TEILEN
Ökologie

Kopenhagen 2009: das absehbare Scheitern

Von Michael Löwy | 06.01.2010

Wir – damit meine ich die MarxistInnen, die ÖkosozialistInnen, die radikalsten AktivistInnen der Be­wegung für Klimagerechtigkeit – waren recht pessimistisch in Bezug auf die so genannte Klimakon­ferenz der Vereinten Nationen, und wir hatten vorausgesehen, dass die Konferenz in Kopenhagen scheitern würde. Unser Argument war, dass das kapitalistische System keine anderen Kriterien kennt als schrankenlose Akkumulation, größere Ausdehnung und höhere Profite und dass es von daher unfä­hig ist, die notwendigen Mindestmassnahmen zur Vermeidung eines katastrophalen Klimawandels zu ergreifen. Und weil wir wussten, dass die große Mehrheit der „Großen der Welt“, die nach Kopenha­gen kommen, nichts anderes sind als treue Diener der kapitalistischen Interessen, hatten wir gedacht, bei der Konferenz würden lediglich vage Versprechen in Bezug auf eine Verminderung der CO2-Emissionen um 50 % bis 2050 herauskommen. Mit einem Wort, wir hatten geglaubt, der Berg von Kopenhagen würde eine Maus gebären.

Nun, ich muss zugeben, dass wir uns getäuscht haben. Wir waren nicht pessimistisch genug. Die Konferenz in Kopenhagen hat keine Maus in die Welt gesetzt, sondern eine Kakerlake. Kioto ist be­reits ein großer Fehlschlag gewesen, weil die dort benannten Ziele lächerlich gering waren – eine Ver­ringerung um 5 % bis 2012 – und weil es absolut unmöglich ist, mit den verabschiedeten Methoden wie dem „Handel mit Verschmutzungsrechten“ nennenswerte Fortschritte zu erreichen. Aber Kopen­hagen liegt sehr, sehr tief unter Kioto, wo wenigstens ein internationales Abkommen mit Zielen, die mit Zahlen versehen und verbindlich waren, herausgekommen ist.

Was ist passiert? Die USA haben China beschuldigt, es verweigere jegliche internationale Ver­pflichtung zur Verminderung von Emissionen; China hat die USA beschuldigt, es verpflichte sich zu keiner nennenswerten Verminderung von Emissionen. Beide betonten, sie könnten nichts machen, wenn der andere sich nicht bewegt. Und Europa hat erklärt, es könne ohne die USA und China keine Initiative ergreifen. In einem einzigen Punkt waren sich alle einig, sehr glücklich über dieses Einver­ständnis: darin, dass es dringend notwendig ist, nichts zu tun.

Wir haben also nur eine bösartige Kakerlake mit dem Titel „Copenhagen Accord“ bekommen – das Abschlussdokument, das von den „führenden Köpfen der Welt“ zusammengeschustert worden ist, bevor sie die Konferenz rasch durch die Hintertür verlassen haben.* Es ist ein leeres Dokument, in dem proklamiert wird, was alle wissen, nämlich dass verhindert werden müsste, dass die Temperatur um mehr als 2° C ansteigt. Kein Wort zu den Beschränkungen der Gasemissionen, keine Prozentzah­len zu den erwähnten Verminderungen, nicht einmal fromme Wünsche, nicht einmal für eine ferne Zukunft. Nichts. Rein gar nichts. Null Inhalt.

Wo gibt es also noch Hoffnung? Die einzige Hoffnung besteht in den einhunderttausend Menschen, die auf den Straßen von Kopenhagen demonstriert haben und die aus Dänemark, anderen skandinavi­schen Ländern, Deutschland, weiteren europäischen Ländern und aus der ganzen Welt gekommen sind, die radikale Maßnahmen gefordert und die erklärt haben: „Das System muss geändert werden, nicht das Klima“. Oder in den mehreren Tausend, die an den Diskussion des alternativen Klimaforum teilgenommen haben, auf dem eine Resolution verabschiedet wurde, in dem die Pseudolösungen des Systems (der „Handel mit Verschmutzungsrechten“) verurteilt werden.** Oder auch in den Tausenden, die friedlich vor den Türen der offiziellen Konferenz demonstriert und versucht haben, einen Dialog mit den „offiziellen“ RepräsentantInnen zu führen, die aber mit Tränengas und Schlägen mit den Gummiknüppeln der Polizei empfangen worden sind, während ihre Sprecher – wie Tadzio Müller – wegen „Anstiftung zur Gewalt“ festgenommen wurden. Die Hoffnung wird auch von politischen Füh­rungspersönlichkeiten wie dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales repräsentiert, der sich (als eine der ganz wenigen Ausnahmen) mit der Bewegung für Klimagerechtigkeit solidarisch gezeigt und den Kapitalismus als System angeprangert hat, das für die katastrophale globale Erderwärmung ver­antwortlich ist.

Vor vielen Jahren hat der berühmte Dichter und Sänger Joe Hill von der revolutionären Gewerk­schaft „Industrial Workers of the World“ (IWW) zu seinen Genossinnen und Genossen gesagt, kurz bevor er von den staatlichen Behörden unter falschen Anschuldigungen hingerichtet worden ist: „Trauert nicht, organisiert!“ Wir müssen in unsere Länder zurückfahren und die Menschen organisie­ren – in den Städten und auf dem Land, in den Betrieben und Schulen, auf den Straßen, um eine breite internationale Bewegung des Kampfs gegen das System aufzubauen, um radikale Veränderungen durchzusetzen und um nicht „den Planeten“ (der ist nicht in Gefahr), wohl aber das Leben auf dem Planeten vor der Zerstörung zu retten.

19. Dezember 2009

Aus dem Französischen übersetzt von Wilfried Dubois

Quelle: http://www.europe-solidaire.org/spip.php?article16057;
auf Englisch: http://www.ecosocia
listnetwork.org/

Siehe auch:

Terry Conway und Thomas Eisler, „Copenhagen: a turning point for the movement“, http://socialistresistance.org/?p=778

Roy Wilkes, „Copenhagen – farce then tragedy“, http://socialistresistance.org/?p=781

Socialistisk Arbejderparti (SAP), „COP15 is dead! Long live the movement!“, http://www.internationalviewpoint.org/spip.php?article1780

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite