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Betrieb & Gewerkschaft

Erneut willentlich große Chance vergeben

Von D.B. | 01.10.2006

Ähnlich wie im letzten Jahr hat der IG Metall-Apparat ganz bewusst die Gelegenheit nicht genutzt, einen attraktiven Abschluss durchzusetzen. Mehr sogar noch als im letzten Jahr, war der ökonomische Druck auf die StahlkapitalistInnen ganz gewaltig.

Ähnlich wie im letzten Jahr hat der IG Metall-Apparat ganz bewusst die Gelegenheit nicht genutzt, einen attraktiven Abschluss durchzusetzen.

Mehr sogar noch als im letzten Jahr, war der ökonomische Druck auf die StahlkapitalistInnen ganz gewaltig:

  • • In den letzten 30 Jahren betrug die durchschnittliche Auslastung der Stahlindustrie unter 80% (in manchen Jahren sogar näher bei 70%). In den letzten Jahren betrug sie weit über 90%, seit einem Jahr faktisch 100%.
  • • Die Umsätze in der Stahlindustrie sind im Zeitraum 1999 bis 2005 um 40% gestiegen, für 2006 wird eine weitere Steigerung von 5% erwartet.
  • • In der Gesamtindustrie belaufen sich die Lohnkosten auf 15%, in der Stahlindustrie auf 10%.
  • • Die Lohnstückkosten sinken beträchtlich, allein im Zeitraum 1995 – 2005 um 7%, ein Ergebnis der im selben Zeitraum um 37% gestiegenen Produktivität.
  • • Die Einstellung der Belegschaften war auch jetzt wieder: Wir müssten eigentlich an dem gewaltigen Umsatzplus beteiligt werden zumal wir deutlich weniger verdienen als in der Metallindustrie.

Die realen Erwartungen waren allerdings deutlich eingeschränkt. Zu oft haben die KollegInnen ihre Erfahrungen mit der Tarifpolitik der Gewerkschaft gemacht. Deshalb hatte die Bezirksleitung Besserung gelobt und eine „transparentere Tarifpolitik“ versprochen. Die Warnstreikbeteiligung war deswegen gar nicht so überwältigend. Allein die riesige Angst vor einem Streik hat das Kapital sehr schnell dazu bewegt, ein für den IGM-Apparat akzeptables Angebot zu machen.

Und der bürokratische Apparat hat auch dieses Mal bewiesen, dass er seine aufgestellten Forderungen überhaupt nicht ernst meint. Gefordert wurden 7% bei einer Laufzeit von 12 Monaten, ein Tarifvertrag „demografischer Wandel“ (früheres Ausscheiden älterer Kollegen und mehr Azubis), und Lernmittelfreiheit für die Azubis.

Zwar wurde der Tarifvertrag „demographischer Wandel“ in Ansätzen durchgesetzt, ist aber in der Definition viel zu vage. Wichtiger wäre eine bedeutende Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich gewesen. Die Lernmittelfreiheit für Azubis ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und hat dem Kapital kaum was gekostet.

Die Änderung in den Lohntabellen ist mehr als bescheiden: 1. gehen nur 3,8% in die Tabelle ein, bei der Laufzeit von 17 Monaten bedeutet im Jahr nur knapp 2,7%. Der Pauschalbetrag von 500 Euro für 4 Monate (Sep.-Dez. 06) ist kein berauschender Betrag. Und die Einmalzahlung von 750 Euro wurde auch noch mit dem Begriff „Gewinnbeteiligung“ betitelt, ein ideologisches Einfallstor für eine Tarifpolitik mit betrieblich differenierten ertragsabhängigen Komponenten, wie sie der heutige zweite Vorsitzende Huber seit Jahren favorisiert. Der Bezirksleiter von NRW, Wetzel, möchte Huber gerne beerben, wenn dieser (hoffentlich nicht) im nächsten Jahr zum ersten Vorsitzenden aufsteigt.

Unterm Strich hat die NRW-Bezirksleitung (selbstverständlich in enger Absprache mit dem Vorstand der IGM) wieder einen Abschluss getätigt, der ganz bewusst die Chance für eine tarifpolitische Wende verstreichen lässt. Wichtiger als die materiellen Interessen der KollegInnen und wichtiger als die Chance, damit der Gewerkschaft neue Glaubwürdigkeit zu verleihen, war es den BürokratInnen ganz offensichtlich, die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals zu erhalten.

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