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DIE LINKE

Für die Einheit der Linken und auch der linkesten Linken!

Von Manuel Kellner | 19.12.2005

Zur Verteidigung der isl-Entschließung vom 4. Dezember 2005

Der Diskussionsbeitrag von Michael Prütz und Winfried Wolf ist sehr zu begrüßen, vor allem, wenn er dokumentieren sollte, dass die Autoren die Beteiligung an unserem Meinungsbildungsprozess für politisch sinnvoll und wichtig erachten.

Weniger erbaulich ist der Ton des Beitrags, da er nicht die Solidarität der isl mit allen jenen begrüßt, die gegen die Tendenzen zur Anpassung und besonders gegen die Mitbeteiligung an und Mitverantwortung für neoliberale Regierungspolitik eintreten, sondern statt dessen nach dem Motto "viel Feind, viel Ehr" das Gerücht in die Welt zu setzen versucht, die Position der jüngsten bundesweiten isl-MV übertünche Differenzen mit "führenden Genossen" der isl. Wie wär’s übrigens mit Ross und Reiter? Wir formulieren unsere Positionen kollektiv, aber wir halten unsere Mitglieder nicht am Sektengängelbändchen. Die Klage, dass die Entschließung der isl sich nicht ausschließlich mit dem Berliner Konflikt (und auch nicht ausschließlich mit dem linken Parteibildungsprozess überhaupt) befasst, mag übersehen, dass das Gegenteil politizistischer und parlamentarischer Kretinismus wäre. Natürlich mögen sich manche durch Gewöhnung an die Höhenluft "großer" Politik weniger für die "Niederungen" der sozialen Bewegungen und der Straßenmobilisierungen interessieren…

Dass die Thesen "einstimmig" verabschiedet wurden, "irritiert" bzw. "verblüfft" die Autoren und veranlasst sie zu Unrecht zur Unterstellung, die Thesen würden reale Differenzen "umgehen". Nun waren am Sonntag auf unserer Mitgliederversammlung weder Michael Prütz und Winfried Wolf anwesend (und versäumten also den Versuch, uns zu mehr "Klarsicht" zu verhelfen), noch jene zwei Mitglieder, die (gemäß den bis zu dieser MV laufenden Diskussionen) möglicherweise gegen die Thesen hätten stimmen können (nicht etwa, weil sie die Regierungsbeteiligungslinie nicht strikt ablehnen – wie wir alle –, sondern weil sie den Kurs der Berliner WASG-Mehrheit für taktisch unklug halten). Die Unterstellung der beiden Autoren trifft ins Leere, und es wäre besser gewesen, vorher nachzufragen, bevor der isl herablassend "schlingern" unterstellt wird.

Michael Prütz und Winfried Wolf glauben, die isl-Thesen übertrieben die "Chance" der Herausbildung einer neuen politischen Kraft links von der SPD in Deutschland und unterschätzten die Gefahren. Steht hier etwa nichts auf dem Spiel? Der Meinung der Autoren nach gab es diese Chance bloß "in den Monaten Juni und Juli 2005" (der Genosse Winfried Wolf zumindest hat ja lange Zeit "abwartend" reagiert, bis er sich reichlich spät dazu entschloss, sich in den Prozess einzumischen). Wie das? Wurde diese Chance ab August 2005 etwa verspielt? Alle halten den Atem an. Aber nein – da "schlingern" die Autoren lieber ein bisschen: sie wurden nur "erheblich reduziert". Das ist eine Aussage, die zu nichts verpflichtet. Die Thesen der isl "klammern" angeblich jene "Prozesse", die eine Entwicklung des ganzen Projekts nach rechts beinhalten "weitgehend aus". Natürlich: "ausklammern" können die Autoren nicht sagen, denn das tun die Thesen ja nicht. Sie fassen sich in jeder Hinsicht kurz (und wiederholen nicht, was die vorherige bundesweite isl-MV in Hamburg im Mai und die NRW-weite isl-MV im Oktober klar und deutlich gesagt), insofern ist der behutsam-polemisch gemeinte Vorwurf des "weitgehend Ausklammerns" auf alle ihre Inhalte anwendbar. Der Ausgang des Prozesses der Herausbildung einer neuen linken Partei ist nach wie vor "offen", das sagen die Thesen, und darauf kommt es an. Sie benennen wie Michael Prütz und Winfried Wolf als Hauptproblem das Gewicht des Linkspartei.PDS-Apparats in Berlin und des von ihm vertretenen mitregierungsgeilen millerandistischen Milieus, und darauf kommt es an.

Michael Prütz und Winfried Wolf machen ein großes Fragezeichen hinter die Behauptung der isl-Entschließung, niemand würde "ernsthaft dafür plädieren, das Bemühen um eine Vereinigung auf Eis zu legen, weil die PDS an der Regierungsbeteiligung festhält." Würde doch dann die Regierungsbeteiligung in Berlin gemeinsam verantworteter "Sündenfall" der neuen Partei. Die Autoren hüten sich gleichwohl ausdrücklich zu sagen, dass sie in diesem Fall für eine Spaltung (bzw. für den Austritt aus dem Prozess) eintreten. Es ist ja leichter, andere des "Schlingerns" zu bezichtigen.

Die isl-Entschließung nennt Regierungsbeteiligung, Struktur, Selbstverständnis, Profil und angestrebte Rolle in den Parlamenten (in dieser Reihenfolge) als entscheidende Diskussionspunkte für die Herausbildung einer neuen Partei. Und sie schlägt eine Parteiform vor, in der "der Meinungskampf ungehindert organisiert werden kann". Das ist deutlich genug. Die isl gehört zu jenen, die dem millerandistischen Milieu und seinem Apparat den Kampf ansagen.

Ist es aber dann nicht besser, sich aus dem Prozess zu verabschieden und sich wieder im eigenen kleinen feinen und selbstredend linker als linken Milieu zu verkriechen? Michael Prütz und Winfried Wolf klammern ein wichtiges Problem aus: Die neue Partei kann Ausdruck eines Fortschritts des politischen Bewusstseins einer großen Zahl von abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen und Ausgegrenzten sein, ohne dass diese bereits grundsätzlich gegen die Mitregiererei oder gegen den Kapitalismus sind (auch wenn sie vielleicht dafür gewonnen werden können, konkret gegen das Mitregieren in Berlin zu stimmen). So hoch ist das politische Bewusstseinsniveau in Deutschland derzeit leider noch nicht, dass derlei garantiert wäre. Sich von diesen Menschen freiwillig abzuschneiden und sie dem millerandistischen Einfluss widerstandslos auszuliefern, anstatt mit ihnen zusammen zu kämpfen, zu diskutieren und zu lernen, das eben wäre verkehrt.

Die abschließenden Fragen von Michael Prütz und Winfried Wolf sind, soweit nicht ehrenrührig ("Unterstützt die isl das Recht der WASG Berlin, eigenständig über die Frage eines Antritts bei den Wahlen in Berlin zu entscheiden?"), von der isl-Entschließung selbst beantwortet. Wir verlangen in dieser Entschließung nämlich von der Linkspartei.PDS Berlin, die Mitregiererei aufzugeben und beschränken uns gegenüber der WASG Berlin auf den Rat, ihren guten Willen zur Beteiligung an der gemeinsamen Schaffung einer neuen starken politischen Kraft der Linken öffentlich möglichst klar zu dokumentieren. Was dies betrifft, so sollten Michael Prütz und Winfried Wolf nicht vernachlässigen, dass das, was im
linken Berliner Milieu selbstverständlich zu sein scheint, für Millionen abhängig Beschäftigte im Lande, die zum Beispiel noch nicht einmal im Traum die "junge Welt" lesen, bei weitem nicht klar und selbstverständlich ist.

Abschließend möchte ich zur Vermeidung aller Missverständnisse unterstreichen, dass die Autoren in unserem Diskussionszusammenhang nicht nur uns allen sondern auch sich selbst und überhaupt der gemeinsamen Sache nützlicher wären als außerhalb.

Manuel Kellner

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