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Betrieb & Gewerkschaft

„Heuschrecken im roten Reich“

Von Konrad Reich | 01.02.2007

So titelte die Börsen-Zeitung am 9.12.2005 in einem hämischen Kommentar zum Verkauf der Allgemeinen Hypothekenbank Rheinboden (AHBR), einem Ereignis, das gerade mal ein Jahr zurückliegt und dessen Vorgeschichte in den Mitgliedsgewerkschaften des DGB unter einem eigenartigen Mantel des Schweigens gehalten wird. Weshalb, wird klar, wenn mensch sich mit den Ereignissen näher beschäftigt. Die AHBR war nämlich neben der Bausparkasse BHW in den vergangenen Jahren eine der wichtigsten Anlagen des Gewerkschaftsvermögens, also der Beitragsgelder der DGB-Mitglieder. Bis ins Jahr 2000 liefen deren Geschäfte auch hervorragend. Dann allerdings kam es zu gravierenden Problemen.

So titelte die Börsen-Zeitung am 9.12.2005 in einem hämischen Kommentar zum Verkauf der Allgemeinen Hypothekenbank Rheinboden (AHBR), einem Ereignis, das gerade mal ein Jahr zurückliegt und dessen Vorgeschichte in den Mitgliedsgewerkschaften des DGB unter einem eigenartigen Mantel des Schweigens gehalten wird. Weshalb, wird klar, wenn mensch sich mit den Ereignissen näher beschäftigt.

Die AHBR war nämlich neben der Bausparkasse BHW in den vergangenen Jahren eine der wichtigsten Anlagen des Gewerkschaftsvermögens, also der Beitragsgelder der DGB-Mitglieder. Die Anlage erfolgte über die Beteiligungsgesellschaft der Gewerkschaften AG (BGAG), an der die IG Metall 24,97 Prozent, der DGB 20,48 Prozent, die IG BCE 19,4 Prozent und die übrigen DGB-Gewerkschaften knapp 35 Prozent Anteile halten. Die BGAG war direkt mit 50 Prozent an der AHBR beteiligt und indirekt über ihre Beteiligung von knapp 40 Prozent am BHW nochmals mit 39,5 Prozent. Mit einer Bilanzsumme von 80 Milliarden Euro war die AHBR die Nummer 3 unter den größten Pfandbriefbanken in Deutschland.

Bis ins Jahr 2000 liefen deren Geschäfte auch hervorragend. Dann allerdings kam es zu gravierenden Problemen. Nach den Anschlägen vom 11.9.2001 setzte die Bank auf steigende Zinsen, fädelte entsprechende Geschäfte vor allem mit Derivaten ein, aber die Zinsen fielen und die eigenen Verluste stiegen. Nach dem Zukauf der Hypothekenbank Rheinboden vom Bankhaus Sal. Oppenheim wurden zudem wegen der einsetzenden Immobilienkrise vor allem in den fünf neuen Ländern statt erwarteter Gewinne weitere Verluste gemacht. Um den Zusammenbruch der Bank zu verhindern mussten die Eigentümer BGAG und BHW in den Jahren 2002 und 2003 in zwei Schritten insgesamt 570,2 Millionen Euro zuschießen. Finanziert wurde das seinerzeit über den Verkauf der Allgemeinen Deutschen Direktbank (DiBa) an die niederländische ING-Bankengruppe. Für die Gewerkschaftsvermögen blieben aus diesem Verkauf deshalb nur knapp 10 Millionen Euro übrig.
Gewerkschaftsgelder reingepumpt
Leider waren die Probleme aber mit dieser Mittelzuführung nicht behoben. 2004 verschärfte sich erneut die Situation, und so verlangte das Bundesaufsichtsamt für das Finanzwesen (BaFin) Anfang 2005 von den Eigentümern die Einzahlung von weiteren 650 Millionen Euro Nachschussmittel auf ein Treuhandkonto. Treppenwitz der Geschichte, zum Treuhänder dieses Kontos wurde ausgerechnet Ernst Welteke berufen, der im April 2004 als Bundesbankpräsident zurücktreten musste, nachdem ein von der Dresdner Bank bezahlter Aufenthalt mit seiner Familie zu Silvester 2001 im Berliner Luxushotel Adlon bekannt geworden war. Auch diese Finanzspritze brachte keine grundlegende Verbesserung für die AHBR.

Im Laufe des Jahres 2005 spitzte sich die Lage sogar weiter zu. Es kursierten Gerüchte am Markt, der Hypothekenbank gehe das Geld endgültig aus. Die BGAG reagierte hierauf mit dem Versuch das BHW zusammen mit der AHBR im Paket zu verkaufen. Der Käufer Postbank war zu einem Kauf des BHW nur ohne die Risiken der AHBR bereit und zahlte letztendlich rund 680 Millionen Euro. Nun war eine Liquidation der AHBR in greifbare Nähe gerückt. Dies wäre die größte Bankenpleite in Deutschland nach dem Aus der Herstatt–Bank in Köln 1974 gewesen, und hätte eine Schockwelle zumindest am europäischen Banken- und Kapitalmarkt ausgelöst. Knapp zehn Prozent der umlaufenden Jumbo-Pfandbriefe stammen von der AHBR. Ihr Zusammenbruch hätte deshalb über Kettenreaktionen nicht nur eine Reihe anderer Banken in ernste Schwierigkeiten gebracht, sondern auch ein ganz schlechtes Licht auf das Vorzeigeprodukt des deutschen Kapitalmarktes geworden, den Pfandbrief. Sie haben an den internationalen Kapitalmärkten einen hervorragenden Ruf, seit über hundert Jahren ist noch keiner notleidend geworden. Deshalb fand sich ein Konsortium aus Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank, HypoVereinsbank und Postbank, um eine Liquiditätshilfe von 2,5 Milliarden Euro bereitzustellen. Die Banken trugen allerdings kein Risiko, denn bei einem Ausfall würde der Einlagensicherungsfond der Banken einspringen.

So abgesichert suchte die BGAG weiter nach einem Käufer für die klamme AHBR und fand ihn schließlich im Dezember 2005 in dem amerikanischen Private-Equity-Fonds Lone Star, dem führenden Investor am deutschen Markt für Problemkredite. Der wollte allerdings einen negativen Kaufpreis, im Klartext, dieser Käufer forderte für die Übernahme der AHBR von dem Eigentümer eine „Mitgift“. Diese wurde auch bezahlt und soll zwischen 400 Millionen und 600 Millionen Euro gelegen haben. Schön, dass da die BGAG zur weiteren Finanzierung im Oktober 2005 noch die Wohnungsgesellschaft Baubecon in Hannover an den Finanzinvestor Cerberus für 1 Milliarde Euro verkaufen konnte. Genüsslich schreibt die Börsen-Zeitung hierzu, um diesen Preis für 23.000 Wohnungen zu erzielen, seien die Gewerkschaften zu Zugeständnissen bei den sozialen Standards für die Mieter bereit gewesen.

Fazit: Alle Grundsätze aufgegeben und nach Schätzung der Frankfurter Rundschau insgesamt 2,4 Milliarden Euro Gewerkschaftsgelder in den Sand gesetzt.

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