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Betrieb & Gewerkschaft

Die zehn Lügen des Herrn Mehdorn

Von Daniel Berger | 01.12.2007

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In einer massiven Anzeigenkampagne hetzt der Bahnvorstand gegen die GDL und scheut dabei nicht vor den dreistesten Lügen zurück. Auf einige wollen wir eingehen. Neben den diversen Interviews strotzt vor allem die ganzseitige Anzeige vom 15. November in sehr vielen Tageszeitungen nur so vor Unwahrheiten. Schon die Überschrift „Stoppen Sie diesen Wahnsinn, Herr Schell!“ ist an Demagogie und Frechheit kaum zu überbieten.

In einer massiven Anzeigenkampagne hetzt der Bahnvorstand gegen die GDL und scheut dabei nicht vor den dreistesten Lügen zurück. Auf einige wollen wir eingehen. Neben den diversen Interviews strotzt vor allem die ganzseitige Anzeige vom 15. November in sehr vielen Tageszeitungen nur so vor Unwahrheiten.

Schon die Überschrift „Stoppen Sie diesen Wahnsinn, Herr Schell!“ ist an Demagogie und Frechheit kaum zu überbieten. In übelster Manie soll hier der Eindruck verbreitet werden, als der Kampf der LokführerInnen und des sonstigen Fahrpersonals d.h. also ZugbegleiterInnen und KollegInnen der Gastronomie sei vom Herrn Schell angezettelt und werde gegen den Willen und unabhängig von den Interessen der KollegInnen durchgedrückt. Das überwältigende Urabstimmungsergebnis (95,8%)und die fast ausnahmslose Streikbeteiligung der Mitglieder (soweit sie eben keine Beamten sind und überhaupt streiken dürfen) interessiert diese Herren und wenigen Damen nicht. Die LokführerInnen als willenlose Geschöpfe darzustellen sollte für sich genommen schon Grund genug sein, jetzt erst recht zuzulangen.
Lüge Nr. 1
„Wir bieten den Lokführern bis zu zehn Prozent mehr Gehalt.“ Selbst einige bürgerliche Medien haben dazu angemerkt, dass das Angebot nur 4,5% beträgt. Die zusätzliche Aufforderung, zwei Stunden länger zu arbeiten (und diese dann im Gegensatz zur letzten Arbeitszeitverlängerung auch zu bezahlen) kann nicht als eine Anhebung der Gehälter verkauft werden.
Lüge Nr. 2
„Wir bieten den Lokführern eine Einmalzahlung von 2 000 Euro noch in diesem Jahr“. Hier handelt es sich lediglich um die Bezahlung von schon geleisteten Überstunden, die auch der Transnet zugestanden wurde. Zu den Überstunden müsste es nicht kommen, wenn die Bahn endlich mehr Lokführer einstellen würde. Sie müsste halt nur ein anständiges Gehalt bieten und nicht wie in der DB Zeit vorgesehen (s. Kasten).
Lüge Nr. 3
„Wir bieten den Lokführern freizeitfreundlichere Schichtpläne.“ Bis jetzt ist die Bahn überhaupt nicht bereit, die so genannten langen freien Wochenenden bereits am Freitagabend beginnen zu lassen. Zurzeit beginnen sie am Samstag um 14.00 Uhr und enden am Montag um 6.00 Uhr. Von dieser Sorte Wochenenden haben die LokführerInnen im ganzen Jahr gerade mal 13 an der Zahl.
Lüge Nr. 4
„Wir bieten den Lokführern neue Gehaltsstrukturen mit besseren Aufstiegschancen.“ Die neuen Gehaltsstrukturen sind durch nichts dargelegt worden. Dies wird nur in der Öffentlichkeit so behauptet. Die „Aufstiegschancen“ sind reine Augenwischerei, denn ein Lokführer kann nicht zum Piloten aufsteigen. Wohin soll er denn aufsteigen?
Lüge Nr. 5
„Sie dagegen sind nicht einmal bereit, auf dieser Basis […] mit uns auch nur zu verhandeln.“ Würden tatsächlich 10% geboten, würde tatsächlich ein Angebot über familienfreundlichere Schichtpläne und längere und häufigere freie Wochenenden vorliegen, würde die GDL sehr wohl verhandeln. Das hat sie immer wieder klar gemacht.
Lüge Nr. 6
„Sie wollen einzig und allein Ihre Funktionärsmacht stärken.“ Auch das ist eine freche Lüge, denn wer Augen und Ohren hat, der/die kann sehr wohl mitbekommen, wie groß die Wut der KollegInnen auf den Bahnvorstand ist, und wie sehr sie substantielle Einkommenssteigerungen und andere Arbeitsbedingungen wollen. Es sind seit Wochen die LokführerInnen (und nicht der GDL-Vorstand), die auf einen unbefristeten Streik (vor allem im Güterverkehr) drängen, um möglichst umgehend den Bahnvorstand zum Eingehen auf die berechtigten Forderungen der KollegInnen zu zwingen.
Lüge Nr. 7
„Sie wollen, dass künftig in diesem Land jede Minderheit von nicht einmal drei Prozent einer Belegschaft mit einem eigenen Tarifvertrag jederzeit ein Unternehmen und ein ganzes Land erpressen kann.“ Hier geht es nicht um Erpressung, sondern um die Durchsetzung berechtigter Interessen der LokführerInnen. Dabei ist der Bahnvorstand der Gegner und nicht das Land, auch nicht die Pendler. Denn welches andere Mittel als den Streik hat eine Gewerkschaft?
Lüge Nr. 8
„Wenn das Schule macht, haben wir in Deutschlands Unternehmen bald das Tarifchaos.“ Die Tarifvielfalt liegt nicht in der Verantwortung der GDL sondern zuerst und vor allem ist sie eine Folge der Konzernaufspaltung und der Politik des Bahnvorstands, der mit allen Mitteln die einzelnen Beschäftigtengruppen gegeneinander ausspielt (s. Kasten).
Lüge Nr. 9
Die Wirtschaftsverbände und politischen Parteien „fordern uns auf, nicht zuzulassen, dass die bewährte Tarifeinheit in Deutschland zerstört wird.“ Die Wirtschaftsverbände und die Politik machen ja das genaue Gegenteil. Sie haben in allen nur denkbaren Bereichen Absenkungstarifverträge und Abweichungen von den Flächentarifverträgen (teils gegen heftigen Widerstand) durchgesetzt. Im Einzelhandel verweigern sich die Unternehmerverbände einem neuen Tarifvertrag und wollen ihren Verband auflösen. Die Tarifeinheit wird nur dann gefordert, wenn sich kämpferische Belegschaftsteile für einen besseren Tarifvertrag engagieren. Dann sollen sie an einen bestehenden schlechten Tarifvertrag gefesselt werden.
Lüge Nr. 10
„Uns geht es darum, etwas für die Lokführer zu tun.“ Würden der Bahnvorstand das wirklich wollen, würde er nicht den Konflikt personalisieren und den Herrn Schell dämonisieren. Er würde dann endlich ein akzeptables Angebot vorlegen. Dafür ist es höchste Zeit. Wer kämpft kann gewinnen, wer nicht kämpft hat schon verloren.

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Unterschiedliche Tarifverträge – Wer ist schuld?
Im Bereich der Bahn existieren heute etwa 200 verschiedene Tarifverträge. Sie regeln z. T. sehr unterschiedliche Angelegenheiten, aber auch z. T. gleiche Regelung
sgegenstände, aber für unterschiedliche Bereiche oder Beschäftigtengruppen. So gibt es selbst innerhalb der Gruppe der Schlosser verschiedene Tarifverträge, je nachdem ob sie an der Instandhaltung der ICE arbeiten oder an anderen Zügen. Solange diese Zersplitterung im Interesse des Bahnvorstands war, weil damit die Beschäftigten gut aufgeteilt werden konnten, war bzw. ist die Unterschiedlichkeit der Tarifverträge offenbar „voll in Ordnung“.

D. B.

Wer zersplittert hier was?
Die Eisenbahnerbelegschaft wurde vom DB-Vorstand seit 1996 massiv zerschlagen. Schenker wurde privatisiert und ausgegliedert und nur aus übergeordneten Konzerninteressen wieder integriert, hat aber eigene Tarifverträge (50 000 Beschäftigte). Auch Bax Global (20 000 Beschäftigte) ist innerhalb des Konzerns eigenständig und hat eigene Tarifverträge. In der DB Zeit (die Zeitarbeitsfirma der DB) gelten sowieso andere Tarifbestimmungen (nicht nur bei der Bezahlung).
Die DB Zeit wolle auch einen TV im Bereich Lokführer mit der GDL abschließen und zwar mit 8,50 € bei 32 Stunden, was auf 1088 € hinausliefe. Die Bahn will 1000 neue Lokführer einstellen (tatsächlich sucht sie schon seit dem Frühjahr) und zwar eigentlich bei der DB Zeit. Eventuell wird alles anders, wenn es zur Gründung einer weiteren Firma kommt, die dann der GDL einen eigenständigen TV anbieten kann.

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