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Betrieb & Gewerkschaft

Ein Besuch bei Bike-Systems

Von Barbara Schulz | 01.10.2007

Dies ist ein sehr subjektiver Bericht von einem Besuch in Nordhausen Mitte August. Wer sich Informationen über Bike-Systems im Internet zusammengoogelt, wird breit informiert. Die TAZ z.B. hat einen guten Artikel veröffentlicht, der auf konkreter Arbeit vor Ort basiert. Ein Besuch bei Bike-Systems beginnt damit, dass sofort Kaffee angeboten wird, na ja und eine Bockwurst gehört auch dazu und als Krönung selbst eingelegte Gurken, die wirklich schmecken…

Dies ist ein sehr subjektiver Bericht von einem Besuch in Nordhausen Mitte August. Wer sich Informationen über Bike-Systems im Internet zusammengoogelt, wird breit informiert. Die TAZ z.B. hat einen guten Artikel veröffentlicht, der auf konkreter Arbeit vor Ort basiert.

Ein Besuch bei Bike-Systems beginnt damit, dass sofort Kaffee angeboten wird, na ja und eine Bockwurst gehört auch dazu und als Krönung selbst eingelegte Gurken, die wirklich schmecken. Bei den 125 Kolleginnen und Kollegen, die ihren Betrieb durch permanente Anwesenheit „besetzen”, herrscht eine sehr vertraute Atmosphäre. Der Ausspruch: „Wir sind eine Familie”, mehrfach kolportiert, sollte ernst genommen werden.

Im Gespräch wird aber auch etwas deutlich, was mensch nicht unterschätzen darf. Hier wird etwas verteidigt, was altmodisch „Arbeiterehre” genannt werden kann, natürlich ist es auch die Ehre der Arbeiterinnen, die knapp die Hälfte der Beschäftigten ausmachen. Im Hintergrund gibt es ein Bewusstsein davon, dass mensch sich nicht einfach beiseite schieben lassen will; ein Bewusstsein davon, etwas zu können und ein Recht darauf zu haben, nicht einfach wie ein überflüssiger Gegenstand weggelegt zu werden. Viele sind mit ihrem Arbeitsort und ihrem Wohnort emotional verbunden. Ein Häuschen mit Garten im Harzvorland ist ja auch was!

Die spürbare Furcht vor Hartz IV macht hartnäckig. Frauen, die ihre eigene Erwerbsbiographie haben, können sich nur schwer vorstellen, als Teil einer Bedarfsgemeinschaft wieder abhängig zu sein. So wird versucht, den Alltag nicht auszublenden, die Urlaubsliste wird „abgearbeitet”, und wer zurückkommt, zeigt Urlaubsbilder. Die Stadt und die Region werden einbezogen in die Öffentlichkeitsarbeit, es besteht ein großes sympathisierendes Umfeld.
Konkrete Ziele
Dabei sind die Ziele sehr konkret, zumindest anständige Abfindungen, wenn mit dem Jahresende die Lohnzahlungen aufhören, am liebsten wäre ein Investor, der wirklich produzieren will. Welche Zugeständnisse die KollegInnen machen würden, obwohl schon jetzt kaum mehr als 1000 Euro verdient werden – wer weiß? Mit leichtem Befremden werden die guten Vorschläge von außen betrachtet, auch das Flugblatt des RSB. Die Äußerung: Es gibt keinen Herrn Lone Star, den man ansprechen kann, ist doch sehr realistisch! Das Symbol der Heuschrecke – für mich mit Vorsicht zu verwenden – ist am Eingang präsent, kann mensch aber eine Heuschrecke enteignen? Auch das Beispiel Lip (1973 unter ArbeiterInnenselbstverwaltung besetzte Uhrenfabrik in Frankreich) zieht nicht, es gibt keine Grundlagen, die Produktion weiterzuführen, allein die leeren Werkshallen geben Auskunft. Der Bau von „ökologischen” Fahrrädern läuft genauso ins Leere. Gegenwärtig gibt es auch keine Eintrittswelle in die IG Metall.

Vor dem Zaun stehen lange Bänke, darauf sitzen vor allem Frauen, schwätzen und freuen sich über das Hupen aus Autos, Bussen, ja Polizeiwagen und rufen per Mega die LKW-Fahrer mit Vornamen, die haben sie ja meistens im Fahrerhaus platziert, und bedanken sich!

Was wir achten sollten, ist der hohe Grad an Selbstorganisation, das Vertrauen in die eigene Kraft, auch wenn die Lage wirklich nicht rosig ist. Was als Alternative zur Marktwirtschaft gedacht wird, die lauthals „Scheiße” genannt wird, habe ich nicht erfragt. Unterstützend wirken können wir sicher, indem wir die Arbeitskämpfe publik machen, indem wir sie, soweit möglich, materiell unterstützen und indem wir den Menschen zuhören. Wenden wir uns wieder stärker den Fragen des Alltagslebens zu! 

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