TEILEN
Innenpolitik

Erfolgreicher Widerstand

Von Walter Weiß | 01.05.2009

In der Februarausgabe von Avanti berichteten wir über die Auseinandersetzung um die Heizkostenpauschale zwischen den Betroffenen und der Arbeitsgemeinschaft für die Stadt Hagen (ARGE). Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Widerstand nicht nur sinnvoll, sondern auch erfolgreich sein kann.

In der Februarausgabe von Avanti berichteten wir über die Auseinandersetzung um die Heizkostenpauschale zwischen den Betroffenen und der Arbeitsgemeinschaft für die Stadt Hagen (ARGE). Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Widerstand nicht nur sinnvoll, sondern auch erfolgreich sein kann.

In einer neuen Weisung der Stadtverwaltung Hagen (Ruhr) an die ARGE wird seit dem Herbst 2008 ausgeführt: „Grundlage für die Ermittlung des Bedarfs ist § 22 SGB II. Danach gehören neben den Unterkunftskosten auch die tatsächlichen Heizkosten zum Bedarf, soweit diese angemessen sind. Nach der … Rechtssprechung ist diese Formulierung des Gesetzes so zu verstehen, dass die Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Heizkosten durch Pauschalen nicht möglich und zulässig ist“.
Neue Situation
Es bedurfte jahrelanger Proteste, Widersprüche und Klagen der Betroffenen, um die Stadt Hagen dazu zu bewegen, ihre rechtswidrige Kürzungs- und Pauschalisierungspraxis aufzugeben. In ihrem Info Nr. 3 vom April 2009 dokumentiert die Gruppe Weiße Taube, zu der auch einige Betroffene gehören, den aktuellen Stand der Dinge. Mittlerweile hatten sieben Betroffene am 31.10.2008 Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gegen die Verantwortlichen in der Hagener Stadtverwaltung gestellt.

Der in unserem Artikel „Sinnvoller Widerstand“ erwähnte Aktivist Heinz O. erhielt am 23.11.2008 einen Bescheid, dass ihm 1200 Euro bewilligt worden seien, seine gesamten Heizkostenschulden.  Zwei Jahre war ihm diese Zahlung verweigert worden, und er vermutet wohl zu Recht, dass dieses zeitliche Zusammentreffen kein Zufall war. „Es zeigt sich für uns zum wiederholten Male, dass es sich sehr wohl lohnt, für die eigenen Rechte aktiv und unbequem zu werden (Info 3).
Reaktion der Justiz
Die erste Antwort der Organe der bürgerlichen Rechtspflege erhielten die Sieben am 22.11.2008. Herr Münker, der zuständige Hagener Oberstaatsanwalt, teilte mit, dass die Einleitung von Ermittlungen nicht in Betracht komme. Daraufhin legten die KlägerInnen nach und reichten fristgerecht Beschwerde beim Generalstaatsanwalt in Hamm ein. Doch dieser teilt am 28.1.2009 im gleichen Tenor mit, dass er „keinen Anlass gesehen“ habe, „die Aufnahme von Ermittlungen gegen die Beschuldigten anzuordnen“.

Das sahen die Betroffenen ganz anders und fassten ins Auge, unter Einbeziehung eines Rechtsanwalts ein Gerichtsurteil gegen diese Entscheidung zu erwirken. Der anwaltliche Rat fiel ernüchternd aus. Die spezielle Auslegung der Rechtsbeugung in der deutschen Rechtssprechung lasse keine Möglichkeit zu, die Verantwortlichen auf diese Weise zur Rechenschaft zu ziehen. Der gangbare Weg sei die Dienstaufsichtsbeschwerde.

Um die realen – also nicht pauschalisierten – Heizkosten erstattet zu bekommen, müssen die betroffenen ALG II-BezieherInnen den Weg über die Sozialgerichte gehen. Das ist also die Richtung, die die Sieben beschreiten wollen.

Allerdings will die Stadt Hafen nur nichtgezahlte Heizkosten bis Anfang 2008 rückwirkend erstatten. Diese Ansicht steht in diamentralem Gegensatz zu einer Entscheidung des Landessozialgerichts vom 28.09.2005. Dort heißt es: „Bei Unterlassen örtlicher Nachforschungen liegt die Beweislast für das Vorliegen unwirtschaftlichen Heizens beim Träger von SGB-II-Leistungen… In Übereinstimmung mit der wohl absolut herrschenden Meinung wird angenommen, dass sich die Angemessenheit der im Einzelfall nach § 22 SGB II zu übernehmenden Heizkosten aus der Höhe der vom Leistungsempfänger zu zahlenden Abschläge ergibt, solange keine Hinweise auf missbräuchliches Heizverhalten vorliegen“. Hieraus schlussfolgern die KlägerInnen, dass die tatsächlichen angemessenen Heizkosten von der Stadt Hagen rückwirkend bis zum 28.09.2005 nach Recht und Gesetz zu erstatten sind. Auf dies Urteil sollte sich jeder betroffene Hagener berufen. Anträge können bei der Gruppe Weiße Taube Hagen angefordert werden.
Resümee
Die KlägerInnen nehmen also die Mühen der Ebene auf sich. Sie liegen sicher richtig, wenn sie ihren aktuellen Erfolg als „Etappensieg“ definieren. Erfahrungsgemäß wird die vielköpfige bürokratisierte Hydra ARGE ihnen noch viele Steine in den Weg legen. Doch vielen Betroffenen steht in finanzieller Hinsicht das Wasser bis zum Hals und das Bekanntwerden eines erfolgreichen Widerstands wird Kreise ziehen. Nach Meinung der Akteure soll ein Flächenbrand entstehen. Ein wichtiger Beitrag zum Aufbau einer außerparlamentarischen Opposition, denn realistisch betrachtet haben die Langzeiterwerbslosen keine politische Lobby. Erneut gilt: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Ähnliche Artikel
Zur Startseite