TEILEN
Innenpolitik

Krise der Euro-Hilfspakete: Nur noch abwärts

Von Jakob Schäfer | 01.06.2011

Wenn sich die Euro-Finanzminister oder ihre Beauftragten seit Monaten praktisch jede Woche treffen, um über „Hilfs“pakete zu verhandeln und dabei nicht weiterkommen, dann liegt das nicht an ihrem Unvermögen, sondern an einem realen Dilemma.

Wenn sich die Euro-Finanzminister oder ihre Beauftragten seit Monaten praktisch jede Woche treffen, um über „Hilfs“pakete zu verhandeln und dabei nicht weiterkommen, dann liegt das nicht an ihrem Unvermögen, sondern an einem realen Dilemma.

Ursache der akut zugespitzten Haushaltskrise in einer wachsenden Zahl von Ländern (nicht nur, aber vor allem in der EU, in Japan und in den USA) ist die Krise, die 2007 zuerst in den USA ausbrach und dann 2008 zu einer Weltwirtschaftskrise wurde. Am härtesten traf es dabei das in den Banken (und Versicherungen) angelegte Kapital, weil dort eine gewaltige Blase platzte1.  Da es in der neoliberalen Logik für alle beteiligten Staaten darum ging, das dort investierte Kapital zu retten, also die Verluste zu sozialisieren, wurden gewaltige Summen staatlicher Gelder lockergemacht: Weltweit waren es (umgerechnet) mehrere Hundert Milliarden Euro, die in kürzester Zeit den Banken und Konzernen real ausgezahlt wurden.

Dadurch hat sich in den OECD-Ländern (den 30 führenden Industriestaaten) das Staatsdefizit von 2007 bis 2010 (erstes Quartal) versiebenfacht, und zwar auf knapp 3,4 Billionen Dollar. Griechenland hat heute (gemessen am Bruttoinlandsprodukt, BIP) eine Staatsverschuldung  von 154 %, für nächstes Jahr werden 166 % erwartet!

Noch dramatischer ist es in Japan, das schon zu Beginn der Krise eine Staatsverschuldung von 195 % hatte,  laut IWF waren es im letzten Jahr schon 218,6 %. Nach der Reaktorkatastrophe und dem Anwerfen der Notenpresse zur Finanzierung neuer Hilfspakete (vor allem für die Atomindustrie) steigt die Inflationsgefahr ganz drastisch. Denn in Wirklichkeit hat auch Japan dieses Geld natürlich nicht, es druckt nur einfach immer mehr Scheine.
Mechanismus „Hilfs“paket
Dadurch, dass diese Hilfsgelder (für Griechenland, Portugal, Irland usw.) nicht konsequent staatlich vergeben werden, sondern im Wesentlichen (über die EU) auf dem „Kapitalmarkt“ aufgenommen werden, bleiben die Zinssätze hoch. Aber auch wenn sie niedriger wären, könnte der angestrebte Mechanismus nicht funktionieren, denn das Abwürgen der Binnennachfrage treibt die Wirtschaft weiter nach unten (in ein „Minuswachstum“). Eine Rückzahlung der Schulden wäre aber grundsätzlich nur dann möglich, wenn das Wachstum größer wäre als der Zinssatz (also nicht bei -4,5 %, sondern bei mindestens +8 %), unter den gegebenen Bedingungen völlig ausgeschlossen. Und je mehr Geld für den Schuldendienst (Zins und Tilgung) aufzubringen ist, desto mehr geht das BIP ins Minus. Wie unter diesen Bedingungen Griechenland in der Lage sein soll, Schulden abzutragen, wird ewig ein Geheimnis bürgerlicher Ökonomen bleiben.

Die Probleme müssen also zwangsläufig größer werden, das Schnüren neuer Hilfspakete wird in einem Teufelskreis weitergehen und immer schwieriger werden. Der Spiegel (18/2010) erkannte: „Die Staatsschuldenblase ist die letzte aller möglichen Blasen.“ In Wirklichkeit handelt es sich bei den Staatsschulden zwar nicht um eine Blase, aber klar ist immerhin: Wenn dieses Konstrukt zusammenbricht, weil zu viele Länder in ihrer Kreditwürdigkeit herabgestuft werden, dann wird auch die BRD (zurzeit innerhalb der EU der wichtigste „lender of last resort“) nicht mehr lange verschont bleiben. Im Moment wird gerade Italien herabgestuft (A+).
Allen Beteiligten ist im Prinzip klar, dass die rigorosen Sparmaßnahmen die wirtschaftliche Tätigkeit nicht ankurbeln können. Zunächst wollen die Herrschenden aber schnell noch kräftig absahnen. Dafür wird der Druck auf die betroffenen Länder (z. B. Griechenland) erhöht, ihr Tafelsilber zu verhökern, sprich: zu Billigstpreisen Staatsbesitz zu verkaufen. Das erhöht zwar die Anlagemöglichkeit des (vornehmlich ausländischen) Kapitals, aber schon mittelfristig verringert dies zusätzlich das dortige Volksvermögen und damit die wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Eine Einstellung der Zahlungen für den Schuldendienst (vergleichbar mit Argentinien 2001) ist aufgrund der engen Verflechtungen in Europa bedeutend schwieriger. Und ein Austritt aus der Währungsunion würde sich erst nach Jahren positiv auswirken können, und auch das nur sehr begrenzt.

Die einzige wirkliche Alternative wäre eine Kombination aus konsequenter Schuldenstreichung, Enteignungen der Reichen, Banken und Konzerne und der Durchsetzung einer demokratisch geplanten sozialistischen Wirtschaft. Dazu braucht es heute zunächst mehr Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft von unten. Das Beispiel Spanien (s. Artikel auf S. 23) stimmt uns hoffnungsfroh, dass auch in Griechenland die Systemopposition an Zugkraft gewinnen kann.

1     Zur näheren Erläuterung siehe unser Theorieheft Nr. 35: „Die kapitalistische Krise und was wir ihr entgegensetzen.“ (4 Euro, zu beziehen über die Redaktionsadresse).

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Ähnliche Artikel
Zur Startseite