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„Griechenlandkrise“ – Das Kapital soll zahlen!

Von RSB Wiesbaden | 01.05.2010

Seit Wochen läuft eine widerwärtige Kampagne, die die Verschuldungskrise des griechischen Staates „den“ Griechen anlastet. Populistische Politiker und Medien übertreffen sich in ihrer Hetze mit Forderungen nach mehr Druck auf Griechenland (gemeint ist die griechische Bevölkerung) oder mit Vorschlägen nach einem rigorosen Hängenlassen.

Seit Wochen läuft eine widerwärtige Kampagne, die die Verschuldungskrise des griechischen Staates „den“ Griechen anlastet. Populistische Politiker und Medien übertreffen sich in ihrer Hetze mit Forderungen nach mehr Druck auf Griechenland (gemeint ist die griechische Bevölkerung) oder mit Vorschlägen nach einem rigorosen Hängenlassen.

Dabei wird ganz systematisch nur die Wahl zwischen diesen beiden Alternativen diskutiert. Die wahren Schuldigen werden genauso wenig benannt wie diejenigen Alternativen, die nicht zulasten der lohnabhängigen Bevölkerung gehen.
Ursache der Krise
In keinem Fall haben die griechischen Arbeiterinnen und Arbeiter „über ihre Verhältnisse gelebt“. Der Lebensstandard der GriechInnen liegt im Schnitt um mindestens 27% (für große Teile um über 30%) unter dem der Lohnabhängigen in Deutschland. Die griechische Wirtschaft kann sich seit einigen Jahren kaum des enormen Drucks gerade auch der deutschen Exportindustrie erwehren. Das liegt nicht zuletzt an der Entwicklung der Lohnstückkosten. Aufgrund rasanter Rationalisierungen und einer rückläufigen Reallohnentwicklung in Deutschland liegt die Produktivität heute in Griechenland um 25% unter dem Niveau der deutschen Industrie (in Frankreich liegt sie um 15% niedriger als bei uns). Der griechische Staat konnte dieser Entwicklung nicht mit einer Währungsabwertung begegnen und ist somit ein Gefangener des Euro, der vor allem der deutschen Exportindustrie zugutekam und weiter kommt.
Die Verantwortlichen
Zu dieser wesentlichen Grundlage der aktuellen Verschuldung gesellte sich eine gezielte Politik des internationalen Finanzkapitals. So hat beispielsweise Goldman Sachs dem griechischen Staat jahrelang Kredite aufgeschwätzt und dabei gezielt geholfen, diese Kredite in Schattenhaushalten zu verstecken. Abgesichert wurden sie weitgehend von der inzwischen pleitegegangenen amerikanischen Versicherungsgruppe AIG. An der Verschuldung des griechischen Staates haben in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Banken (vor allem aus Frankreich und Deutschland) ganz gewaltig verdient.

Hinzu kamen zu guter Letzt dann noch die Spekulanten, die beispielsweise mit verschiedenen Derivaten (vor allem „Kreditausfallversicherungen“, den sogenannten CDS) ihren Reibach machten oder immer noch zu machen versuchen. Speziell dieses Instrument ermöglicht es den Zockern, mit sehr geringem Risiko gewaltige Profite einzustreichen.
Eine Systemfrage
Letztlich sind es aber nicht die Spekulanten, die an allem schuld sind, sondern das kapitalistische System, also die Konkurrenzwirtschaft und die Freiheit des Kapitalverkehrs mit all ihren Folgen. Hinzu kommen nur noch weitere Krisen verschärfende Momente. Neben der allgegenwärtigen Korruption (in Deutschland nur besser vertuscht als in Griechenland) sind es vor allem die gewaltigen unproduktiven Ausgaben, für die die griechischen Steuerzahler aufkommen müssen. Der größte Faktor dabei sind die gewaltigen Militärausgaben des griechischen Staates. Und genau daran hat die Bundesrepublik ein gewaltiges Maß an Mitschuld. Denn: Deutschland ist mit 10% aller Rüstungsexporte (USA 31%, Russland 25%) inzwischen zum drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt avanciert. Dabei ist Griechenland der zweigrößte Käufer deutscher Rüstungsgüter (15% der deutschen Rüstungsexporte gehen in die Türkei, 13% nach Griechenland; s. auch Kasten). Athen ist der größte Waffenimporteur Europas!
Wer soll bluten?
Der Druck der deutschen Exportindustrie, die aufgelaufenen Schulden und die daraus sich ergebende Eigendynamik beim Hochtreiben der Zinsen für griechische Staatsanleihen sowie die brutalen Auswirkungen der Spekulation haben inzwischen eine „normale“ Schuldenrückzahlung unmöglich gemacht. (Eine Zehn-Jahresanleihe gibt es für Griechenland zurzeit nur für 10,85%, eine Zwei-Jahresanleihe nur für 18,5%, Stand 28.4.2010, mit steigender Tendenz.) Und da die Herrschenden in Europa einen Flächenbrand fürchten (Portugal und Spanien sind die nächsten Kandidaten), wird es zu Krediten seitens der EU, des IWF und der EZB kommen, aber zu welchem Preis? Das „Hilfspaket“ wird an ein rabiates Sparprogramm zulasten der griechischen Bevölkerung geknüpft.

Die Löhne der Staatsbediensteten sollen um 15% sinken, die Renten werden gekürzt, das Renteneintrittsalter soll steigen (schrittweise auf die von Deutschland indirekt vorgegebenen 67 Jahre), in der Privatwirtschaft sollen die Löhne eingefroren werden und dazu die Tarifverträge außer Kraft gesetzt werden, die Mehrwertsteuer wird erhöht usw. Zudem sollen alle rechtliche Einschränkungen bei der Arbeitsplatzvernichtung abgeschafft werden, die Klassenstärke an den Schulen von 25 auf über 30 steigen usw.
Gegenwehr
Die griechischen Gewerkschaften sind zögerlich beim Organisieren des Widerstands, aber in der Bevölkerung ist eine klare Kampfbereitschaft zu erkennen. Bisher gab es schon drei gut befolgte Generalstreiks, der nächste ist für den 5. Mai angesetzt. Die Kolleginnen und Kollegen müssen sich angesichts dieser gewaltigen Herausforderung politisch und organisatorisch neu aufstellen. Das wird nicht in wenigen Tagen möglich sein, aber wir können ihnen Mut machen, wenn es in Deutschland zu erkennbaren Solidaritätsaktionen kommt und wir sie politisch-moralisch unterstützen. Deshalb sollten wir uns national und international für eine Alternative stark machen, die nicht zulasten der lohnabhängigen Bevölkerung geht. Dies geht konsequent nur, wenn dabei nicht vor der „Systemfrage“ haltgemacht wird. Deshalb:

  1. Verbot aller Hedgefonds, Ratingagenturen, CDS, Leerverkäufe und sonstiger Derivate!
  2. Die Banken zur Kasse bitten, vor allem dort, wo kräftig abgesahnt wurde!
  3. Banken, Versicherungen und Konzerne entschädigungslos in Besitz nehmen. Am dringlichsten: Vergesellschaftung aller Banken und Zusammenführung in einer einzigen europäischen Bank mit einem flächendeckenden Filialsystem unter Kontrolle der Beschäftigten und der Öffentlichkeit.
  4. Stopp aller Rüstungsexporte (nicht nur nach Griechenland!)

Deutsche Rüstungsexporte nach Griechenland
2005 hat Deutschland mit Griechenland einen Vertrag über den Verkauf von 333 Leopard-Panzern unterzeichnet. Das kostet nicht nur gewaltige Summen (allein im Jahr 2008 waren es 8,3 Mrd. €), die letztlich von den griechischen Lohnabhängigen aufzubringen sind, es
heizt auch die Spannungen mit der Türkei an. Denn schon drei Monate später wurde mit Ankara der Verkauf von 298 Leopard-Panzern des Typs 2A4 vereinbart. Die SPD-Grünen-Regierung lieferte damit Waffen an zwei verfeindete Staaten. Zudem wurden diese Panzer auch gegen die kurdische Bevölkerung (auch im Irak) eingesetzt.

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