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Indonesien: Kreative KämpferInnen, Teil 2

Von Avanti | 22.05.2014

Avanti hat ein Interview mit unserer indonesischen Genossin Zely Ariane geführt, als sie Ende Februar 2014 zu Besuch in Deutschland war. Im ersten Teil des Interviews berichtete sie von den heftigen Arbeitskämpfen in Indonesien und der Rolle, die die Arbeiterinnen in diesen Kämpfen gespielt haben. Sie schilderte die besonderen Arbeitsbedingungen der Frauen (siehe Avanti 220). Den dritten und letzten Teil des Interviews mit Zely veröffentlichen wir in der Juni-Ausgabe.

Avanti hat ein Interview mit unserer indonesischen Genossin Zely Ariane1 geführt, als sie Ende Februar 2014 zu Besuch in Deutschland war. Im ersten Teil des Interviews berichtete sie von den heftigen Arbeitskämpfen in Indonesien und der Rolle, die die Arbeiterinnen in diesen Kämpfen gespielt haben. Sie schilderte die besonderen Arbeitsbedingungen der Frauen (siehe Avanti 220). Den dritten und letzten Teil des Interviews mit Zely veröffentlichen wir in der Juni-Ausgabe.

Was sind die Formen des Widerstands der Arbeiterinnen?

Ich möchte mich gerne auf die Erfahrungen der Arbeiterinnen im Industriegebiet KBN Cakung konzentrieren, da wir mit ihnen täglich zusammenarbeiten. Dort sind direkte Aktion und Streik seit langer Zeit die hauptsächlichen Kampfmethoden. Es ist sehr schwierig, sich auf Lobbyarbeit und Verhandlungen als hauptsächliche Kampfformen zu verlassen, da die Bosse und die Regierung in diesem Fall meist mit irgendeinem Gesetz ihren Vorteil sichern. Es gibt kaum Tarifverträge auf Betriebsebene. Das Akkord-System und die Verletzung der Arbeitszeitbestimmungen in dem Gebiet verstießen immer klar gegen die einschlägigen Gesetze, und das Arbeitsministerium und die Gewerbeaufsicht wussten dies. Ohne direkte Aktion gibt es keine Chance, die Situation zu verändern.
Jumisih und die Organisatorinnen von FBLP2 waren wichtige „Vorbilder“ im Industriegebiet KBN Cakung. Sie waren immer an vorderster Front bei allen Protestaktionen in dem Gebiet. Nicht nur bei Auseinandersetzungen und Verhandlungen mit der Polizei, Sicherheitskräften und den Bossen, sondern auch dabei, den Arbeiterinnen zu helfen, mit häuslicher Gewalt und Gewalt im Betrieb umzugehen. FBLP tritt sowohl für die Rechte von ArbeiterInnen als auch für Frauenrechte ein.

Aber sie konnten nicht jeden Tag direkte Aktionen und Streiks organisieren. Die Arbeitsbedingungen zwingen sie, kreative Lösungen zu finden. FBLP arbeitet kontinuierlich hart daran, Zuversicht und Selbstvertrauen unter den Arbeiterinnen aufzubauen, unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus und unter allen Umständen: in Phasen intensiven Kampfes der ArbeiterInnen und auch bei Abebben der Bewegung. Sie verteilen Flugblätter, das zweimonatlich erscheinende Bulletin von „ArbeiterInnenstimme“, organisieren Diskussionen, um der Stimme der Arbeiterinnen Gehör zu verschaffen, Theatervorstellungen, Filmvorführungen, Community-Radio etc. Dies alles dient dazu, die Zuversicht und das Bewusstsein für den Kampf zu steigern und zur selben Zeit eine Plattform zu bieten, um kreative Kämpferinnen sein zu können und nicht „nur“ devote Fabrikarbeiterinnen. Nun bereiten sie sich vor und schulen sich selbst, um sich selbst zu befähigen, das Unternehmen zum Abschluss eines Tarifvertrages zu zwingen.
Was ist mit ihren Organisationen?
Da es um schwere und systematische Missstände geht, braucht es geeignete Werkzeuge des Widerstands, nämlich Organisationen. Als das Bewusstsein von der Besonderheit der Frauenunterdrückung wuchs, verstanden wir die Notwendigkeit einer unabhängigen Frauenbewegung, die verschiedene Kämpfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung verbindet. Alle weiblichen Leitungsmitglieder von FBLP sind Mitglieder von Perempuan Mahardhika („Freie Frauen“). Zum Beispiel führt Jumisih die Kampagne und die politischen Angelegenheiten im Nationalen Komitee von Perempuan Mahardhika. Und Genossinnen von FBLP bauen aktiv in Nord-Jakarta eine Ortsgruppe von Perempuan Mahardhika auf. Kürzlich gelang es ihnen, die Gründung der ersten LGBT3-Gruppe im Bereich Cakung zu unterstützen, die sich Pelangi Mahardhika (sinngemäß etwa „Regenbogen der Freiheit“) nennt.

Sie haben auch ein Community-Radio – Marsinah FM – gegründet, als ein Instrument, um mehr Arbeiterinnen zu erreichen, um sie insbesondere für die Gewerkschaft und den Kampf für das Wohl der Arbeiterinnen zu gewinnen, und um sie in den Kampf für Frauenrechte einzubeziehen. Dies spiegelt sich in dem Radio-Slogan „Von Arbeiterinnen für Wohlfahrt und Gleichberechtigung“ wider. Marsinah FM verschafft ihnen auch die Möglichkeit, Journalistinnen, Rundfunksprecherinnen und sogar Technikerinnen zu sein. Es macht sie zu politischen Akteurinnen und hilft ihnen, eine würdige menschliche Existenz zu führen anstatt als unterwürfige Sklaven dahinzuvegetieren.

FBLP ist keine große Gewerkschaft, aber eine kämpferische. Seitdem sie 2009 gegründet und 2010 ausgebaut wurde, ist sie nach 1965 die erste und einzige Gewerkschaft, die sich für die Rechte von Frauen und LGBT einsetzt. Sie hat sich nun ausgeweitet auf zwei Städte in Zentral-Java, und sie hat sich geöffnet für die Vereinigung mit anderen Verbänden und Bündnissen, soweit sie die Kampagne unterstützen, die FBLP initiiert hat. Sie schult sich auch darin, eine weniger hierarchische Gewerkschaft zu sein und fördert Initiativen der Basis.

Fortsetzung folgt

1 Zely Ariane ist Mitglied des Nationalen Komitees von Perempuan Mahardhika (&bdq
uo;Freie Frauen“) und des nationalen Kollektivs von Politik Rakyat („Politik des Volkes“), einer linken indonesischen Organisation mit Beobachterstatus bei der IV. Internationale.

2 Unternehmensübergreifende ArbeiterInnenvereinigung, indonesischer Gewerkschaftsverband.

3 Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Trans, also Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans.


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