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Länder

Griechenland: Panik bei der Koalitionsregierung

Von Manfred (GSKK*) | 28.01.2015

Die griechische Koalition bangt um ihre parlamentarische Mehrheit. In mehreren Umfragen bleibt die Linke die stärkste Partei des Landes.

Ein stürmisches Wochenende erlebte die griechische Hauptstadt am 6. und 7. Dez. Während das Parlament den Sparhaushalt 2015 mit 155 Ja- und 134 Neinstimmen verabschiedete, fanden auf den Plätzen und Straßen heftige Proteste gegen die Regierung statt, zu denen die Gewerkschaften aufgerufen hatten. Darüber hinaus wurde auf einer großen Kundgebung mit ca. 10?000 Menschen an den 15jährigen Alexis Grigoropoulos erinnert, der 2008 von einem Polizisten auf einer Demonstration erschossen wurde. Im Anschluss an diesen Mord kam es zu wochenlangen Protesten, insbesondere der Schüler­Innen und Studierenden Griechenlands.

Auch an diesem Samstag (6. Dez.) kam es in Athen wieder zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nach deren Angaben wurden 200 Demonstrant­Innen festgenommen. In Thessaloniki, wo ca. 6000 demonstrierten, und in anderen Städten Griechenlands blieb es ruhig.

Am Montag darauf verkündete der Premierminister Samaras überraschend das Vorziehen der Wahl des Staatspräsidenten auf den 17. Dezember und benannte den ehemaligen EU-Kommissar für Umwelt und Ex-Außenminister Stavros Dimas von der Partei Nea Dimokratia zum Kandidaten.

Ursprünglich hätte die Wahl im März 2015 stattfinden sollen. Die Wahl durch das Parlament findet in drei Durchgängen statt; im ersten sind 200 der 300 Stimmen zur Wahl erforderlich, ebenso im für den 23. Dez. terminierten 2. Wahlgang; im 3. am 29. Dez. dann nur noch 180.

Sollte kein Kandidat die erforderliche Stimmenzahl erreichen, muss das Parlament aufgelöst und müssen Neuwahlen für Anfang Februar ausgeschrieben werden.

Die jetzige Regierung aus Nea Dimokratia und PASOK verfügt allerdings über nur noch 155 Abgeordnete. Ein Stimmenzukauf bei unabhängigen Abgeordneten bis zur Mehrheit von 180 Abgeordneten wird zwar nicht ausgeschlossen, weil die bei Neuwahlen um ihren Wiedereinzug fürchten müssten. Neuwahlen, die von der Oppositionspartei Syriza schon länger heftig gefordert werden, sind aber wahrscheinlicher.

Nach den aktuellen Umfragen liegt SYRIZA ca. 10 % vor der Nea Dimokratia und würde als stärkste Partei einen Stimmenzuschlag von 50 Mandaten erhalten. Ob das für eine Regierungsbildung reicht, ist offen, gibt es doch bisher keine Partei als Koalitionspartnerin. Insbesondere die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) hat bisher abgewunken.

Fortgesetztes Troika-Diktat

Die plötzliche Eile bei der Wahl des neuen Staatspräsidenten spricht für die Torschlusspanik der Regierungskoalition von Konservativen und Sozialdemokraten. Im von ihr durchgepeitschten Haushalt 2015 wird von der Troika ein Defizit von 2 bis 3 Mrd. € vermutet, außerdem hält die Troika die letzte Tranche von 1,8 Mrd. € aus dem Kredit-Hilfsprogramm für 2014 zurück, weil es keine prüfbaren Unterlagen gebe. Sie hat deshalb den Prüfzeitraum auf 2 Monate in 2015 verlängert.

Dabei geht es um weitere Sparprogramme, besonders im Gesundheits- und Bildungssektor, aber auch um den Abbau von ArbeiterInnenrechten wie die Abschaffung der Basisgewerkschaften, die Schließung der ArbeiterInnenzentren und Streiks nur bei Zustimmung einer Mehrheit aller Betriebsbeschäftigten, nicht nur der Gewerkschaftsmitglieder. Gegen solche Sparprogramme wehrt sich die griechische Regierung, weil sie damit das letzte bisschen Reputation verlieren würde.

Stattdessen will sie ab 2015 aus den Hilfsprogrammen der Troika aussteigen und sich an den Finanzmärkten selbst finanzieren. Doch auch dort traut man der Regierung nicht mehr über den Weg, Zinsen für griechische Staatsanleihen kletterten auf nicht refinanzierbare 8 %, der Leitindex an der Athener Börse fiel nach der Nachricht über die Neuwahl des Staatspräsidenten um 13 %.

Große Hoffnungen gibt es in der europäischen Linken auf einen Wahlsieg von Syriza. Erhofft wird ein Durchbruch gegen die von der Troika verordneten Austeritätspolitik. Umgekehrt ist mit einer entsprechenden Hetze mit Griechenbashing seitens der Eliten und ihrer Medien in ganz Europa zu rechnen. Syriza hat schon im September 2014 durch seinen Vorsitzenden Alexis Tsipras ein „machbares Regierungsprogramm“ angekündigt. Kernpunkte sind: kostenlose Gesundheitsversorgung, Wiederaufstockung des Mindestlohnes von 586 auf 751 €, Wiedereinführung eines Steuerfreibetrages von 12?000 €, Mietsubvention für 25?000 Wohnungen mit vier Euro/qm, kostenlose Stromversorgung für ca. 300?000 Haushalte, Schaffung von 300?000 neuen Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft, Rücknahme der Mineralölsteuererhöhung. Für die griechischen Schulden verlangt Tsipras einen Schnitt nach dem Beispiel der Londoner Schuldenkonferenz 1953 für Deutschland. Demnach sollte die Rückzahlung verbliebener Schulden entsprechend der Wirtschaftsleistung Griechenlands erfolgen, so wie es damals auch Deutschland eingeräumt worden war.

Die in Deutschland aktiven Griechenlandunterstützer­Innen haben sich inzwischen vernetzt und bereiten sich auf eine kritische Unterstützung einer solchen Syriza-Regierung vor.

*  Der Autor ist Mitglied im Griechenland Solidaritätskomitee Köln (GSKK).

TiPP
Mehr Infos unter http://gskk.eu
Kontakt zu GSKK: manfred.48@gmx.net

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