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Innenpolitik

Gesundheit  ein Mordsgeschäft

Von Thadeus Pato | 01.11.2007

Die Pharmabranche boomt – trotz Festpreisregelungen und Rabattverträgen. Die Bayer-Aktie hat seit Jahresbeginn um über 40% zugelegt, das Papier von Merck in den letzten 3 Jahren um über hundert Prozent, und die beiden sind keine Ausnahmen. Die Deregulierung im stationären Bereich, angeheizt durch die Einführung der sog. DRGs, hat sich inzwischen ausgezahlt, nämlich für die Investoren, die in den letzten Jahren flächendeckend öffentliche Krankenhäuser aufgekauft haben.

Die Pharmabranche boomt – trotz Festpreisregelungen und Rabattverträgen. Die Bayer-Aktie hat seit Jahresbeginn um über 40% zugelegt, das Papier von Merck in den letzten 3 Jahren um über hundert Prozent, und die beiden sind keine Ausnahmen.

Die Deregulierung im stationären Bereich, angeheizt durch die Einführung der sog. DRGs (System, mit dem anhand der Diagnosen und der durchgeführten medizinischen Maßnahmen eine Pauschalvergütung für jeden einzelnen PatientInnen errechnet wird), hat sich inzwischen ausgezahlt, nämlich für die Investoren, die in den letzten Jahren flächendeckend öffentliche Krankenhäuser aufgekauft haben. Die Rhön-Kliniken-Kette zum Beispiel steigerte ihren Aktienkurs in den letzten drei Jahren um über hundert Prozent und verbuchte 2006 bei einem Umsatzerlös von 1,9 Milliarden einen satten Gewinn nach Steuern von 109 Millionen Euro. Die Marseille Kliniken AG, eine von den kleineren Gruppen, verbuchte bei einem Umsatz von 214 Millionen zwar „nur“ einen Gewinn von 9,1 Millionen, konnte aber den Aktienkurs in den letzten drei Jahren von sieben auf siebzehn Euro steigern. Und so könnte man eine Erfolgsmeldung an die andere reihen – nur stellt sich natürlich dabei die klassische kriminalistische Frage: Cui bono? – wem nützt das? Oder, anders gefragt, wo kommen denn jetzt die sprudelnden Gewinne plötzlich her, wenn doch bis vor kurzem Krankenhäuser als Zuschussgeschäft galten? Und hat das die medizinische Versorgung verbessert?
Einfache Erklärung 
Die Erklärung auf die ersten beiden Fragen ist relativ simpel: Solange ein Krankenhaus lediglich seine nachgewiesenermaßen entstandenen Kosten erstattet bekam, gab es keinen Grund, in großem Maßstab in Krankenhäuser zu investieren, es gab nämlich nicht die Möglichkeit, in großem Umfang Profit zu machen. Durch die Einführung der Fallpauschalen hat sich das geändert. Die Devise lautet: Mach es billiger als die Pauschale, dann bleibt ein Profit. Und das ist mit einer ganzen Reihe von Folgen verbunden, die gleichermaßen die Beschäftigten an den Krankenhäusern wie auch die PatientInnen getroffen haben und treffen – und die Medizin, die betrieben wird, prägen. Da wird outgesourct vom Putzdienst bis zum Labor und zur Röntgenabteilung, Personal abgebaut, rationalisiert, und gelegentlich auch einmal versucht, die Krankenkasse bei der Berechnung der Pauschalen übers Ohr zu hauen, was dazu geführt hat, dass diese wiederum die im Krankenhaus abgebauten Arbeitsplätze durch die Einstellung speziell geschulter Kräfte kompensierte, die die Abrechnungen überprüfen…..

Was nun die dritte Frage betrifft, nämlich nach den Auswirkungen auf die medizinische Qualität, sei nur ein simples Beispiel angeführt: Eine betagte Tante des Verfassers wurde einmal nach einem Schlaganfall viel zu früh aus dem Krankenhaus entlassen mit dem ausdrücklichen Argument, dass sie mit ihrer Pauschale „durch“ sei, wenn’s nicht ginge, solle sie sich in ein paar Tagen neu einweisen lassen. Neuer Aufenthalt – neue Pauschale, so heißt die simple Rechnung. Mit medizinischer Qualität hat das natürlich nichts zu tun, aber sehr wohl etwas mit Profit.
Und dann gäbe es auch noch die Möglichkeit, die Anzeigestellung für bestimmte Eingriffe etwas auszuweiten, um die Fallzahlen nach oben zu drehen – aber so etwas darf man niemandem unterstellen…
„Versorgungszentrum“
Im übrigen Gesundheitswesen sieht es nicht viel besser aus, auch hier wird gut verdient, viel geklagt und es werden die PatientInnen zur Barkasse gebeten. Die in ihrer Form als öffentliche Einrichtung stets als kommunistisches Teufelswerk verdammte gute alte Poliklinik feiert, bis zur völligen Unkenntlichkeit durchkapitalisiert und als „Medizinisches Versorgungszentrum“ verkleidet, fröhliche Urstände. Vielleicht gibt es sie demnächst als AG. Damit das Ganze besser funktioniert, haben die Ärztekammern schon vor einigen Jahren das Werbeverbot für Ärzt­Innen gelockert.
Das Geschäft brummt
An der Zurichtung des medizinischen Sektors zu einem ganz gewöhnlichen Wirtschaftszweig haben die PolitikerInnen aller bürgerlichen Parteien seit über dreißig Jahren hart gearbeitet. Es hat sich ausgezahlt – nicht für die PatientInnen, aber für das Kapital, das die exorbitanten Gewinne aus den mit öffentlichen Mitteln finanzierten und dann für lächerliche Beträge an Privatinvestoren verkauften Versorgungseinrichtungen einstreicht. Gesunde Geschäfte sind das nicht – aber einträgliche.

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