TEILEN
Betrieb & Gewerkschaft

IG Metall-Vorstand bricht Tabu

Von Daniel Berger | 29.04.2006

Dem Vorstand der IG Metall ist am 22.4. ein Stein vom Herzen gefallen: Bei den Verhandlungen in NRW wurde gerade noch rechtzeitig ein Ergebnis erzielt, das der Vorstand unter den Mitgliedern verkaufen kann, ohne allzu großes Murren hervorzurufen. Zweifellos war auch diese Tarifrunde von der allgemein vorherrschenden Defensivsituation bestimmt, in der sich die ArbeiterInnenklasse befindet. Aber zwei Dinge waren im Verlauf der Warnstreikphase deutlich geworden:

Dem Vorstand der IG Metall ist am 22.4. ein Stein vom Herzen gefallen: Bei den Verhandlungen in NRW wurde gerade noch rechtzeitig ein Ergebnis erzielt, das der Vorstand unter den Mitgliedern verkaufen kann, ohne allzu großes Murren hervorzurufen.

Zweifellos war auch diese Tarifrunde von der allgemein vorherrschenden Defensivsituation bestimmt, in der sich die ArbeiterInnenklasse befindet. Aber zwei Dinge waren im Verlauf der Warnstreikphase deutlich geworden: Die Kapitalseite war in weiten Teilen der Republik nicht in der Lage, ihre aktuell gute Gewinnsituation zu verstecken, um damit eine Minusrunde zu rechtfertigen.

Zum zweiten belegte die gute Beteiligung an den Warnstreiks, dass sich die Gewerkschaft nicht mit einem mageren Abschluss zufrieden geben brauchte. Die Kampfbereitschaft war selbst in einigen Bereichen vorhanden, die bisher selten oder nie hervorgetreten waren. Vor allem aber: Im Südwesten hatte das Vorhaben von Südwestmetall, die Pausen des Lohnrahmens II abzuschaffen, für zusätzliche Empörung gesorgt. Für den 24. April waren allein im Südwesten 100 000 Metaller zum Warnstreik aufgerufen. Er wäre mit absoluter Sicherheit gut befolgt worden und hätte mit dem dadurch entstandenen Klima einen „Kompromiss“ auf Kosten der KollegInnen erschwert.
Genau diese Stimmung galt es zu vermeiden und damit die Alternative Kampf und Streik (erst recht in dem kurzen Zeitfenster zwischen der zweiten Mai-Woche und der Fußball-WM).
Schwaches materielles Ergebnis
3% Lohnerhöhung, die erst ab Juni in die Tabelle eingehen, Laufzeit bis Ende März 2007 und eine ergebnisabhängige Einmalzahlung, bedeuten real – tabellenwirksam – 2,77%.  Die Einmalzahlung (310 Euro für die Monate März-Mai) kann auf betrieblicher Ebene zwischen 0 und 620 Euro festgelegt werden. Darüber müssen sich die „Betriebsparteien“ einigen.

In dem zusätzlich beschlossenen Tarifvertrag zu Qualifizierung und Innovation verpflichten sich die Unternehmen, mit dem Betriebsrat Verhandlungen über Weiterbildung aufzunehmen.  Die vermögenswirksamen Leistungen werden wieder bezahlt, aber in einen „Baustein für die private Rente“ umgewandelt. Im Südwesten bleibt die persönliche Erholzeit (3 Minuten Pinkelpause) erhalten, die kollektive Pause (5 Minuten) nur für einen eingeschränkten Personenkreis, nämlich nur für KollegInnen mit „kurzzyklischen“ Arbeiten. Wie dies konkret umgesetzt wird, hängt sowohl von den noch ausstehenden Detailverhandlungen wie auch von den konkreten Kräfteverhältnissen im Betrieb ab.
Miserables politisches Ergebnis
Mindestens an zwei Stellen ist die IG Metall – und zwar ohne Not – politisch eingebrochen und hat für die künftigen Tarifverhandlungen und für die allgemein politische Diskussion die eigene Position geschwächt. Vor allem das Unterhöhlen des Flächentarifvertrags durch die Einführung einer „ergebnisabhängigen Komponente“, wogegen sich aktive MetallerInnen immer gewehrt haben, untergräbt nicht nur die gemeinsame Kampffront, sie untergräbt langfristig die Stellung der Gewerkschaft überhaupt. Deswegen hat auch Gesamtmetall letztlich ohne große Probleme der Lohnerhöhung um 3 % zugestimmt, denn diesen Fuß in der Tür zu haben, ist für das Kapital ein nicht zu unterschätzender politischer Vorteil. Er wirkt vergleichbar dem Einstieg in die Flexibilisierung, wie er 1984 mit dem Leberkompromiss und später mit weiteren Vereinbarungen (z. B. dem Pforzheimer Abschluss) erzielt wurde oder etwa der Prozessvereinbarung und dem TVöD im Öffentlichen Dienst, dessen katastrophale Folgen für die Mitglieder erst im Tarifkampf dieses Jahres deutlich wurden.

Gesamtmetall sieht die von der wirtschaftlichen Situation der Betriebe abhängigen Einmalzahlungen als ersten Einstieg in eine generelle Flexibilisierung der Löhne. „Wir hoffen, das dann in der nächsten Tarifrunde durchsetzen zu können“, sagte ein Mitglied der Verhandlungsdelegation. Bei Gesamtmetall schätzt man, dass sich drei Viertel der Unternehmen im Verband die Einmalzahlung denn auch „nicht leisten können“ und sich mit ihren jeweiligen Betriebsräten auf eine Streichung einigen werden.

Schlimm dabei ist die Tatsache, dass mit dem Verhandeln über diese Komponente des Tarifabschlusses Betriebsräte zusätzlich erpressbar werden (z. B. im Austausch gegen weitere Flexibilisierungen usw.). Diese Art von Tarifabschluss darf nicht Methode werden und muss in der IGM mit allen Mitteln politisch bekämpft werden.
Zweitens stärkt die Zustimmung zur Umwidmung der vermögenswirksamen Leistungen in einen Rentenbaustein all denen den Rücken, die die Sozialrente abbauen wollen. Sie können dann auf diese Komponente der „privaten Altersvorsorge“ verweisen, denn künftig wird es ja den Beschäftigten der Metallindustrie nicht mehr freigestellt, wo sie dieses Geld anlegen.
Zum Glück wurde nur eine 13-monatige Laufzeit vereinbart. Der Kampf gegen die Pferdefüße dieses Abschlusses muss schon auf den nächsten Gewerkschaftsversammlungen aufgenommen werden und Ende des Jahres müssen klare Resolutionen zur Kursänderung eingebracht werden.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite