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Betrieb & Gewerkschaft

Die Tarifrunden der IG-Metall 2008

Von W. Walrave | 01.07.2008

Bis vor kurzem waren die allgemeinen tarifpolitischen Diskussionen noch sehr stark von dem Kampf der LokführerInnen geprägt. Dies wirkte sich sowohl in den Debatten über die Tarifforderungen in den anderen Bereichen aus, wie auch in der allgemeinen Stimmung unter den KollegInnen. Die gute Beteiligung an den Warnstreiks Ende Mai – Anfang Juni für eine neue Altersteilzeitregelung (ATZ) im „Pilotbezirk“ Baden-Württemberg machte die allgemein gestiegene Kampfbereitschaft deutlich.

Bis vor kurzem waren die allgemeinen tarifpolitischen Diskussionen noch sehr stark von dem Kampf der LokführerInnen geprägt. Dies wirkte sich sowohl in den Debatten über die Tarifforderungen in den anderen Bereichen aus, wie auch in der allgemeinen Stimmung unter den KollegInnen.

Die gute Beteiligung an den Warnstreiks Ende Mai – Anfang Juni für eine neue Altersteilzeitregelung (ATZ) im „Pilotbezirk“ Baden-Württemberg machte die allgemein gestiegene Kampfbereitschaft deutlich. Die IG-Metall hat mit der Frage der Altersteilzeit die Stimmung vieler KollegInnen getroffen. Kaum einer kann sich vorstellen, bis 67 zu arbeiten und keine/r will die dadurch erhöhten Rentenabschläge einfach so hinnehmen. Es bleibt auch den Jüngeren nicht verborgen, dass die Altersarmut in den nächsten Jahren ein Massenphänomen wird. Vor allem die Vorstellung, bei dem heutigen Stress mit großen Abschlägen weit über das 60. Lebensjahr hinaus arbeiten zu müssen, ist für jüngere KollegInnen eine Horrorvision. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Bereitschaft, für eine Fortführung der Altersteilzeitmodelle zu kämpfen.
Kompensationsgefahren
Die Gefahr von Kompensationsgeschäften innerhalb eines ATZ-Tarifvertrages liegen auf der Hand. Bei der Auseinandersetzung um die ATZ-Regelung müssen wir den allgemeinen tarifpolitischen Kurs der IG-Metallführung (Hubers „Modernisierungskurs“ der Tarifpolitik zur Stärkung des Standortes Deutschland) in Rechnung stellen. Dies bedeutet verschiedene „Einschwenkungsmöglichkeiten“ der IG-Metallführung hin zu faulen Kompromissen. Zum Beispiel:

  • –    Der Versuch eine Kostenneutralität der ATZ-Regelung für die Metallunternehmer herzustellen z. B. durch die Bildung eines Fonds, in dem die KollegInnen die Kosten der ATZ selbst vorher einzahlen,
  • –    ein allgemeiner „Rahmentarifvertrag zu einer ATZ-Regelung“, in dem die Details (z. B. die Kriterien dafür, wer die Regelung wirklich in Anspruch nehmen kann) in komplizierten Verhandlungen auf betrieblicher Ebene geklärt werden sollen und die Durchsetzung dieser Kriterien vom wirtschaftlichen „Wohlergehen“ des jeweiligen Betriebes und/oder vom betrieblichen Kräfteverhältnis der Tarifparteien abhängig gemacht werden.

ATZ und Entgelttarifrunde
Zwar gibt die IG-Metallführung vor, den Kampf um eine neue ATZ-Regelung noch vor der Sommerpause abschließen zu wollen, um einer von den Metallarbeitgebern sicher gewollten Verknüpfung beider Tarifrunden möglichst auszuweichen. Dies würde aber eine ganz andere Herangehensweise an den Kampf voraussetzen.

  1. Ein wirklich befriedigender Abschluss einer ATZ-Regelung kann für die KollegInnen nicht in einem Pilotbezirk alleine durchgesetzt werden! Denn dies ist eine gesamtgesellschaftliche Frage, die mit der ganzen Kampfkraft der IG-Metall angegangen werden muss. Dass dies nicht geschieht, lässt Schlimmes befürchten.
  2. Ein paar Warnstreiks für eine gute ATZ-Regelung für alle werden nicht ausreichen. Zwar droht die IG-Metall-Führung immer mal mit „bundesweiten Warnstreiks“. Aber auch in der Tarifrunde 2007 drohte die IG-Metall mit Vollstreik, war aber nicht bereit, diesen durchzuführen.
  3. Sollte kein Abschluss vor der Sommerpause zustande kommen – er ist bisher aufgrund der von der IGM-Führung unerwartet harten Haltung der Metallunternehmer nicht in Sicht – so wird automatisch die ATZ-Tarifrunde auf den Herbst verschoben werden müssen. Damit würde sie mit der Entgelttarifrunde zusammenfallen. In diesem Falle wäre die Gefahr von Kompensations-/Verrechnungsgeschäften noch größer als ohnehin schon.

Unsere Aufgaben
Klassenkämpferische GewerkschafterInnen sollten eintreten für:

  • –    Einen Flächentarifvertrag für alle, der diesen Namen wirklich verdient. Keine weitere Verbetrieblichung der Tarifverträge weder bei dem ATZ, noch in der Entgelttarifrunde.
  • –    Sofortige Ausweitung der Warnstreiks auf alle Tarifbezirke der IG-Metall; Vorbereitung der Urabstimmung für den flächendeckenden Vollstreik zur Durchsetzung einer ATZ-Regelung ohne Kompensationsgeschäfte jeglicher Art!
  • –    Die Neubelebung des Kampfes gegen die Rente mit 67 und gegen die wachsende Altersarmut.
  • –    Eine nur 12monatige Laufzeit des Tarifvertrages.
  • –    Keine Einmalzahlungen, die nicht auf Sockelentgelt aufgestockt werden und somit bei einer nächsten Entgeltrunde nicht mitzählen würden.
  • –    Eine hohe Festgeldforderung, die mindestens einer zweistelligen Prozentforderung entspricht, damit endlich eine wirkliche Realloherhöhung herauskommt. 

Gute Gründe
Dass das Kapital das Geld für eine kräftige Entgelterhöhung wie auch für ausreichende Aufstockungsbeträge für die Altersteilzeit hat, zeigen folgende Zahlen:

  • –    Im letzten Jahr ist in der Metall- und Elektroindustrie der Umsatz aus eigenen Erzeugnissen um 7,2 % gestiegen, die Produktivität um 6 % und das Entgelt pro Arbeitsstunde nur um 2,9 %.
  • –    Die Lohnstückkosten sind im letzten Jahr um 3,1 % gesunken. Auf diesem Gebiet ist die BRD europaweit Spitzenreiter. Nirgendwo sind in den vergangenen 10 Jahren die Lohnstückkosten so stark gesunken und die Gewinne so stark gestiegen wie in der Bundesrepublik.
  • –    Die Nettogewinne der M+E-Industrie sind von 22 Milliarden (2005) auf 29 Milliarden (2006) und 36 Milliarden (2007) gestiegen.


Nicht zuletzt die allgemein umfassende Preisteigerungswelle der letzten Monate wird den KollegInnen die Notwendigkeit einsichtig machen, einen kräftigen Schluck aus der Pulle zu nehmen. Daraus ergibt sich für uns eine erweiterte „klassische“ Struktur der Entgeltforderung, bestehend aus: Produktivitäts- + Preissteigerungs- + Umverteilungs- + „Zurückholungs“-Komponente. Die zuletzt genannte neue Strukturkomponente dient dazu, das zurückzuholen, was uns in den letzten Jahren, auch über den staatlichen Sozialabbau, genommen wurde. Sie
ist in Zukunft bei der Forderungsaufstellung immer zu berücksichtigen.

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