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Innenpolitik

Die Verteidigungspolitischen Richtlinien 2003

Von Eirik | 01.07.2003

Am 21. Mai veröffentlichte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die  Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR 2003). Die Thesen dieses knapp zwei Dutzend Seiten umfassenden Papiers sind "verbindliche Grundlage für die Arbeiten im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung". In ihnen sind die Prinzipien der aktuellen deutschen Militärpolitik enthalten. Sie lösen die VPR des damaligen Kriegsministers der Kohlregierung, Volker Rühe (CDU), von 1992 ab.

Am 21. Mai veröffentlichte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die  Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR 2003). Die Thesen dieses knapp zwei Dutzend Seiten umfassenden Papiers sind "verbindliche Grundlage für die Arbeiten im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung". In ihnen sind die Prinzipien der aktuellen deutschen Militärpolitik enthalten. Sie lösen die VPR des damaligen Kriegsministers der Kohlregierung, Volker Rühe (CDU), von 1992 ab.

Diese definierten als "vitales Sicherheitsinteresse" der Bundesrepublik die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung". U.a. der militärische Beitrag sollte die Grundlage für die Einflußnahme auf internationale Institutionen und Prozesse im Sinne deutscher Interessen bilden.

Solche Brisanz und Offenheit fehlt in den VPR 2003. Sie ist verdeckt von ideologischen Versicherungen der guten Absicht, z.B. gegen Terror und Unrecht, für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen zu wollen, und muss deshalb erst freigelegt werden. Die "Richtlinien" sind erst im Zusammenhang mit der kriegerischen, imperialen und kapitalistischen Wirklichkeit zu verstehen.
Stabilitätsraum EU
In den VPR 2003 stellt sich die militär- und sicherheitspolitische Lage Deutschlands wie folgt dar: Deutschland sei Teil des Stabilitätsraumes Europa, dessen Kern die EU bilde. Europa sei verbunden und verbündet mit Nordamerika (USA und Kanada), zusammen bilden sie den transatlantischen Stabilitätsraum.

Eine Bedrohung des deutschen Territoriums durch konventionelle Streitkräfte bestehe derzeit nicht. Deutsche Interessen stimmten im Kern mit den Grundsätzen der Vereinten Nationen überein. Eigentümliche Interessen Deutschlands blieben stets vereinbar mit Völker-, Menschen- und Bürgerrecht. Unter den Bedingungen der Globalisierung und nach dem Ende der Blockkonfrontation setze sich Deutschland weltweit für seine Interessen ein. Deutschland habe Anspruch auf Sicherheit und Stabilität und auf weltweite Wahrung seiner Interessen.

Allerdings seien Sicherheit, Stabilität und Interesse Deutschlands verschiedenartig gefährdet. Die südliche und südöstliche Peripherie des europäischen Stabilitätsraumes sei krisenhaft und instabil (z.B. der Balkan, Nahost). Internationale Terroristen und Fundamentalisten bedrohten die Städte im Inneren des Stabilitätsraumes (z.B. Al Qaida). Die Existenz von Massenvernichtungswaffen in unberechenbaren Staaten der Welt stelle eine Bedrohung dar, die in der Wirkung mindestens mit konventioneller Bedrohung verglichen werden müsse, aber ganz andere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich mache. Die deutsche Wirtschaft sei, weil exportorientiert, besonders empfindlich was die Sicherheit ihrer Transportwege und -mittel angehe. Verschlüsselt taucht hier das Motiv vom freien Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt aus den VPR 1992 wieder auf. All diese Gefahren machten eine adäquate Sicherheits- und Verteidigungspolitik erforderlich, der Begriff der Verteidigung habe sich seit den 80er Jahren entsprechend erweitert. "Deutsche Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt", so Struck im Zusammenhang des Afghanistan-Krieges von 2001. Auftrag und Aufgaben der Bundeswehr leiteten sich aus dieser Gefährdungslage ab. Sie solle multinational eingebunden d.h. im Bündnis mit den Partnern des Stabilitätsraumes (EU, NATO) schnell aktionsfähig sein. Überflüssige Kapazitäten sollten abgebaut werden. Es geht folglich nicht um Abrüstung, sondern um Effizienz: Gleich einer aussenpolitischen Polizeimacht soll die Bundeswehr weltweit unverzüglich eingreifen können, wenn deutsche Interessen verletzt werden.
Verhältnis von Ungleichen
Unsere Kritik setzt nicht erst am Krieg an, sondern bereits an seinen politischen und ökonomischen Grundlagen, mit denen er untrennbar verbunden ist, und die ihn stets produzieren. Das Verhältnis, in dem Deutschland zu den meisten Staaten der Welt steht, ist ein Verhältnis von Ungleichen. In der verschärften Weltmarktkonkurrenz gehört die BRD zu den Gewinnern auf Kosten zahlreicher armer Volkswirtschaften, konkreter noch: auf Kosten der Lohnabhängigen und abhängigen Produzenten und deren Familien dort. Weitere Gesellschaften sind gänzlich aus dem Weltwirtschaftsprozess ausgeschlossen, die Verwertung ihrer Arbeitskräfte oder ihrer Ressourcen lohnt sich schlicht nicht. Kapitalismus ist ein schlechtes Spiel und wehe denen, die nicht mitspielen können. "Deutsche Interessen" – das bedeutet maßgeblich, in diesem Spiel die gute Position nicht zu verspielen. "Deutsche Interessen" meint nicht, die anarchischen Regeln des Marktes durch demokratische Planung der Produktion und Verteilung im internationalen Maßstab zu ersetzen, eine Maßnahme, die wirklich eine stabile Grundlage für soziale und politische Menschenrechte schaffen könnte. In einem System von Ausbeutung, Ungleichheit und Herrschaft gibt es keine Interessenidentität, wie sie in den Richtlinien mit Bezug auf die Vereinten Nationen behauptet wird. Wer nun diese Interessenlage Deutschlands, wie die aller kapitalistischen Staaten kritisiert und ablehnt, muss selbstverständlich auch ihre weltweite militärische Durchsetzung ablehnen.
Ein Dilemma
Nun könnte dieser Kritik vorgeworfen werden, sie versteife sich auf den Gesamtzusammenhang, sei jedoch blind für die konkreten kurzfristigen Bedürfnisse der Opfer von Bürgerkrieg und Diktatur, die den schnellen militärischen Eingriff gerade der Bundeswehr erforderten. Dieser Vorwurf knüpft unkritisch an die Weltsicht an, die u.a. in den VPR 2003 reproduziert wird: Militär als Instrument eines demokratischen Gemeinwesens, um frei verhandelbare Politik durchzusetzen oder zu sichern.

Die Wirklichkeit aber, in der die "Rot"-Grüne Bundesregierung 1999 ein Massaker an ZivilistInnen, einen Vertreibungsplan und ein Folterzentrum erfand, um die Bevölkerung kriegswillig zu machen, und somit Ruhe an der Heimatfront zu erzeugen, wird durch solches Weltbild nicht abgebildet, sondern verklärt. Dieses Weltbild ist (Selbst-)Betrug und kann nicht Grundlage für die Auseinandersetzung mit der Thematik sein.

Tatsächlich befinden wir uns in einem Dilemma. Die Bürgerkriege, Diktaturen und Völkermorde unserer Zeit wecken in vielen zunächst den Ruf nach der Gewalt, dem Militär, einer global operierenden Polizeimacht. Die Debatten um die Kriege seit dem Golfkrieg von 1991 bestätigen dies.

Die Gewalt interveniert, aber sie interveniert nicht, weil wir sie im Einverständnis mit den Opfern und den Bedrohten zur Intervention bewegen würden, sondern, weil die oben kritisierte Interessenlage ihre Interventi
on erfordert. Wäre die Interessenlage nicht bedroht, gäbe es auch keine Intervention.

Versuchen wir uns nur einmal vorzustellen, die gegenwärtige Hungerkatastrophe, an der weltweit täglich 100.000 Menschen sterben, führe in Deutschland zu moralischer Erschütterung; die Regierung würde daraufhin im Verbund mit der NATO die unverzügliche Versorgung der Hungergebiete mit Lebensmitteln durch Transportflugzeuge der Bundeswehr beschließen. Außerdem mache sie sich unverzüglich und aufrichtig an die Ursachenbekämpfung.

Der erste Teil unserer Vorstellung ist schlicht absurd und die Ursachenbekämpfung liegt nicht in deutschem Interesse. Die Polizeimentalität der Kriege von Kuwait bis Bagdad und weiter in den Iran oder nach Syrien stellt uns vor die falsche Alternative: entweder unsere Intervention oder Terror und Barbarei. Vor diese Wahl lassen wir uns nicht stellen. Unser Dilemma, durch die Rufe nach der Feuerwehr einer Bande von Brandstiftern die Begleitmusik zu liefern, führt nur zu einer Konsequenz: Stoppt den Krieg und seine Vorbereitung! Kapitalismus abschaffen!

 

Kriminalisierung von FriedensdemonstrantInnen
Kaum sind die großen Proteste gegen den Irak Krieg abgeklungen, werden FriedensdemonstrantInnen kriminalisiert. Hans-Gerd Öfinger (stellvertretender ver.di Bezirksvorsitzender, Mitinitiator der Antikriegsbewegung in Wiesbaden und Organisator vieler Demonstrationen und Mahnwachen) war am 24. März 2003 (4 Tage nach Kriegsbeginn) als Journalist bei einer SchülerInnenkundgebung einer Wiesbadener Realschule.
Die SchülerInnen wollten angesichts der Meldungen aus dem Irak spontan ihren Protest auf der Straße ausdrücken, verständigten SchülerInnen anderer Schulen und zogen mit der Parole “Auf zum Rathaus” in Richtung Stadtmitte.
Da sie auf die Schnelle kein Megafon zur Verfügung hatten stellte H.-G. Öfinger ihnen seinen PKW mit Lautsprecher zur Verfügung. Nun wird ihm vorgeworfen “vorsätzlich” und “wohlwissend” diese Demo “angefeuert” zu haben und bewusst eine Verletzung der Bannmeile um das Landtagsgebäude in Kauf genommen zu haben. Die Ordnungsbehörde fordert 1.250 Euro Bußgeld!

Protest dagegen ist einzulegen beim
Leiter des Ordnungsamtes Wiesbaden:
Hans-Henning Pohlenz
Konrad-Adenauer-Ring 11-13
65197 Wiesbaden
Tel: 0611-314400, Fax: 0611-313937

E-Mail: 32.ordnungs-amt@wiesbaden.de
 
Resist
Gegen die TeilnehmerInnen (darunter auch mehrere RSB-GenossInnen) einer von Resist organisierten Blockade der US-Airbase in Frankfurt am Main läuft momentan eine Anhörung im Bußgeldverfahren. Sie demonstrierten am 15. März 2003 zum Haupttor der Air-Base, hielten dort eine Kundgebung ab und wurden anschließend “geräumt” (weggetragen). Bei dieser Aktion wurde niemand behindert und nichts beschädigt. Solidarität, jetzt erst recht!

 

 

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