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Länder

Eurokrise und Klassenkampf

Von Jakob Schäfer | 07.03.2012

Die Eurokrise erweist sich immer deutlicher als ein konkreter Ausdruck der Sys­temkrise des Kapitalismus. Die Krisen-Politik der Herrschenden ist vor allem Klassenkampf, aber die Arbeiter­Innenklasse, ist sich dessen kaum bewusst, mit am wenigsten in Deutschland.

Die Eurokrise erweist sich immer deutlicher als ein konkreter Ausdruck der Sys­temkrise des Kapitalismus. Die Krisen-Politik der Herrschenden ist vor allem Klassenkampf, aber die Arbeiter­Innenklasse, ist sich dessen kaum bewusst, mit am wenigsten in Deutschland.

Seit annähernd zwei Jahren versuchen die Regierungen auf EU-Ebene die Krise in den Griff zu bekommen. Stellenweise streiten sie auch, und zwar gemäß der jeweiligen mehrheitlichen Interessenlage des heimischen Kapitals, das beispielsweise in Großbritannien anders ist als in Griechenland oder Deutschland. Je mehr sich die Krise zuspitzt um so mehr kann das Gerangel zwischen den verschiedenen Kapitalfraktionen eines Landes sichtbar werden, aber im allgemeinen wird das gut verdeckt (siehe dazu den Artikel von Guenther Sandleben Seite 10 – 13). In zwei Dingen sind sie sich absolut einig:

Erstens wollen sie die Arbeiter­Innenklasse für die Krise zahlen lassen und betreiben dazu mit fortschreitender Krise einen immer schärferen Klassenkampf. Klasse gegen Klasse! Ihr Klassenbewusstsein ist ausgeprägt und entspricht ihrer Klassenlage.
Zweitens sind sie an einer Verkleisterung der wirklichen Vorgänge und der jeweiligen Interessenlagen interessiert. Dieser Kleister bricht heute in den von der Krise stärker erfassten Ländern erkennbar auf, aber in Deutschland hinkt bei der Arbeiter­Innenklasse das Bewusstsein noch deutlich hinterher.
Bourgeoisie
Wenn wir die „Zwischenklasse“ der Kleinbürger­Innen an dieser Stelle außer Acht lassen (sie machen in der BRD zwischen 5 und 6 % der Erwerbstätigen aus, die selbstständigen Bauern weniger als 1 %), so stehen sich in den modernen Industriegesellschaften im wesentlichen zwei Gesellschaftsklassen gegenüber: Die Bourgeoisie und die Klasse der Arbeiter_innen (zu letzterer s. S. 16.).

Die letztlich bestimmenden Teile (Schichten oder auch Subklassen) der Bourgeoisie sind die Kapitalbesitzer. Sie setzen sich zusammen aus den Eignern des Industrie- und Handelskapitals, der Kreditgeber und der Großgrundbesitzer (Immobilienbesitzer). Ihre Interessenlage ergibt sich daraus, dass sie direkt (Industriekapital) oder indirekt (alle anderen Kapitalfraktionen) von der Ausbeutung der Ware Arbeitskraft leben, und zwar in aller Regel äußerst gut. Sie sind nicht gezwungen, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten (sie können arbeiten, müssen aber nicht), wohingegen eine Arbeiterin/ein Arbeiter gerade darauf angewiesen ist, ihre/seine Arbeitskraft zu verkaufen.
Neben dieser – alles entscheidenden – Hauptschicht der Bourgeoisie müssen wir ihr aber noch mindestens zwei andere Schichten (Subklassen) zuordnen:

Erstens die hoch bezahlten Manager_innen, die formal in einem Angestelltenverhältnis stehen, in Wirklichkeit aber gerade nicht gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Das Durchschnittseinkommen liegt bei 92 000 €, aber es ist sehr ungleich verteilt. Nur ein paar Kostproben:Winterkorn: 9,3 Mio. €, Löscher 8,9 Mio., Zetsche 8,7 Mio. usw. Der Durchschnitt der Dax-Vorstands-Einkommen liegt bei 4,7 Mio. € (Einkünfte aus Beratungstätigkeiten und Aufsichtsratsposten in weiteren Unternehmen nicht mit gerechnet). Mindestens dieser Teil der Manager, die also zu den Einkommensmillionären gehören, sind weder Arbeiter­Innen noch Kleinbürger! Sie gehören zur Bourgeoisie und teilen deren Gesamtinteresse an der Aufrechterhaltung der Kapitalherrschaft.

Zweitens gibt es auch noch andere Reiche, die durch Erbschaft oder weit überdurchschnittliche Einkommen (Formel I Rennfahrer: ab 5 Mio. € aufwärts) ebenfalls schon nach wenigen Jahren nicht darauf eingewiesen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen.
Was sie alle eint….
ist ein Lebensstandard, der mit dem der Masse der Bevölkerung nichts zu tun hat. Heute gibt es in der BRD 960 000 Millionäre (2002 waren es „nur“ 760 000), davon 12 400 Einkommensmillionäre (2002 waren es „nur“ 9900). Sie leben gut in diesem System, weil die herrschende Gesellschaftsordnung ihnen garantiert, dass ihr Reichtum nicht nur aufgrund der Gesetze der Marktwirtschaft sondern auch mittels staatlicher Maßnahmen aufrecht erhalten und nach Möglichkeit vermehrt wird.
Gemeinsames Klasseninteresse
Es liegt darin, diese Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu verteidigen. Ihr Vermögen und ihre ständig weiterfließenden Einkommen sind dann am besten gesichert, wenn es andere gibt, die dafür bezahlen (oder bluten), am besten ohne dass sie das merken. Die tägliche Ausbeutung der Ware Arbeitskraft ist die ökonomische Grundlage dieser Verhältnisse.
Gemeinsamer Klassenkampf
Sie betreiben gemeinsam Klassenkampf gegen diejenigen, die angeblich „über ihre Verhältnisse leben“. Dazu gehören heute „die“ Griechen, morgen bei uns wieder die Lokführer_innen, Krankenschwestern usw.

An diesem Klassenkampf von oben haben die herrschenden Medien ein ebenso großes Interesse. Denn sie sind nicht einfach der Ausdruck von Meinungs- und Informationsfreiheit irgendwelcher (klassenunspezifischer) Bürger_innen, sondern ganz konkret das Sprachrohr eines bestimmten Teils der Bourgeoisie, eben der Kapitaleigner großer Medien(imperien).

Und die „Öffentlich-Rechtlichen“? Sie sind aufgrund des in den Rundfunkräten herrschenden Proporzes staatstragender Parteien auch nicht unabhängig. Die bürgerlichen Parteien sind durch tausend Fäden mit den Fleischtrögen des Systems verbunden und ihm zutiefst ergeben.

TiPP!
Dass Klassenlage und Klassenbewusstsein nicht automatisch in Einklang stehen ist die Ausgangsbeobachtung für Lenins Organisationstheorie. Ernest Mandel hat dies in seiner berühmten Schrift „Lenin und das Problem des proletarischen Klassenbewusstseins“ auf eindrucksvolle Weise dargelegt. Nachzulesen in Internationale Theorie Nr. 5, zu bestellen über die Publikationsseite.

 

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