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Innenpolitik

Ergebnis der Europawahl 2009 in der BRD

Von B. B. | 01.07.2009

Das Ergebnis der Europawahl wird in den bürgerlichen Medien als Riesenschlappe für die Sozialdemokratie thematisiert. So titelte die Süddeutsche Zeitung „Debakel für die SPD“. Wer den Vergleich zur vorhergehenden Europawahl zieht, wird jedoch feststellen, dass die SPD ganze 76 268 Stimmen weniger als 2004 hat. Die CDU hat jedoch 1 343 014 Stimmen verloren. Die CSU ging um 167 123 Stimmen zurück.

Das Ergebnis der Europawahl wird in den bürgerlichen Medien als Riesenschlappe für die Sozialdemokratie thematisiert. So titelte die Süddeutsche Zeitung „Debakel für die SPD“. Wer den Vergleich zur vorhergehenden Europawahl zieht, wird jedoch feststellen, dass die SPD ganze 76 268 Stimmen weniger als 2004 hat. Die CDU hat jedoch 1 343 014 Stimmen verloren. Die CSU ging um 167 123 Stimmen zurück.

Das zeigt, dass die bürgerlichen Medien wie die bürgerlichen politischen Parteien die Wahlen allein nach den Prozentzahlen beurteilen. Aber selbst nach diesem Kriterium ist die Gewichtung der Verluste von SPD und CDU/CSU nicht ganz nachzuvollziehen. Schließlich berichtet auch die SZ, dass die SPD ein Mandat gewonnen, CDU/CSU aber sieben Abgeordnete verloren hat.
Die Gewinnerin der Europawahl ist die neoliberale FDP. Sie gewann 1 321 900 Wähler­Innen. Das, was CDU/CSU verloren haben, hat die FDP gewonnen. Die Grünen haben um 114 093 Stimmen zugelegt.
Die Parteien der „sozialen Marktwirtschaft“
Unter dem Eindruck der tiefen Krise spucken CDU/CSU, SPD und Grüne „linke“ Töne. Auf dem Parteitag der CDU in NRW kritisierte Jürgen Rüttgers den „Turbokapitalismus“. Er will, dass sich die „wirtschaftlichen Eliten“ wieder zur „sozialen Marktwirtschaft“ bekennen. Politiker­Innen der Grünen prangern den „Casinokapitalismus“ an. Franz Müntefering bezeichnet Manager schon mal als „Gangster“ und „Halbstarke“ oder „Pyromanen, die Spaß daran haben, das Ganze abzubrennen“. Seine SPD griff die FDP im Europawahlkampf mit dem Slogan an: „Finanzhaie würden FDP wählen“.

Durch die Umstände gezwungen, mussten CDU/CSU und SPD die Hypo Real Estate (HRE) enteignen und angeschlagenen Unternehmen Milliardenkredite gewähren. Dabei tritt die Große Koalition nicht nur als Retter der Banken und des Finanzsystems auf, sondern auch als Verteidigerin von Arbeitsplätzen (z. B. Opel). Die Parteien, die vom Neoliberalismus eine halbe politische Wende zur „sozialen Marktwirtschaft“ machten, erhielten 18,6 Mio. Stimmen (2004: 20 104 596). Wird das Ergebnis der FDP addiert, dann haben die Parteien der sozialen und der neoliberalen Marktwirtschaft 21 519 615 Stimmen (21 670 027) erhalten. Das heißt: Unter den Bedingungen seiner schärfsten Krise seit Jahrzehnten erweist sich der Kapitalismus in der BRD noch als außerordentlich politisch stabil. Die offen bürgerlichen Parteien konnten so viele Wähler­Innen mobilisieren wie 2004.
FDP als offene Verteidigerin des Neoliberalismus
Einzig die FDP hat diesen sozialdemagogischen Schwenk nicht mitgemacht. Zwar musste auch sie für die Verstaatlichung der HRE stimmen, trat aber gegen die „Enteignung“ der Bank als Verteidigerin der Marktwirtschaft auf. Das machte sich bei der Europawahl bezahlt. Denn während manche Lohnabhängige froh sind, dass Gelder zur Rettung von Unternehmen fließen (zur „Sicherung von Arbeitsplätzen“), und selbst gegen Banken und Manager­Innen wettern, stößt die „Kapitalismuskritik“ von Grünen, SPD und CDU/CSU viele Selbstständige, gehobene Schichten der Arbeiter­Innen, Angestellten und Beamt­Innen sowie Kapitaleigner­Innen und ihr Leitungspersonal ab.
Die Linke
Die Gesamtlinke wurde bei den Europawahlen fast ausschließlich von der Partei Die Linke vertreten. Sie konnte 389 216 Wähler­Innen gewinnen und kommt auf fast 2 Mio. Wähler­Innen. In den westlichen Bundesländern wählten 805 017 Menschen Die Linke. 2004 waren es nur 324 887 Wähler­Innen gewesen. Sie hat dort ihr Ergebnis mehr als verdoppelt. In Ostdeutschland (ohne Berlin) wählten 1 036 981 Menschen Die Linke. In Westberlin erhielt Die Linke 30 526 Stimmen (2004: 20 370), in Ostberlin 95 801 Stimmen (112 011). Insgesamt bekam sie in Berlin 126 327 Stimmen (132 381).
Ergebnis in Ostdeutschland
In den neuen Ländern (ohne Berlin) verloren die CDU 198 873 und Die Linke 84 860 Stimmen. Die SPD gewann 15 525, die Grünen 31 983 und die FDP 175 015 Stimmen. Der Block der Parteien der „sozialen Marktwirtschaft“ kam hier auf 2 441 650 Stimmen (2004: 2 593 015). Er hat rd. 150 000 Wähler­Innen verloren, die überwiegend zur FDP gingen. Einschließlich der FDP erhielten die offen bürgerlichen Parteien 2 835 668 (2 812 018) Stimmen.

Dass Die Linke unter den sozialen Bedingungen in Ostdeutschland im Allgemeinen und der Krise des Kapitalismus im Besonderen gegenüber der vorhergehenden Europawahl verlor, während die FDP ihr Ergebnis fast verdoppeln konnte, zeigt einen besorgniserregenden Trend zu konservativen Lösungsmodellen, obwohl Die Linke in Ostdeutschland bereits eine Massenpartei ist.
Unter dem Eindruck der Krise ist der reale Wechsel von Lohnabhängigen nach links ziemlich bescheiden. Wer die „Kapitalismuskritik“ von Grünen, SPD und CDU/CSU für unglaubwürdig hielt, ging zu Die Linke. Das war eine bewusste Entscheidung. Aber viele Wähler­­Innen, auf die Die Linke gehofft hatte, hielt die soziale Demagogie von Grünen, SPD und CDU/CSU ab, zur Linkspartei zu gehen.
Die Anfänge einer parteipolitischen Polarisierung zwischen „rechts“ und „links“, die ein indirekter Ausdruck der Klassenspaltung der Gesellschaft ist, zeigen sich aber gerade in den Gewinnen für FDP einerseits und ganz begrenzt in denen für Die Linke andererseits.

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