270 000 Studierende und SchülerInnen waren es, die im vergangenen Juni auf die Straße gingen und protestierten – der zahlenmäßig größte Sektor der außerparlamentarischen Bewegung in 2009. Eine Welle von Besetzungen im Herbst erfasste 80 Hochschulen und Schulen.
Seitdem ist der Protest im Bildungsbereich ein Faktor in den sozialen Auseinandersetzungen in der BRD, mit dem die Herrschenden rechnen müssen. Gleichzeitig ist die Bewegung am Abflauen.
Bildungsstreik in Hessen
Das seit 1999 CDU-regierte Hessen (mit dem jämmerlichen Intermezzo Ypsilanti 2008) ist dabei das Bundesland, in dem bisher die Protestbewegung am stärksten weiterlebt. Eine Demonstration in Wiesbaden am 11. Mai brachte etwa 10 000 Studierende und DozentInnen des Landes auf die Straße. Sie protestierten gegen die Kürzungspläne der Landesregierung: 45 Mio. € bei Schulen und 30 Mio. € bei Hochschulen, was dem Abbau von etwa 800 Stellen entspricht. Und der kilometerlange Protestzug zeigte Wirkung: Einige Hochschul-PräsidentInnen verweigerten am selben Tag ihre Kooperation mit der Regierung oder ließen sich eine Unterzeichnung des umstrittenen „Hochschulpaktes“ zumindest offen. Damit war das Gesetz nicht vom Tisch, doch die Ereignisse zeigen, dass die Regierenden auf Hab-Acht-Stellung sind, wenn das Wort „Bildungsstreik“ erschallt. Nachdem der Pakt nun eine Woche später doch unterschrieben wurde, fanden in Gießen und Frankfurt Spontandemos mit einigen Hundert TeilnehmerInnen statt, in Marburg besetzten etwa 600 Studierende für eine halbe Stunde die Stadtautobahn. Bei derartigen Aktionen bleibt dann auch die Polizeirepression nicht aus. Die eingangs geschilderte Abfolge von „friedlichen Massenprotesten“ und viel kleineren und radikaleren Aktionen wiederholte sich hier im kleinen Maßstab.
„Stoppt den Schavaaansinn“
Weil der Protest ein ernst zu nehmender Faktor ist, wurden auch VertreterInnen des Bildungsstreiks mit in die nationale „Bologna-Konferenz“ von Bildungsministerin Schavan einbezogen, eine propagandistische „Dialog“-Veranstaltung. Diese verließen die Konferenz, die etwa in Leipzig live übertragen wurde, jedoch demonstrativ; zu offensichtlich waren Tagesordnung und Diskussions-Ergebnisse von der Regierung vorgegeben. Bei der Konferenz fiel auf, dass sich im Grunde nur unwesentliche Randfiguren zu Wort meldeten, die ProtagonistInnen auf Regierungs- und DirektorenInnenseite sich jedoch weise in Schweigen hüllten. Haupt-Diskussionspunkt waren die Abschlüsse Bachelor und Master.
Kontinuität erforderlich
Die Teilnahme von Bildungsstreik-VertreterInnen an einer solchen Konferenz offenbart einerseits, dass Teile der Bewegung sich als Politik-BeraterInnen sehen und ihre Zukunft selbst im parlamentarischen Tagesbetrieb verorten. Dass Bildungsministerin Schavan andererseits mit ihrer Propaganda-Show scheitert, zeigt, dass die herrschende Klasse selbst an innerem Zusammenhalt und Elan verloren hat. Der Wiederaufbau der Bildungsstreik-Bewegung erfordert Kontinuität bei den OrganisatorInnen und die Anknüpfung an die praktischen Bedürfnisse der Betroffenen: finanzielle Absicherung und Ende des krank machenden Leistungsdrucks. Deshalb ruft der RSB dazu auf, die lokalen Bildungsstreik-Bündnisse zu unterstützen und am 9. Juni mit auf die Straße zu gehen.