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Betrieb & Gewerkschaft

Krankenjagd und Datenschutzverstöße verursachen Klimakatastrophe im Werk Untertürkheim

Von Betriebszeitung alternative | 01.10.2007

Unter dieser Überschrift berichtet die neueste Ausgabe der „alternative“, Betriebszeitung kritischer Betriebsräte und Vertrauensleute bei DaimlerChrysler Untertürkheim, über Datenschutzverstöße bei DC. Hier wird deutlich, dass nicht nur staatliche Stellen den gläsernen Menschen wollen. Wir bringen deswegen den Leitartikel der alternative und verweisen auf die Website dieser Betriebszeitung.

Unter dieser Überschrift berichtet die neueste Ausgabe der „alternative“, Betriebszeitung kritischer Betriebsräte und Vertrauensleute bei DaimlerChrysler Untertürkheim, über Datenschutzverstöße bei DC. Hier wird deutlich, dass nicht nur staatliche Stellen den gläsernen Menschen wollen. Wir bringen deswegen den Leitartikel der alternative und verweisen auf die Website dieser Betriebszeitung.

Ständige Leistungsverdichtung. Ein WOB – oder KVP – Projekt jagt das andere. Die Profitsteigerung hat bei Vorstand und Werkleitung oberste Priorität. Mit immer weniger Menschen soll immer mehr geleistet werden. Und diejenigen, die bei dem hohen Arbeitstempo physisch oder psychisch nicht mehr mithalten können, bleiben dabei auf der Strecke, werden immer häufiger krank und geraten somit in‘s Visier der „Krankenstandsverfolger“. Anstatt den Schwerpunkt auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu legen, wird unter dem Deckmantel der Fürsorgepflicht bei nahezu jedem Krankenfall hinterher geschnüffelt. Wer in den Augen der Vorgesetzten so genannte „auffällige Fehlzeiten“ aufweist, wird zum Kandidat am runden Tisch. Dort wird dann meist ohne Wissen der Betroffenen und ohne Rücksicht auf den Datenschutz der Inhalt von Rückkehrgesprächen samt Krankheitssymptomen und -diagnosen in großer Runde offen gelegt.
Gegen diese Datenschutzverstöße haben wir in der Vergangenheit schon mehrfach öffentlich protestiert. (siehe auch alternative Nr.29+Nr.34) Allerdings sind wir damit bei der Werkleitung scheinbar auf taube Ohren gestoßen. Deshalb haben wir bei der zuständigen Aufsichtsbehörde im Innenministerium Baden- Württemberg offiziell Beschwerde eingelegt. Dort wurde nun das Untersuchungsverfahren eröffnet.
Klare Rechtsvorschriften
Beim so genannten Krankenrückkehrgespräch erhält der Vorgesetzte oftmals vertrauliche Informationen über die Art der Erkrankung, weitere medizinische Prognosen oder sehr persönliche private Lebensumstände. Hierzu steht im Bundesdatenschutzgesetz:

  • –    Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig,… soweit der Betroffene eingewilligt hat.
  • –    Die Einwilligung bedarf der Schriftform…
  • –    Der Betroffene ist über Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung und die Kategorien von Empfängern… zu unterrichten.

Die Verstöße im Einzelnen:

  1. Bei allen von uns untersuchten Fällen wurde keine schriftliche Einwilligung der Betroffenen eingeholt.
  2. Die sensiblen personenbezogenen Daten wurden ohne Wissen der Betroffenen verarbeitet (gespeichert und an die Teilnehmer am runden Tisch weitergegeben). Dort finden sich dann die hoch vertraulichen Daten in einer Exel-Tabelle wieder: Die Krebserkrankung des einen Kollegen ist dort genauso aufgeführt, wie die psychische Krankheit des anderen Kollegen, der unter familiären und finanziellen Problemen leidet.

Wenige Einzelfälle?
Nein, wir müssen feststellen, dass es sich vom Rückkehrgespräch bis zum „Runden Tisch Gesundheit + Leistung“ um eine in höchstem Maße standardisierte Krankenstandsverfolgung handelt. Ab einer vom Personalbereich willkürlich festgelegten Anzahl Kranktage oder Krankenfälle wird ein Beschäftigter automatisch „Kandidat“ am runden Tisch. Außerdem kommen noch die „Kandidaten“ der Führungskräfte hinzu. Durch die ständig aktualisierte Darstellung des Krankenstandes und streng vorgegebene Krankenstandsziele werden die Meister unter Druck gesetzt. Sie sind wohl auch mehr Opfer als Täter. Bis auf ein paar „Übereifrige“ und „Durchgeknallte“ (Namen nennen wir hier keine wegen der bekannten Abmahnungslust des Personalchefs.)
Krankenjagd von ganz oben
Die entlarvenden Aussagen unserer Topmanager beweisen, wer die wahren Täter sind. Zitat von Herrn Kasper (Centerleiter PAC) von letzter Woche: „Wir müssen mit den Leuten reden, um ihnen helfen zu können und außerdem müssen wir diejenigen, die auf Kosten der Firma leben mit konsequenter Nachverfolgung bis zum Gerichtsurteil aus der Firma rauskriegen.“ Diagnose: total CORE-vergiftet1.
Schwarze Personalakten
Des Weiteren bestehen eindeutige Verstöße bei der Führung der Personalakten. Hierzu sagt das Gesetz:
Personalakte ist jede Sammlung von schriftlichen Unterlagen über einen bestimmten Arbeitnehmer… Dem Arbeitnehmer ist dabei in allgemeiner Form lesbar und entschlüsselt Auskunft darüber zu erteilen, welche Daten über ihn gespeichert werden und an wen sie übermittelt worden sind…

Auch Sonder- und Nebenakten, persönliche Aufzeichnungen des Vorgesetzten sowie Unterlagen des Werkschutzes gehören zur Personalakte. Wenn es neben- oder Sonderakten gibt, muss die Personalakte einen Hinweis darauf enthalten. Entscheidend ist nicht, was der AG als Personalakte bezeichnet. Maßgebend ist vielmehr der sog. materielle Begriff der Personalakte (BAG, AuR 81, 124).

Die Führung von Geheimakten, wie sie die Aufschriebe der Vorgesetzten und die „Runden-Tisch-Protokolle“ darstellen, ist demnach unzulässig und im höchsten Maße gesetzeswidrig!

Homepage der Betriebszeitung alternative


1    Core ist das im Februar 2005 gestartete „Effizienzsteigerungsprogramm“ von DaimlerChrylser, mit dem DC im Jahr „2007 eine Umsatzrendite [!] von 7 % erreichen“ will, was einer Profitrate auf das eingesetzte Kapital von annähernd 20% entspricht. (Erläuterung der Avanti-Redaktion)

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