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Innenpolitik

Gegen 3. Startbahn und Umweltzerstörung!

Von W.Walrave | 01.10.2008

Unter dem Motto „Wir sind Bayern – gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, für das Isental, für die Donau, für die Bewahrung unserer Heimat“ nahmen mehr als 8 000 Menschen an einer Demonstration am 6.9.2008 in München teil. Aufgerufen hatte das Aktionsbündnis aufgeMUCkt gegen die dritte Startbahn (MUC ist das Internetkürzel für den Flughafen Franz Josef Strauss bei München), 61 Bürgerinitiativen der Region und der Bund Naturschutz Bayern e.V.

Unter dem Motto „Wir sind Bayern – gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, für das Isental, für die Donau, für die Bewahrung unserer Heimat“ nahmen mehr als 8 000 Menschen an einer Demonstration am 6.9.2008 in München teil. Aufgerufen hatte das Aktionsbündnis aufgeMUCkt gegen die dritte Startbahn (MUC ist das Internetkürzel für den Flughafen Franz Josef Strauss bei München), 61 Bürgerinitiativen der Region und der Bund Naturschutz Bayern e.V.

Mit vielen fantasievollen Parolen, aber auch mit einer für alle Linken zunächst einmal befremdlichen Bezugnahme auf die Worte „Heimat“ und „Heimat bewahren“ in Reden und auf Plakaten, gingen Menschen aller Altersgruppen gegen die Großprojekte der Landesregierung, und damit objektiv gegen die Interessen des Kapitals, auf die Straße.
Fehlen eines linken Pols
Allerdings müssen sich alle Linken vorwerfen lassen, dass sie und die Gewerkschaften durch fast völlige Abwesenheit glänzten. Nur wenige Mitglieder des RSB, von Die Linke und der MLPD nahmen an der Demonstration teil. Das Fehlen eines „linken Pols“, die Dominanz von bürgerlichen ÖkologInnen wie des Bund Naturschutz Bayern (BNB), der Grünen, der ÖDP aber auch der Freien Wähler in dieser Bewegung zeigt, das die Frage der ökologischen und Klima-Krise von den Linken in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt wurde. Unter solchen Voraussetzungen verwundert es nicht, wenn für Linke rechts besetzte Reizwörter wie „Heimat bewahren“, eine so große Rolle spielten. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass bei weiterer Abstinenz der Linken die bisherige Bewegung ein offenes Tor für eine rechtsradikale Unterwanderung bietet. Als organisierte, offene Kraft traten Neonazis zwar nicht auf. Einzelne Nazis konnten allerdings schon gesichtet werden.

Aber es waren auch andere Inhalte zu verzeichnen. Vor allem in der letzten Rede des BNB wurde u. a. der notwendige Brückenschlag zwischen der bisherigen Bewegung und den Gewerkschaften gefordert: „Sie sollen bei den nächsten Großaktionen mit dabei sein“ und „wir müssen uns um sie bemühen“. Auch wurde die Situation der Beschäftigten am Flughafen München kurz erwähnt, die im Rahmen des geplanten Flughafenausbaus von massivem Outsourcing, Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen betroffen sind. Feststellbar war auch ein deutliches Bewusstsein in einige Reden und auf vielen Plakaten und Transparenten über den ökologischen Irrsinn all dieser Verkehrsgroßbauprojekte in Zeiten des Klimawandels.
Die CSU unter Druck
Die CSU-Regierung und vor allem Beckstein, der zwei Wochen vorher bei einem Wahlkampfauftritt in Freising von 2 500 Dritte StartbahngegnerInnen so massiv ausgepfiffen wurde, dass er nicht zu Wort kommen konnte und diese dann als „Krakeeler“ bezeichnete, kamen dementsprechend schlecht weg. Sie wurden u. a. als „Heimatkiller“ und willige Büttel der „Interessen der großen Konzerne“ tituliert. Die Menschen wurden aufgefordert, bei der Landtagswahl die CSU nicht zu wählen. Dies ist erwähnenswert, weil sich unter den DemonstrantInnen viele ex- oder noch CSUlerInnen befanden, die ihre maßlose Enttäuschung lautstark kundtaten.
Die Tatsache, dass die Stadt München, die ja seit vielen Jahren von SPD und Grünen gemeinsam regiert wird, Gesellschafterin der Flughafengesellschaft München (FMG) ist, und als solche natürlich an einem international „konkurrenzfähigen“ Flughafen im Sinne des Kapitals interessiert sein muss, wurde insoweit Rechnung getragen, dass es keine Reden von SPD oder Grünen gab. Vor allem die SPD, mit ihren nach wie vor engen Verbindungen zum DGB, könnte bei einer sich radikalisierenden Bewegung in die Zwickmühle geraten, gleichzeitig den Standort München stärken zu wollen (mit dem fadenscheinigen Argument, zusätzliche Arbeitsplätze bei einem Ausbau des Flughafens zu schaffen) und dem zunehmenden Bewusstsein in der Bevölkerung, dass noch mehr Flug- und Autoverkehr, der Ausbau der Donau, ökologisch und klimapolitisch kontraproduktiv ist.
Perspektiven des Kampfes und unsere Aufgaben
Die Bewegung ist heute sehr parlamentarisch orientiert und von bürgerlich-ökologischen Kräften dominiert. Aber sie greift in ihrer Ablehnung des Ausbaus des Flughafens, des Autoverkehrs und der weiteren Schiffbarmachung der Donau ein zentrales Problem des heutigen Kapitalismus auf: die Zerstörung von Natur und Umwelt zur Sicherung der Profite. Damit ist sie objektiv gegen die Interessen des Großkapitals gerichtet. Ihre soziale Zusammensetzung besteht aufgrund der allgemeinen Bevölker­ungsstruktur aus einer Mehrheit von Lohnabhängigen, reicht aber auch in Schichten des Kleinbürgertums (Bauern, kleine Gewerbetreibende), die sich als von den Großprojekten direkt Betroffene mobilisieren, hinein. Es handelt sich ihrer sozialen Zusammensetzung und inhaltlichen Ausrichtung nach um eine klassische Bürger-Initiativen-Bewegung, sehr ähnlich wie sie Anfang der 70er Jahren im Zusammenhang mit den ersten Kämpfen gegen die Atomindustrie (z. B. Kernkraftwerk Wyhl im Badischen) als auch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts gegen die Wiederaufbereitungsanlage im Wackersdorf (Oberpfalz) entstanden. Auch damals entdeckten die Linken die objektiv antikapitalistische Bedeutung dieser Bewegungen erst, nachdem sie schon ein Zeit lang existierten.

In soweit dürfen wir uns weder über die bisherige Dominanz bürgerlich-ökologischer Kräfte in dieser Bewegung wundern, noch Berührungsängste haben. Denn schließlich ist das herrschende Bewusstsein das Bewusstsein der Herrschenden. Aller Erfahrung nach sind solche Bewegungen meistens sehr offen für weitergehende Perspektiven und Forderungen – nur müssen sie auch eingebracht werden.

Deshalb liegt neben der loyalen Mitarbeit in dieser Bewegung die Hauptaufgabe der SozialistInnen darin, den vom BNB geforderten Brückenschlag mit den Gewerkschaften (und damit mit der „sozialen Frage“ am Flughafen selbst) zu fördern und die Widerstände der in den letzten Jahren sehr „Standort-Deutschland“-freundlichen Politik der Gewerkschaftsführungen gegen eine umfassende Beteiligung an einer antikapitalistischen Bewegung überwinden zu helfen. Der RSB-München wird dazu beitragen.

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