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Länder

Griechenland: Erste Reaktionen auf die Kriegserklärung an die Arbeiter­Innen

Von Andreas Kloke, Athen | 01.04.2010

In den letzten Monaten ist wohl kaum ein Tag vergangen, an dem nicht irgendeine Schreckensbotschaft auf die arbeitenden Menschen Griechenlands losgelassen wurde. Es handelt sich um einen konzertierten Angriff der europäischen Regierungen im direkten Auftrag des internationalen, und speziell auch des deutschen Groß- und Bankenkapitals sowie der herrschenden Klasse Griechenlands auf die in jahrzehntelangen Kämpfen erworbenen Rechte und den im internationalen Vergleich ziemlich bescheidenen Lebensstandard der lohnabhängigen Bevölkerung.

In den letzten Monaten ist wohl kaum ein Tag vergangen, an dem nicht irgendeine Schreckensbotschaft auf die arbeitenden Menschen Griechenlands losgelassen wurde. Es handelt sich um einen konzertierten Angriff der europäischen Regierungen im direkten Auftrag des internationalen, und speziell auch des deutschen Groß- und Bankenkapitals sowie der herrschenden Klasse Griechenlands auf die in jahrzehntelangen Kämpfen erworbenen Rechte und den im internationalen Vergleich ziemlich bescheidenen Lebensstandard der lohnabhängigen Bevölkerung.

Die Diktatur der Gläubiger, derselben Banken, die die gesamte Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten und 2007-2008 für jedermann offensichtlich in eine schwere und andauernde Krise gestürzt haben, hat es sich zum Ziel gesetzt, an Griechenland ein Exempel zu statuieren, das Lebensniveau drastisch zu senken, eine tiefe Rezession auszulösen und offenbar über kurz oder lang nicht nur in den übrigen südeuropäischen „PIIGS“- Ländern, sondern überall in Europa nach gleichem Muster zu verfahren.
Deutsches Groß- und Bankenkapital
Die Entwicklung der letzten Tage war, dass sich Merkel und Schäuble weigern, Griechenland einen Kredit von 25 Mrd. Euro zu gewähren, weshalb Papandreou androhte, ihn beim weltweit verhassten Internationalen Währungsfonds zu beantragen. Dieser dadurch mögliche direkte Einfluss US-amerikanischen Kapitals auf Europa zeigt, dass die griechische Krise in Wirklichkeit die der Eurozone darstellt. Trotz der gegenlautenden Propaganda vor allem in den deutschen Medien über den angeblichen „Betrug“, der zur Aufnahme Griechenlands in die Eurozone geführt habe, gehörte Griechenland nicht nur aus geopolitischen Erwägungen, sondern auch aufgrund direkter Interessen des deutschen Großkapitals zu den Gründungsmitgliedsländern des Euro. Das verstärkte Eindringen vor allem deutschen Kapitals in Griechenland und die fortgesetzte Verschlechterung der Konkurrenzfähigkeit der griechischen Wirtschaft im Vergleich zur deutschen nach der Einführung des Euro 2002 belegen eindeutig, dass der Euro vor allem ein Instrument zur Durchsetzung der Interessen nicht nur, aber besonders des deutschen Groß- und Bankenkapitals war und bleibt. Papandreou hatte sich schon verpflichtet, den deutschen und französischen Rüs­tungskonzernen im Jahr 2011 Waffensysteme in Höhe von 12 Mrd. Euro abzukaufen. Dieser horrende Betrag zeigt, dass die Herrschenden Griechenlands trotz der schweren Krise weiter einer der weltweit größten Waffenimporteure bleiben wollen. Trotzdem wird Griechenland keinen EU-Kredit erhalten.
Raubzug gegen Lohnabhängige
Sollte die griechische Regierung sich tatsächlich gezwungen sehen, sich an den IWF zu wenden, ohne dass Berlin dagegen grundsätzlich etwas einzuwenden hätte, würde dies einen grundsätzlichen Wechsel der deutschen Strategie in Bezug auf die Eurozone bedeuten. Das Ergebnis wäre, dass schwächere Mitglieder der „Euro-Familie“ künftig aus der gemeinsamen Währung ausscheiden könnten, sicherlich aber nicht unter Bedingungen, die für die breite Bevölkerungsmehrheit der betroffenen Länder von Vorteil wären. Was auch immer in den nächsten Wochen ausgehandelt werden mag, die wesentlichen Bestandteile des „Stabilitäts-Programms“ sind bereits festgelegt und bedeuten einen bisher kaum für möglich gehaltenen Raubzug zulasten des Lebensstandards der Lohnempfänger­Innen und der breiten Masse der bereits „sozial Ausgegrenzten“. 20 % der griechischen Bevölkerung werden schon als arm eingestuft, die offizielle Arbeitslosigkeit ist im Dezember über 10 %  gestiegen.

Das Regierungsprogramm sieht vor, die öffentlichen und privaten Ausgaben bis 2012 um 9 % des BSP zu senken. Da jedem Prozentpunkt der Konsumausgaben 1,5 % des gesamten Nationaleinkommens entsprechen, ist ein jährlicher Rückgang von 4,5 %, also insgesamt 13,5 % zu erwarten. Mit einer derart dras­tischen Beschneidung des Nationaleinkommens wird die Rezession beschleunigt, die Arbeitslosigkeit in die Höhe getrieben und der angestrebte Ausgleich der Leistungsbilanz sowie die Sanierung der Staatsfinanzen unmöglich gemacht. George Soros bemerkt zum Fall Griechenland: „Die Verringerung der Ausgaben verschärft die Rezession, senkt die Staatseinnahmen und erhöht den Prozentsatz der Staatsverschuldung im Verhältnis zum BSP, statt ihn sinken zu lassen. Die Märkte werden sich nicht beruhigen, die Unterschiede zwischen den Zinssätzen Griechenlands und Deutschlands werden anwachsen“. Bleibt nur die Frage, wie stark der Lebensstandard in Griechenland in den nächsten Monaten und Jahren abstürzen wird, wenn die Maßnahmen durchgesetzt werden.
Die Entwicklung des sozialen Widerstands
Die breite Bevölkerungsmehrheit reagierte im November auf das verkündete „Programm“ erst einmal schockiert. So etwas hatte man von der neuen „sozialistischen“ PASOK-Regierung nicht erwartet, die ja gerade deshalb gewählt worden war, um eine solche Politik zu verhindern. Ab Ende November begann sich erster Widerstand zu regen, ausgehend von den Basiseinheiten vieler gewerkschaftlicher Organisationen, die seit vielen Jahren, von einigen wichtigen Ausnahmen abgesehen, keine größeren Aktionen starten konnten, sodass die weitgehend von PASOK-Bürokrat­Innen kontrollierten Gewerkschaftsorganisationen passiv blieben und die meisten Kampfinitiativen in der Regel abgewürgt wurden. Die Gewerkschaftsbürokratie betreibt eine beispiellose Ausverkaufs-Politik und hat schon seit den Jahren der PASOK-Regierung von Simitis (1996-2004) konsequent auf jeden Widerstand gegen den Neoliberalismus und die Umverteilung von unten nach oben verzichtet.

Der Druck der zu neuem Leben erwachten gewerkschaftlichen Basisorganisationen, unter denen u. a. die Verbände der Lehrer­Innen eine Vorreiterrolle spielen, führte am 17. Dezember zu einem Aktionstag, der beinahe einem Generalstreik gleichkam. Weitere Stationen der Ausweitung der Proteste und der Streiks waren der 24. Februar und der 11. März, als die beiden gro­ßen Gewerkschaftsverbände, die ADEDY des öffentlichen Dienstes und die GSEE des privaten Sektors zum Streik aufriefen. Rund 50.000 nahmen an den Protestzügen teil, was einen enormen Aufschwung bedeutet. Das Land war durch die Streiks praktisch lahmgelegt. Klar ist, dass die Mobilisierungen weiter fortgesetzt werden und noch breitere Kreise für die Aktionen gewonnen werden müssen, um die Regierung, die mehr oder weniger offen von den beiden rechten Oppositionsparteien, ND und LAOS unterstützt wird, zur Rücknahme der Maß
nahmen zu zwingen. Die Perspektive muss darin bestehen, die Generalstreiks so häufig wie möglich zu wiederholen und einen unbefristeten Generalstreik anzuvisieren.
Die Rolle der linken Parteien und Bündnisse
Ein zentrales Problem besteht weiterhin darin, dass die Bewegung an der Basis durch die Differenzen der politischen Kräfte und Parteien praktisch gespalten ist. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), immer noch die größte linke Partei, verhindert aufgrund eines fast unglaublichen Sektierertums, nämlich der Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit mit allen anderen politischen Kräften, eine effektive Aktionseinheit und schwächt damit die Bewegung. Programmatisch lehnt sie zwar die Verträge von Maastricht und Lissabon ab, setzt jedoch auf eine illusorische „Volks-Ökonomie“ im kapitalistischen Rahmen und kann der Bewegung damit keine wirklich sozialistische Perspektive bieten. Andererseits befinden sich SYRIZA und ihre Hauptpartei, der linksreformistische SYN, in der Krise. Zum ersten Mal wird von Teilen der Parteiführung an der Unterstützung des Vertrags von Maastricht Selbstkritik geübt und die Abspaltung eines Parteiflügels nach links ist nicht auszuschließen. SYRIZA beteiligt sich zwar an den Aktionen der gewerkschaftlichen Basisorganisationen, spielt aber keine konsequent vorwärtstreibende Rolle. Im SYN bleiben Illusionen in die Reformierbarkeit der EU und die Möglichkeit einer grundsätzlich anderen Regierungspolitik auf der Grundlage keynesianischer Rezepte vorherrschend.

Die Bündnisformation ANTARSYA, die einen bedeutenden Teil der antikapitalistischen und revolutionären Linken repräsentiert, hat in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sie in der Basisbewegung zu einem ernsthaften Faktor geworden ist. Sie bemüht sich weitgehend, in den Gewerkschaften die Taktik der Einheitsfront anzuwenden und in den Stadtbezirken von Athen und im ganzen Land Komitees gegen das „Stabilitätsprogramm“ ins Leben zu rufen. OKDE-Spartakos beteiligt sich an den Aktionen im Rahmen von ANTARSYA und versucht, bestimmte programmatische Forderungen mit Übergangscharakter in die Diskussionen der Bewegung einzubringen. Dazu gehören eine starke Besteuerung des Großkapitals, der sofortige Stopp des Wahnsinns der Rüstungsimporte sowie die sofortige Aussetzung der Schuldenrückzahlungen, die entschädigungslose Vergesellschaftung der Banken unter Arbeiter­Innenkontrolle und die Internationalisierung des Widerstands. Dieser letzte Punkt ist besonders wichtig, weil es offensichtlich ist, dass der sich in Griechenland formierende Widerstand ohne eine internationale Ausweitung nicht siegreich sein kann. Die Bewegung wird zweifellos einen sehr langen Atem entwickeln müssen und nur dann erfolgreich sein, wenn sie die Grundfes­ten des bestehenden kapitalistischen Systems tatsächlich ins Wanken bringt.

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