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Innenpolitik

„Für Frieden, Recht und Freiheit“

Von Philipp Xanthos | 01.10.2009

Nur wenige Tage nach dem Massenmord in Afghanistan wurde auf dem Paradeplatz vor Jungs Kriegsministerium das neue Ehrenmal für die gefallenen deutschen Soldaten in feierlicher Zeremonie eingeweiht. Die kritische Aufmerksamkeit der Medien konnte nichts zur Aufklärung des NATO-Kriegsverbrechens in Afghanistan beitragen.

Nur wenige Tage nach dem Massenmord in Afghanistan wurde auf dem Paradeplatz vor Jungs Kriegsministerium das neue Ehrenmal für die gefallenen deutschen Soldaten in feierlicher Zeremonie eingeweiht. Die kritische Aufmerksamkeit der Medien konnte nichts zur Aufklärung des NATO-Kriegsverbrechens in Afghanistan beitragen.

Sie verhalf jedoch den versammelten Militarist­Innen zu den angemessenen besorgten Gesichtern. Anwesend waren neben ranghohen Militärs auch Horst Köhler und Bundestagspräsident Lammert.
Prediger des Krieges
Fehlen durften nicht die Segen spendende schwarze Kutte des Superintendenten Dutzmann und das lila Häubchen des Augsburger Bischofs Mixa, den beiden obersten Militärgeistlichen der BRD. Sie praktizierten an jenem Tag ihre besondere Form der Ökumene, die das Einheitsgefühl der beschworenen Volksgemeinschaft wohl noch steigern sollte. Mixa stellte in seiner Predigt brillant unter Beweis, dass er die etwas klein geratenen Worte auf dem Denkmal gelesen hatte: „Dieses Ehrenmal gibt keine Antwort auf die Frage nach dem warum ihres Todes“, er selbstverständlich auch nicht, „würdigt jedoch den Einsatz der Toten der Bundeswehr für Frieden, Recht und Freiheit.“ Nachdem beide mit dem Pathos von Ministranten einen Psalm vorgetragen hatten, wiederholte Dutzmann das Dogma von der heiligen Dreifaltigkeit: „Es geht um das Ansehen jener, die ihr Leben für Frieden, Recht und Freiheit ließen.“
Recht auf Wahrnehmung?
Er fand schließlich raffinierte Worte dafür, worum es bei dem neuen Ehrenmal eigentlich geht: „Die verstorbenen [!] und die lebenden Soldaten unserer Streitkräfte … haben ein Recht darauf, von der Gesellschaft wahrgenommen zu werden.“ Es sind also nicht die Generalstäbe, die alles tun, um die Machenschaften des militärisch-industriellen Komplexes im Inland und die verübten Kriegsgräuel im Ausland vor der Öffentlichkeit zu vertuschen, zu verdecken und zu verschleiern. Die Bevölkerung ist es, die kaltherzig Ohren und Augen verschließt. Anders ausgedrückt: Der bundesdeutsche Militarismus, unglückseliger Außenseiter im medialen Diskurs, darf nicht länger von der öffentlichen Wahrnehmung ausgeschlossen werden. „Die hier namentlich genannten Menschen“, so der evangelisch-reformierte Theologe weiter, „haben schließlich unseren Frieden, unser Recht und unsere Freiheit verteidigt.“ Nur geht es dabei um den „Frieden“ in einer festzementierten imperialistischen Weltordnung, um das Recht der deutschen Konzerne auf weltweite Kapitalverwertung und die Freiheit des Zugriffs der NATO-Staaten auf die Rohstoffquellen der Erde. Dutzmann zeigte auch Flexibilität bei der Auslegung des achten Gebots. In Anbetracht der Tatsache, dass drei Viertel der Bevölkerung den Afghanistanfeldzug ablehnen, predigte er: „Die Bundeswehr tut ihren Dienst im Namen aller Deutschen.“ Denn gerade, dass die Zustimmung für Auslands- wie Inlandseinsätze sich auf einem für die Befehlshaber unerträglichen Dauertief befindet, steht im Gegensatz zu den hohen Ambitionen des deutschen Imperialismus. Die Militarisierung der Gesellschaft ist notwendig, um diesen Konflikt zu lösen. Die Kriegspropaganda hat das „Recht auf Wahrnehmung“ und die Bevölkerung hat die „Freiheit“, sie zu glauben.
Rechte für die Lebenden!
Bei aller Sorge um die Soldat­Innen kommen die „Seelsorger“ nicht auf die Idee, etwa die Bespitzelung „unserer“ Soldat­Innen durch den Militärgeheimdienst zu kritisieren oder konkrete Rechte für sie zu fordern. Und auch, wenn Linke im Anblick von Uniformen noch immer Tucholsky zitieren, so wissen sie meist nicht, dass es für mehr als die Hälfte der seit 1955 „im Dienst Verstorbenen“ heißen müsste: „Soldaten sind Selbst-Mörder.“ Denn etwa 3 500 Soldat­Innen quittierten bislang den Dienst durch Selbstmord. Allein das spricht schon Bände über die Zustände in „unserer“ Armee. Auch deswegen müssen sich Linke und Revolutionäre für folgende Forderungen einsetzen:

  • •     Für uneingeschränkte gewerkschaftliche Rechte der Rekrut­Innen!
  • •    Bildung von Soldat­Innenkomitees!
  • •    Für die (Ab-)Wählbarkeit der Offiziere!
  • •    Abschaffung des Militärischen Abschirmdiens­tes!
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