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Klimawandel: Konferenz von Cochabamba

Von Thadeus Pato | 01.06.2010

Evo Morales rief – und viele viele kamen. Nur die deutschen Medien taten so, als fände die Konferenz gar nicht statt. Außer von taz, Junger Welt und Neuem Deutschland wurde das Kontrastprogramm zu dem kollektiven Versagen der selbsternannten Führer der Welt in Kopenhagen schlicht totgeschwiegen.

Evo Morales rief – und viele viele kamen. Nur die deutschen Medien taten so, als fände die Konferenz gar nicht statt. Außer von taz, Junger Welt und Neuem Deutschland wurde das Kontrastprogramm zu dem kollektiven Versagen der selbsternannten Führer der Welt in Kopenhagen schlicht totgeschwiegen.

Als der Autor einige Wochen vor der Konferenz Gelegenheit hatte, mit dem bolivianischen Botschafter in der BRD zu sprechen, schätzte dieser die Teilnehmerzahl der vom bolivianischen Präsidenten Evo Morales als Reaktion auf das Desaster von Kopenhagen einberufenen „Conferencia Mundial de los pueblos sobre el Cambio Climatico y los derechos de la madre tierra“ (Weltkonferenz der Völker zum Klimawandel und den Rechten von Mutter Erde) auf 20 000. Es waren dann tatsächlich über 35 000 Aktivist­Innen, die sich einfanden. Als Ort für die Auftaktveranstaltung musste deshalb schließlich ein Stadion dienen. Dabei konnten nicht alle kommen – die Aschewolke aus Island hinderte viele Europäer­Innen (so auch den Autor) an der Teilnahme. Aber über einen Internet-Livestream konnte man auch von Europa aus teilhaben.

Es waren in erster Linie Umweltaktivist­Innen aus zahlreichen NGOs, die das Bild prägten, in erster Linie jedoch die Organisationen der indigenen Gemeinschaften, die massiv präsent waren, ebenso wie die lateinamerikanische Frauenbewegung. Kein Wunder, denn die jetzt in Teilen Lateinamerikas deutlich spürbaren Folgen des Klimawandels betreffen sie besonders. Auffällig war im Übrigen, dass linke Parteien und Organisationen kaum sichtbar präsent waren, (obwohl es keinerlei entsprechenden Restriktionen gab) – es waren die Basisinitiativen und NGOs, die das Bild der Konferenz prägten. Die 4. Internationale, die eine eigene Erklärung zur Konferenz breit verteilte, war eine der wenigen Ausnahmen.
Inhalte statt Emissionsgefeilsche
In insgesamt 17 Arbeitsgruppen, die dann jeweils Abschlusserklärungen verfassten, wurde nicht nur das Thema „Klimawandel“ diskutiert. Es ging unter anderem um die strukturellen Probleme, um die Landwirtschaft, um die Kosten für notwendige Anpassungsprozesse, um die Möglichkeiten von Lebensalternativen – und nicht zuletzt auch um Perspektiven für die Aktion. Was Letzteres betrifft, so ist vielleicht das wichtigste Ergebnis, dass zu einem weltweiten Referendum zum Klimaschutz aufgerufen wurde, das im Vorfeld der nächsten Klimakonferenz, die im Herbst in Cancún stattfinden soll, mobilisiert wird.

Trotz vieler inhaltlicher Differenzen gab es in einem Punkt eine geradezu überwältigende Übereinstimmung: dass ein komplett anderes System der Produktion und der Distribution vonnöten ist und die internationalen Machtverhältnisse radikal geändert werden müssen. Und es wurde gefordert, einen internationalen Gerichtshof für Klimagerechtigkeit zu schaffen.
Differenzen
In einem wesentlichen Punkt gab es allerdings eine Kontroverse: Es hatte sich eine informelle 18. Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit dem Problem der Förderung von Bodenschätzen beschäftigte, und die in ihrer Abschlusserklärung die Politik der bolivianischen Regierung kritisierte, die zur Finanzierung ihrer Sozialprogramme weiterhin auf Extraktivismus setzt (und dafür an ausländische Konzerne Lizenzen vergibt). Naturgemäß sah das die bolivianische Regierung nicht so gern, und das Arbeitsergebnis dieser Arbeitsgruppe erschien deshalb auch nicht in den offiziellen Konferenzergebnissen. Aber die Diskussion dazu hat begonnen – und wird fortgeführt. Dieser Punkt ist allerdings deswegen von Interesse, weil er daran gemahnt, sich nicht zu sehr auf Regierungen zu verlassen…

Es steht zu hoffen, dass die Konferenz von Cochabamba der sich entwickelnden Klimaschutzbewegung weiteren Aufwind gibt und vor allem der bevorstehenden Mobilisierung nach Cancún Schub verleiht. Denn dort werden die Herrschenden und ihre willfährigen Hofberichterstatter aus der Presse die Klimabewegung dann nicht mehr totschweigen können.

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