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Gegen Repression: Solidarität mit der linken Opposition in Russland!

Von Elena Petuchowa | 01.11.2013

Am 8. Oktober 2013 ist Michail Kosenko als einer von zurzeit insgesamt 28 angeklagten Personen zur Zwangsbehandlung in der geschlossenen Psychiatrie verurteilt worden. Nach Meinung der Anklagebehörde ist Michail Kosenko schuldig der Teilnahme an Massenunruhen und Gewalt gegen einen Staatsbeamten. Das ungerechte Urteil ist nur eines, das vielen Anderen noch  drohen könnte.

Am 8. Oktober 2013 ist Michail Kosenko als einer von zurzeit insgesamt 28 angeklagten Personen zur Zwangsbehandlung in der geschlossenen Psychiatrie verurteilt worden. Nach Meinung der Anklagebehörde ist Michail Kosenko schuldig der Teilnahme an Massenunruhen und Gewalt gegen einen Staatsbeamten. Das ungerechte Urteil ist nur eines, das vielen Anderen noch  drohen könnte.

Nach dem Punk-Gebet von Pussi Riot und nach den Protestaktionen nach den Parlamentswahlen mit dem Höhepunkt des friedlichen Demonstrationszugs im Moskau am 6. Mai 2013 reagierten die Machthabenden rasch mit Repressionen. Der Kreml macht alles, was jeglichen Protest verstummen lassen könnte. Schauprozesse sollen einerseits alle Protestierenden und verschiedene Aktivisten und vor allem das ganze Volk einschüchtern/abschrecken und für sie als ein abschreckendes Beispiel dienen; andererseits den Blick von wichtigen Problemen weglenken. Neu eingeführte Gesetze zeigen die konservative Politik der neoliberalen Subströmung des Kreml. Das „Dima Jakowlew Gesetz“ (das Verbot für Adoption russischer Kinder durch US-Bürger), das Anti-NGO-Gesetz (NGO werden als „ausländische Agenten“ betrachtet), Gesetze gegen „homosexuelle Propaganda“, strafrechtliche Verantwortung für die Beleidigung religiöser Gefühle, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, die Anti-Migranten-Kampagne in den russischen Städten etc. lenken vollständig die Aufmerksamkeit vom „Fall Bolotnaja“ (eine große Protestaktion auf dem Moskauer Bolotnaja-Platz 2012) ab.

Die von der OMON (Mobile Einheit „zur besonderen Verwendung“) provozierten Zusammenstöße mit den TeilnehmerInnen [an den Demonstrationen] waren vom Kreml in voller Absicht veranlasst worden, um einen Vorwand für das Abspulen von Repressionsmaßnahmen gegen die friedlich Demonstrierenden zu schaffen.
Alle Kräfte und alle DemonstrantInnen, die sich für demokratische Werte einsetzen, werden kriminalisiert und als Verbrecher betrachtet. Die Behörde erhebt Anklage wegen „Massenunruhe“ und Gewaltanwendung gegen Amtsträger. Als „Vorbereiter der gewalttätiger Proteste in Moskau“ gelten Sergei Udalzow und Leonid Raswosschajew.
Anfangs 12, gegenwärtig schon 28 Frauen und Männer sind vor Gericht gestellt und angeklagt. Unter den Angeklagten sind sehr verschiedene Leute. Sie sind unterschiedlichen Alters, haben unterschiedliche Berufe und unterscheiden sich in ihren politischen Ansichten. Es gibt unter ihnen Studenten, Wissenschaftler, politische Aktivisten, Geschäftsleute, Rentner, Linke, AntifaschistInnen, AnarchistInnen, Liberale, Rechtsradikale.

Der „Fall Bolotnaja“ soll vor allem die Linken behindern. Mehr als ein Drittel der Angeklagten sind AktivistInnen der linken Bewegungen. Wie viele andere friedlich protestierende Menschen wurden sie festgenommen, aber sie werden nicht zuletzt wegen ihres Engagements verfolgt. Einige von ihnen werden mehr als ein Jahr eingesperrt sein. Wirklich empörend ist die unter zum Himmel schreienden Rechtsverstößen ablaufende Verhandlung der Angelegenheit.
Alexandra Duchanina (von 13 Haft-Jahren bedroht) , eine 19-jährige Aktivistin, Nikolai Kawkazski (von 8 Haft-Jahren bedroht), der Aktivist der Linken Sozialistischen Aktion, Sergei Udalzow (von 10 Haft-Jahren bedroht) und der Chef der Linken Front stehen unter Hausarrest, in dem sie von der ganzen Welt isoliert sind. Sie dürfen das Haus nicht verlassen, keine Gäste empfangen, kein E-Mail und Internet benutzen, nicht telefonieren -und im Vergleich dazu der Hausarrest für Schuldige des Falls Oboronservice[1], die 3 Stunden täglich Zeit haben, um in Einkaufszentren zu bummeln.
Wladimir Akimenkow (von 8 Haft-Jahren bedroht) ist Anhänger der Linken Front, Alexei Gaskarow (von 13 Haft-Jahren bedroht) ist Aktivist der „Antifa“ Bewegung, Stepan Simin (von 13 Haft-Jahren bedroht) ist junger Antifaschist und Anhänger des Anarchismus.

Wladimir Akimenkow, der schon früher wegen Flugblättern angegriffen wurde und eine Bewährungsstrafe bekam, ist bereits seit Juni 2012 im Untersuchungsgefängnis. Er hat eine  ganz schwere Erkrankung der Regenbogenhaut der Augen, weshalb sein Rechtsanwalt beim Gericht um Freilassung wegen Behinderung/Invalidität nachsuchte. Seit Juni 2012 ist auch Stepan Simin in Haft. Er ist der Teilnehmer der „Occupy Abai“ (der russischen Occupy-Bewegung) und Verteidiger der Wälder gegen den Bau einer Autobahn im Moskauer Gebiet. Im Untersuchungsgefängnis werden die Dusche und der Fitnesssaal von Verwandten bezahlt.
Noch ein linker Angeklagter ist Alexei Gaskarow, Antifaschist, Aktivist der Kampagne gegen die Abholzung in Chimki; aufgrund seiner Teilnahme verbrachte er 3 Monate in U-Haft; seit 2013 ist er Mitglied des Volksrats in der Stadt Zhukowskij. Einige Linksoppositionelle wie Alexej Sachnin mussten politisches Asyl beantragen, um nicht inhaftiert zu werden.
Zusätzlich zu den unmenschlichen Bedingungen im Untersuchungsgefängnis haben die Angeklagten grö&s
zlig;te Probleme, wenn sie sich über diese Haftbedingungen beschweren wollen: Die bei Gericht eingereichten Klagen gegen die unmenschlichen Bedingungen in der Untersuchungshaft werden normalerweise abgewiesen.

Aber mit der unrechtmäßigen Verhaftung und der unmenschlichen Behandlung der Beschuldigten im Untersuchungsgefängnis ist es noch nicht genug: Die Gerichtsverhandlung stützt sich in der Hauptsache auf Aussagen von „zu Schaden gekommenen“ Polizisten der OMON. Allerdings können diese OMONoffzen ihre Aussagen sehr oft nicht selbst klar genug ausdrücken. Infolgedessen versucht das Gericht, die notwendigen Aussagen aus ihnen herauszuprovozieren. Der ganze Prozess stellt sich also als eine einzige große Show dar, in der die Angeklagten und ihre Verteidigung keine normale Möglichkeit haben, ihre Aussagen bzw. Beweismittel vorzustellen.
Das alles zeigt, das russischen Gerichtssystem ist nicht unabhängig: der Staat und die Gerichte arbeiten zusammen.
Während die Prozesse langsam und quälend laufen, wird jeder Arbeitskampf, jeder Protest und jede Empörung zu unterdrücken versucht. Gleichzeitig wird Anlauf genommen, einen neuen legitimen Oppositionellen zu basteln. Diese Figur soll der rechtsliberale Populist Alexej Nawalnij sein – anstelle linker GegnerInnen des Regimes, wie Udalzow oder Gaskarow oder Sachnin, dem wie vielen anderen Lagerhaft droht.

Bald wird eine Amnestie für politische Gefangene anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Verfassung der Russische Föderation erlassen. Nach Putins Andeutung ist es nicht ausgeschlossen, dass die Angeklagten des „Falls Bolotnaja“ unter diese Amnestie fallen lassen könnten. Aber unter eine Amnestie zu fallen, ist nicht vergleichbar mit einer Entlassung. Und ob die Angeklagten des „Falls Bolotnaja“ tatsächlich unter die Amnestie fallen werden, ist die große Frage.

Die Autorin ist Mitglied von RSD (Rossiskoje Sozialistitscheskije Dwishenije, „Russische Sozialistische Bewegung“), der russischen Sektion der IV. Internationale.



[1] Oboronservice ist ein zum Verteidigungsministerium gehörendes Staatsunternehmen. Die Justiz ermittelt derzeit gegen mehrere MitarbeiterInnen, die große Immobilienobjekte  unter Wert verkauft und sich dabei zum Schaden des Staates um viele Millionen bereichert haben sollen.

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