannte iranische Atompolitik war von Anfang an energiepolitisch widersinnig und diente dem machtpolitischen Kalkül des Regimes. Auf der einen Seite kostete sie die iranische Volkswirtschaft für d
en Kauf der Anlagen auf dem Weltmarkt, für ihre Installierung und Betreuung Milliarden von Dollar. Auf der andern Seite wurde sie von dem islamischen Regime und seinen westlichen Gegenspielern propagandistisch-politisch missbraucht.

Während die islamische Republik sich als Hüter iranischer Nationalinteressen und Förderer des technischen Fortschritts positionieren konnte, traten die imperialistischen Mächte auf als „besorgte und friedfertige Staaten“, die die Welt vor atomarer Gefahr schützen wollen.

Nun fand das Atomdrama im November 2013 in Genf ein vorläufiges Ende. Ein kurzer Überblick soll erläutern, welche Gründe zum „Vertrag“ führten und welche Folgen er für die „Vertragsparteien“ hat.
Die Verhandlungen des iranischen _Regimes mit den Großmächten in Genf
Die wirtschaftlichen Engpässe, die in erster Linie auf die in Iran herrschende Misswirtschaft und Korruption zurückzuführen sind und die durch die Sanktionen weiter verschärft wurden, zwangen das Regime aus einer Position der Schwäche und Isolation an den Verhandlungstisch.

Wenn das die Beweggründe des Regimes waren, welche Motive zur Verhandlung gab es im imperialistischen Lager?
Während die diktatorischen Regierungen Russlands und Chinas sich mit „ihren iranischen Kollegen“ bestens verstehen und die EU-Imperialisten auf dem iranischen Markt fette Beute machen, sind US-Konzerne leidende Beobachter des Geschehens und drängen zur „Normalisierung der Beziehungen“!
Die Süddeutsche Zeitung vom 09.11.2013 schreibt unter der Überschrift:
„US-Konzerne wollen alte Kontakte wieder herstellen“

„…Manager klagen seit Jahren über die immer strengeren US- und UN-Sanktionen und über den Preis, den nicht zuletzt die amerikanische Wirtschaft dafür zahlt … Sie vermuten, dass US-Konzernen, wie Boeing, General-Motors, Monsanto oder den Öl- und Gasbranchen, erhebliche Umsätze entgehen … Der frühere Navy Offizier Chris Harmer vom „Institute for the study of war“ schätzt den Betrag auf 25 Milliarden Dollar pro Jahr … Während General-Motors keine Autos  nach Iran verkaufen darf, beherrschen japanische und französische Konzerne den iranischen Markt … Was den iranischen Markt betrifft, sind eigentlich nur wir Amerikaner isoliert, sagt Harmer.“

Dies sind die unterschiedlichen Motive beider Seiten, die den Weg zur Verhandlung ebneten. Welche Ergebnisse hat aber der vorläufige Genfer Kompromiss gebracht?
Laut Genfer Diktat hat das Regime die Urananreicherung von derzeit etwa 20 Prozent auf weniger als 5 Prozent zurückzuführen und von den auf den westlichen Banken „eingefrorenen“ 120 Milliarden iranischen Petrodollars wurden dem Regime 4, 2 Milliarden in Aussicht gestellt, die es in Raten erhalten soll. Dazu schreibt die SZ vom 14.01.2014:

„So ist es … vorgesehen, dass Iran in den ersten 3 Monaten die Hälfte des auf 20 % angereicherten Urans auf ein Niveau von weniger als 5 % verdünnt… Nur wenn Iran diese Zusagen erfüllt, werden die USA tranchenweise die 4,2 Milliarden Dollar an eingefrorenen iranischen Öleinnahmen freigeben.“

Mit der Zustimmung zu den Genfer Vereinbarungen gibt das Regime der islamischen Republik ein Stück iranischer Souveränität preis, damit seine Herrschaft etwas verlängert wird. Die Atompolitik dieses Regimes war schon immer sowohl ökologisch als auch ökonomisch eine enorme Belastung für die iranische Gesellschaft, in Genf wurde sie zu einer nationalen Katastrophe. Dafür trägt das in Iran herrschende Regime die Verantwortung.

Der Verfasser Ali Behrokhi gehört zur unabhängigen linken iranischen Opposition im Exil

1) Ruholla Khomenei, erster Führer und Gründer der islamischen Republik (1979 – 1989);
2) Ali Khamenei, seit dem Tod seines Vorgängers ab 1989 an der Macht

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite