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Länder

Die Schweiz streikt… immer öfter

Von Marco Feistmann | 01.07.2009

Die imperialistische Schweiz ist Weltspitze im Kapitalexport. Ihre Banken verwalten etwa 1/3 aller Vermögen, die die Herrschenden und die Reichen aller Länder (auch Deutschlands) im Ausland anlegen. Trotzdem nehmen soziale Spannungen und Arbeitskämpfe zu.

Die imperialistische Schweiz ist Weltspitze im Kapitalexport. Ihre Banken verwalten etwa 1/3 aller Vermögen, die die Herrschenden und die Reichen aller Länder (auch Deutschlands) im Ausland anlegen. Trotzdem nehmen soziale Spannungen und Arbeitskämpfe zu.

Kein Wunder, dass der deutsche Finanzminister in Zeiten staatlicher Rettungspakete für Großkonzerne das benachbarte Steuerparadies zur Kasse bittet – zum Entsetzen der Gnomen der Zürcher Bahnhofstraß, dem Sitz der Schweizer Grossbanken UBS und CS.

Deutschland figuriert sowohl beim Schweizer Export wie beim Import auf Platz 1. Schweizer Unternehmer stellen immer mehr Arbeitskräfte aus dem wiedervereinigten, von Arbeitslosigkeit gebeutelten Deutschland an und versuchen, diese durch Lohndumping gegen die „einheimische“ Lohnabhängigenklasse (die mindestens zu 1/3 aus Ausländer­­Innen und ihren Nachkommen besteht) auszuspielen.

Deutsche Arbeiter werden beispielsweise im alpinen Tunnelbau beschäftigt, wo sie eine aktive und kämpferische Rolle bei mehreren Arbeitskämpfen in den letzten Jahren gespielt haben.
Kapitalistisches Paradies in Gefahr?
Die Intervention des „Grossen Bruders aus dem Norden“ in Gestalt von Peer Steinbrück wurde von den bürgerlichen Medien auch prompt zum Schüren antideutscher Reflexe und zur Ablenkung von der Wirtschaftskrise und vom Debakel der UBS – die der Schweizer Staat mit einer Finanzspritze von fast 50 Milliarden Euro vorerst retten musste – benutzt.

In der Schweiz wird im internationalen Vergleich weiterhin fast am längsten gearbeitet und am wenigsten gestreikt. Die Kapitalstückkosten sind unter den niedrigsten. Die soziale und noch mehr die politische Stabilität sind einmalig: Seit 1959 regiert ununterbrochen eine Koalition mit fünf rechten und zwei sozialdemokratischen Ministern.

Trotzdem verdüstert sich in den Augen der Unternehmer das Bild ihres kapitalistischen Paradieses. So nehmen die Streiks und insbesondere die Streikdauer seit Ende der 1990er Jahre konstant zu – und dies erstmals seit den Streiks in den 1940er Jahren, die einer Minderheit der Lohnabhängigen die Einführung von Gesamtarbeitsverträgen (Tarifverträgen) beschert haben.

Lang andauernde Arbeitskämpfe wie die Streiks beim Industriebetrieb Swissmetal im Kanton Bern 2004 und 2006, der Streik in den Industriewerken der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) im Tessin (Officine Bellinzona) im Frühjahr 2008 und eine Reihe von Demonstrationen und Streiks im öffentlichen Dienst in der französischen Schweiz (2007-2008), drücken diese teilweise neue Situation aus.
Klassenkampf nicht nur „von oben“
Bei Swissmetal endete der Kampf der Arbeiter­­Innen gegen einen massiven Arbeitsplatzabbau wegen dem Verrat durch die branchenübergreifende Gewerkschaft Unia (der größten und „kämpferischsten“ Gewerkschaft der Schweiz) in einer Niederlage: hunderte Arbeiter­­Innen verloren ihre Stelle.

In Bellinzona besetzten 400 Arbeiter die SBB-Werke und trotzten während 34 Tagen dem Druck der SBB und des sozialdemokratischen Verkehrsministers, die den Betrieb im Hinblick auf eine Bahnprivatisierung massiv redimensionieren wollten. Die lokale Unia-Sektion schlug sich aufseiten der Streikenden. Diese lösten eine grosse Solidarisierungswelle unter der Bevölkerung aus und errangen schlussendlich den Sieg: Der Restrukturierungsplan wurde zurückgezogen; alle Arbeitsplätze werden bis 2012 erhalten.

Im öffentlichen Dienst im westschweizer Kanton Waadt konnten die Streikenden die Einführung eines neuen, flexiblen Lohnsystems nicht verhindern, jedoch das Schlimmste abwenden und gewisse Lohnerhöhungen erkämpfen. Bei diesen zwei letzten Arbeitskämpfen spielten Genoss­­Innen der revolutionär-sozialistischen Antikapitalistischen Linken zusammen mit klassenkämpferischen Gewerkschaftsmitgliedern eine wichtige Rolle – was den Ausgang der Auseinandersetzungen ohne Zweifel positiv beeinflusst hat.

Es handelt sich bei diesen Beispielen jedoch um Ausnahmen. Die angelaufene Welle von Kurzarbeit und Entlassungen (allein bei UBS werden momentan 8 000 Stellen abgebaut, davon 2 500 in der Schweiz) hat mehrheitlich zu Angst und Erstarrung unter den Lohnabhängigen geführt. Die bürokratische Schweizer Gewerkschaftsbewegung, die nur 10 % der Lohnabhängigen organisiert, ist noch mehr als die Deutsche durch ihre Unterordnung unter die „Arbeitgeber“ und durch ihren Unwillen, gegen die Krise und die bürgerlichen Angriffe angemessen zu mobilisieren, gekennzeichet.

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