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Führte ein verlorenes Gefecht zum Massaker?

Von M. Anwar Karimi / B.B. | 01.01.2010

Spätestens seit dem Massaker an ca.150 Zivilisten im Dorf Haji Abdur R­ahman bei Kundus ist die wahre Natur des imperialistischen Krieges in Afghanistan bruchstückhaft an die Öffentlichkeit gelangt, aber die Bundesregierung und die bürgerliche Presse versuchen weiter vehement, mit Halbwahrheiten die Meinungen der Menschen zu manipulieren.

Spätestens seit dem Massaker an ca.150 Zivilisten im Dorf Haji Abdur R­ahman bei Kundus ist die wahre Natur des imperialistischen Krieges in Afghanistan bruchstückhaft an die Öffentlichkeit gelangt, aber die Bundesregierung und die bürgerliche Presse versuchen weiter vehement, mit Halbwahrheiten die Meinungen der Menschen zu manipulieren.

Fest steht, dass zwei amerikanische Kampfflugzeuge des Typs F-15 auf Anforderung von Oberst Klein, Kommandant der Bundeswehr im Feldlager Kundus, zwei Bomben mit je 250 Kilo Sprengstoff in eine Menge von Zivilisten, zum größten Teil Kinder und Jugendliche, warfen. Diese befanden sich in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2009 rund um zwei Tanklaster im Dorf Haji Abdur Rahman, sechs Kilometer südöstlich des deutschen Feldlagers in der Stadt Kundus. Ca. 150 Menschen starben.

Was die Bundesregierung aber noch verschweigt, ist der bewaffnete Konflikt der Bundeswehr, genauer die schweren Gefechte mit Aufständischen im selben Ort und am selben Tag, nämlich am 3. September 2009.
Das Verschweigen der Niederlage
Eine Lüge ist eine bewusste Unwahrheit. Diese kann aber auch durch das bewusste Weglassen von Informationen entstehen. Das ist im Fall des Massakers bei Kundus die vorangegangene Niederlage einer Bundeswehreinheit im Gefecht gegen Kämpfer der Taliban oder einer anderen Widerstandsgruppe.

Nach Zeit Online und dpa hatten Taliban eine Bundeswehreinheit am Donnerstagvormittag mit Handfeuerwaffen und Panzerfäuste angegriffen. Die Soldaten hätten das Feuer erwidert und vermutlich mindestens drei Angreifer getötet. „Nach neuesten Erkenntnissen wurden vier deutsche Soldaten verwundet“, hieß es bei der Bundeswehr. Sie seien ins Rettungszentrum des Wiederaufbauteams Kundus gebracht worden. Nach den Infos der Bundeswehr sind auch mehrere Fahrzeuge beschädigt worden. Eines hätte von den Deutschen selbst gesprengt werden müssen.

Nur in zwei kleinen Sätzen berichtete z. B. die Süddeutsche Zeitung vom 12./13.12.09, dass acht Stunden vor dem Luftangriff auf die beiden Tanklastzüge eine Einheit von Oberst Kleins „Provinz-Wiederaufbau-Teams“ alle acht Fahrzeuge verloren hätte, darunter mindestens ein Panzerfahrzeug – wohl bei einem Gefecht. Das von Oberst Klein zunächst angeforderte Bombenflugzeug, das später die Tanklaster entdeckte, sollte ursprünglich das zurückgelassene Panzerfahrzeug der Bundeswehr zerstören, damit die Technik nicht in die Hände der Aufständischen falle.

Sind die beiden bombardierten Tanklaster dieser Bundeswehreinheit abgenommen worden? Versuchte Oberst Klein die Niederlage seiner Einheit zu vertuschen bzw. wettzumachen, indem er den Einsatzbefehl zum Angriff auf die Tanklaster gab? Konservative politische und militärische Kreise können kein Interesse daran haben, eine Niederlage der Bundeswehr gegen die Taliban an die große Glocke zu hängen, weil sie eine Blamage wegen „militärischer Unfähigkeit“ weit mehr fürchten als den Widerstand der hiesigen Antikriegsbewegung.
„Kein Krieg“
Im neunten Jahr des Bundeswehrein­satzes in Afghanistan ist die Sicherheitslage so schlecht wie noch nie zuvor. Aktuell sind über 1 300 Bundeswehrsoldaten in einem Einsatz westlich von Kundus in die schwersten Gefechte seit Beginn der Entsendung verwickelt und verteidigen sich mit allem, was ihnen zur Verfügung steht. An einem wird aber in Regierungskreisen eisern festgehalten: Das ist kein Krieg!
Und trotzdem gibt es Gefallene – inzwischen 36 Soldaten. Mit Mandat vom Dezember 2001 durften bis zu 3 000 (inzwischen 4 600) Soldaten im Rahmen der International Security Assistance Force (ISAF) entsandt werden. Seit dem Frühjahr 2007 fliegen Flugzeuge vom Typ Tornado Aufklärungseinsätze und dürfen sich „verteidigen“, falls sie angegriffen werden.

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