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Kultur

Kino über den Faschismus

Von Trixi Blixer | 01.05.2005

Eine inflationäre Welle von Filmen mit vielen Augenzeugenberichten über den Hitlerfaschismus überflutet seit einiger Zeit die Fernsehkanäle. Diese Welle macht auch vor dem Kino nicht halt. „Der Untergang“ und „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ sind als große Kinoereignisse ausgezeichnet worden.

 
Der Propagandaminister der Nazis, Joseph Goebbels, prophezeite am 17.4. 45: „Meine Herren, in hundert Jahren wird man einen schönen Farbfilm über die schrecklichen Tage zeigen, die wir durchleben. Möchten Sie nicht in diesem Film eine Rolle spielen?“ (SZ 15.9.04). Und damit hat er nicht ganz unrecht gehabt. 60 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus sind Filme über die Person Hitler, über Augenzeugen aus der Wehrmacht und ehemalige Waffen-SS Mitglieder wieder pop geworden. Bernd Eichingers Film „Der Untergang“ hat es mit seiner personifizierenden Geschichte über das Ende des Nationalsozialismus sogar bis zu einer Oscarnominierung gebracht.

Hitler mal privat

Der Produzent Eichinger war bis jetzt eher durch Filme wie „Rossini“ oder „Der Schuh des Manitu“ bekannt. Jedenfalls stand sein Name nicht für die Verfilmung politischer Porträts. Das kann sich natürlich ändern, aber mit dem Film „Der Untergang“ ist es Eichinger und dem Regisseur Hirschbiegel nicht gelungen, die gesellschaftliche Wirkung und Auswirkung des Faschismus einzufangen und politisch einzuordnen. Eichinger hat das Drehbuch auf der Grundlage der Bücher von Joachim Fest und Traudl Junge geschrieben. Der Film bezieht sich streckenweise 1:1 auf die Interviews der ehemaligen Hitlersekretärin Traudl Junge, die von der Dimension des Vernichtungsfeldzuges gar nichts gewusst haben will und Hitler als angenehmen Arbeitgeber erlebte. Auch die Person des Albert Speer wird so gezeichnet, wie er sich selbst in seinen „Erinnerungen“ gesehen hat. Diese Quellen als Hintergrundinformationen für einen Spielfilm zu benutzen, ist mehr als problematisch, denn wie die Nazis und ihre Mitläufer sich selbst nach 1945 bewerten, ist geprägt davon, die Schuld von sich zu schieben und alle Verantwortung für das Geschehen allein der Person Hitlers anzulasten.
Die letzten 12 Tage des Faschismus im Führerbunker als exemplarischen Mikrokosmos für die 12 Jahre des Nationalsozialismus zu benutzen, funktioniert nicht und führt zwangsläufig zu einer verkürzten Sicht auf die Geschichte. Im Doku-Drama „Der Untergang“ bleibt die Schuld bei Hitler und der Führungsriege. Das Nicht-Erwähnen der Tatsache, dass der wirkliche Untergang darin bestand, 6 Millionen Juden und Jüdinnen zu deportieren und zu ermorden, führt zu einer Banalisierung und damit Verharmlosung der Geschichte des Faschismus.
Zumindest die ehemalige Hitlersekretärin Traudl Junge kam noch spät zu einer wichtigen Erkenntnis: „Eines Tages bin ich an der Gedenktafel vorbeigegangen, die für die Sophie Scholl an der Franz-Joseph-Straße befestigt war, und da hab ich gesehen, dass sie mein Jahrgang war und dass sie in dem Jahr, als ich zu Hitler kam, hingerichtet worden ist. Und in dem Moment hab ich gespürt, dass das keine Entschuldigung ist, dass man jung ist“ (Traudl Junge 15.4.04).

Sophie Scholl als Beispiel?

Der Film über Sophie Scholl ist in der ganzen Welle der Ausleuchtung des 3. Reiches einer der wenigen, der sich mit einer Widerstandskämpferin beschäftigt. Jedoch ist der Film selber mehr eine Mischung zwischen einem Thriller und einem Drama. Schon in der ersten Szene, beim Verteilen der Flugblätter an der Uni, steht die geladene Spannung mehr im Vordergrund als die Motivation für diese Aktion.
Regisseur Rothemund und Drehbuchautor Breinersdorfer wollen mit ihrem Film das Weiterleben der Idee der Scholl-Geschwister unterstützen. Gleichzeitig wirkt er jedoch so, als ob das Bild Deutschlands gerade gerückt werden solle, in dem Sinne: „Seht her, wir haben auch Widerstand gehabt und er kam aus unserer eigenen bürgerlichen Mitte.“
Übrigens ruft im Film Hans Scholl dem eigens zum Prozeß gegen die Mitglieder der „Weißen Rose“ nach München angereisten Präsidenten des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, zu, er werde sich eines Tages wegen seiner Untaten vor Gericht zu verantworten haben. Leider gibt der Film auf die Hoffnung Hans Scholls keine Antwort. Freisler, der in seiner Amtszeit 2.600 Todesurteile ausgesprochen hat, wurde im Februar 1945 durch eine Bombe getötet. Der Leiter der Vollstreckungsabteilung des Landgerichts, Oberstaatsanwalt Dr. Roemer, hatte bei der Hinrichtung der Geschwister Scholl das Kommando gegeben. Er blieb bis 1968 als Leiter der Abteilung Öffentliches Recht im Bundesjustizministerium beschäftigt. Erst 1985 stellte der Bundestag fest, dass der nationalsozialistische Volksgerichtshof kein Gericht im eigentlichen Sinne war, sondern ein Instrument zur Ausübung der Terrorherrschaft.

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