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Betrieb & Gewerkschaft

IG Metall-Führung verrät den Kampf um die 35-Stundenwoche: Streikbrecher ausschließen!

Von D.B./B.B. | 01.07.2003

Der Vorstand der IG Metall hat den Kampf um die 35-Stundenwoche in Ostdeutschland abgeblasen. Dies ist die erste Niederlage der ArbeiterInnenbewegung im Kampf seit dem Bayernstreik 1954. Streikabbruch und Stopp der Aktionen gegen die neoliberale Agenda 2010 könnte eine Wende im Klassenkampf einleiten.

Der Vorstand der IG Metall hat den Kampf um die 35-Stundenwoche in Ostdeutschland abgeblasen. Dies ist die erste Niederlage der ArbeiterInnenbewegung im Kampf seit dem Bayernstreik 1954. Streikabbruch und Stopp der Aktionen gegen die neoliberale Agenda 2010 könnte eine Wende im Klassenkampf einleiten.

Dass die Stimmung in den ostdeutschen Metallbetrieben nicht nur von uneingeschränkter Begeisterung geprägt war, ist weithin bekannt. Aber viele KollegInnen haben entschlossen Streikposten gestanden. Die Streikfront stand, trotz Fehler der Streikleitung und trotz eines beispiellosen Trommelfeuers der bürgerlichen Medien. Nicht die Basis ist eingeknickt, sondern die Zwickel-Fraktion im IGM-Apparat hat den Streik gebrochen. Dem Stopp aller Aktionen gegen Agenda 2010 folgte der Abbruch des ostdeutschen Metallstreiks. Dies ist eine schwere Niederlage der ArbeiterInnenbewegung und ihrer stärksten Bastion, der IG Metall. Auch wenn viele MetallerInnen in Westdeutschland die Niederlage nicht als solche empfinden – sie bedeutet eine Wende im Klassenkampf. Die Verantwortung für den Abbruch trägt allein der IG Metallvorstand. Wir können dies nur als Unterordnung der Interessen der ArbeiterInnenklasse unter die Interessen der kapitalistischen SPD-Grünen-Regierung, als bewussten Verrat, ansehen.

In der Niederlage zeigt sich einmal mehr, wie sehr in der BRD eine klassenkämpferische Gewerkschaftstendenz und eine Sozialistische ArbeiterInnenpartei fehlen.

Ausschlaggebend für die Kapitulation des IGM-Vorstands waren folgende Momente:

  1. Der Kampf war unzureichend in den anderen Bezirken vorbereitet und begleitet. Vor allem in den Westbetrieben der Autokonzerne wurde keine politische Überzeugungsarbeit geleistet, um den KollegInnen die Bedeutung dieses Kampfes klar zu machen. Das Kapital will schließlich im Westen auch offiziell, also auf breiter Front, die 40-Stundenwoche wieder einführen. Dabei waren dieses Mal die Bedingungen in Sachen § 146 SGB III ideal: Es drohte keine kalte Aussperrung, das Kurzarbeitergeld war für alle KollegInnen gesichert. Das hatten wir seit 1984 nicht mehr!

  2. Schon das Angebot des Vorstands, die Umsetzung der 35-Stundenwoche zeitlich zu strecken, flexibel zu gestalten und den Zeitplan auch noch zusätzlich von der wirtschaftlichen Lage des Einzelbetriebs abhängig zu machen, akzeptiert die Logik der Gegenseite und schwächt die Kampffront. Wie soll ein einheitlicher, gemeinsamer Kampf (heute oder morgen) geführt werden, wenn überall andere tarifvertragliche Sonderbestimmungen gelten und der Flächentarifvertrag noch weiter ausgehöhlt wird?

  3. Die Streiktaktik war in mehrerer Hinsicht verheerend: Statt alle Bereiche gleichzeitig in den Streik treten zu lassen, um vor allem vom Stahlbereich aus ermutigend auf andere wirken zu können, wurde bei Stahl schon abgeschlossen, bevor der Streik in der Metall- und Elektroindustrie richtig anfing. Es war katastrophal, dass diverse Haustarifverträge abgeschlossen wurden und damit gerade kampfstarke Betriebe aus der Streikfront rausgenommen wurden, v. a. Betriebe, die ein großes Interesse an einem baldigen Ende des Kampfes hatten. Auch dass Aussetzen des Streiks bei ZF war genau das falsche Signal.

  4. Das Nachgeben des Vorstands gegenüber dem Druck der Betriebsratsfürsten aus (West-)Autokonzernen drückt aus, dass nicht nur diese Betriebsräte (allen voran Klaus Franz von Opel) sich mehr mit ”ihrem” Standort identifizieren als mit gewerkschaftlichen Positionen. Auch dem IGM-Vorstand leuchtet die Kapitalargumentation offensichtlich mehr ein als die elementarsten Gewerkschaftspositionen.

  5. Wer in der Auseinandersetzung um die Agenda 2010 kapituliert, bereitet damit auch die Kapitulation an anderer Stelle vor. Dies wusste Schröder und konnte das Spitzengespräch, um das die Gewerkschaftsführer bei ihm nachgesucht hatten, offensichtlich gut nutzen, um dem Herrn Zwickel den Kopf zu waschen. Vom 27. Juni war damit das Signal für eine fortgesetzte Kapitulationspolitik ausgegangen.


Sollte sich Zwickels Linie bei der Vorstandssitzung vom 29. Juni, in der Gewerkschaftsbürokratie und in der IG Metall insgesamt durchsetzen, so wird sicherlich sein designierter Nachfolger Peters, der als linker Sozialpartner für etwas gewerkschaftliche Gegenmacht steht, unter Druck geraten. Die Kapitulationspolitik Zwickels würde neoliberale Positionen in der IG Metall stärken. Jetzt kommt es auf die Reaktionen in der Mitgliedschaft und im Funktionärskörper an. Zwickel & Co. müssen für ihren Verrat zur Rechenschaft gezogen werden. Streikbrecher gehören ausgeschlossen!

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