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Länder

Frankreich: Wachsende Ablehnung der herrschenden Politik

Von Jakob Schäfer | 01.04.2010

Die Niederlage Sarkozys bei den Regionalwahlen vom 14. März war wirklich höher als erwartet. Seine UMP erhielt im ersten Wahlgang mit 26 % so wenige Stimmen wie nie zuvor die Konservativen in der V. Republik. Ein Teil der Stimmen ging allerdings zur faschistischen Front National (Le Pen), die sich auf 12 % steigern konnte, eine Folge der rassistischen Kampagne Sarkozys zum anvisierten Burka-Verbot und zur Debatte über die „nationale Identität“.

Die Niederlage Sarkozys bei den Regionalwahlen vom 14. März war wirklich höher als erwartet. Seine UMP erhielt im ersten Wahlgang mit 26 % so wenige Stimmen wie nie zuvor die Konservativen in der V. Republik. Ein Teil der Stimmen ging allerdings zur faschistischen Front National (Le Pen), die sich auf 12 % steigern konnte, eine Folge der rassistischen Kampagne Sarkozys zum anvisierten Burka-Verbot und zur Debatte über die „nationale Identität“.

Noch wichtiger als der Stimmenrückgang für die UMP ist der große Rückgang bei der Wahlbeteiligung: Nur 46,4 % der Wahlberechtigten gingen überhaupt wählen, ein Rückgang um 16 % gegenüber 2004 und ähnlich niedrig wie bei den Europawahlen im letzten Jahr. In vielen Arbeiter­Innenvierteln lag die Wahlbeteiligung nur bei ca. 30 %, in manchen sogar darunter. Hier kommt die wachsende Ablehnung gegenüber allen etablierten Parteien zum Ausdruck, erst recht, wenn mensch bedenkt, dass gerade dort, wo Minister kandidierten, die Niederlage der UMP besonders krass ausfiel.

Bei diesen Wahlen bewahrheitete sich allerdings auch wieder, dass bei einer wahlpolitisch zugespitzten Lage, der Drang, nützlich zu wählen, besonders stark ist. Die Sozialistische Partei (PS) konnte zwar nicht in absoluten Zahlen, wohl aber in Prozenten deutlich zulegen. Die radikale Linke insgesamt schloss dagegen enttäuschend ab. Die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) erzielte dort, wo sie kandidierte (entweder allein oder im Bündnis) im Schnitt 3,4 % der Stimmen, dort wo sie allein kandidierte 2,85 % (bei den Europawahlen 2009 waren es noch 4,98 % gewesen, nämlich 258 000 Stimmen mehr; das ist ein Rückgang um 35 %).

Die Gründe dafür liegen auf unterschiedlichen Ebenen: Der Hauptgrund ist das Ausbleiben größerer landesweiter Kämpfe, sodass weniger Zutrauen in die Machbarkeit der Gegenwehr entstand und die Ablehnung der herrschenden Politik sich auf die Wahlebene (und das „Nützlichwählen“) konzentrierte. Die Propaganda der NPA hatte deswegen weniger konkrete Beispiele und Bezugspunkte vorzuweisen. Zum Zweiten verfingen die Versprechungen der PS nicht zuletzt auch deswegen, weil die Front de Gauche (Kommunistische Partei, Linkspartei und Gauche Unitaire) erkennen ließen, dass sie die PS bei der Verwaltung der Regionen unterstützen wird. So hat Mélenchon, Gründer und Führungsfigur der Linkspartei (PdG), nach dem ersten Wahlgang erklärt: „Wir haben die Fortführung der verrotteten Allianz der Linken mit dem Zentrum unmöglich gemacht …“ und in Anspielung auf die NPA, die jegliche Mitverantwortung bei der Verwaltung des Staates ablehnt: „Die vereinigte Linke wurde [bei den Wahlen] der allein gehenden vorgezogen …“

Neben den oben genannten Hauptgründen mag für das etwas enttäuschende Abschneiden der NPA auch eine (kleine) Rolle gespielt haben, dass die Kandidatur einer Kopftuch tragenden Kandidatin (Südostfrankreich) so manche Wähler und vor allem Wählerinnen verunsichert hat (nur 35 % der NPA-Wähler­Innen waren Frauen; zum Teil mag auch die dann einsetzende rassistische Kampagne der Rechten gegriffen haben). Die Hauptrolle kann das aber kaum gespielt haben, denn auch die übrige radikale Linke hat schlecht abgeschnitten (LO kam nur auf 1,09 %), eben weil die verallgemeinerten Kämpfe noch ausgeblieben sind und deshalb das Nützlichwählen im Vordergrund stand. Vielleicht bewirken die Proteste vom 23. März gegen die Rentenreform eine Belebung der Gegenwehr.

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