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Innenpolitik

Die Presse und der Plagiator

Von Paul Junius | 01.03.2011

Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg soll seine Doktorarbeit nicht selbst geschrieben haben, er machte getreu dem Motto „e pluribus unum“, „aus vielem eines“. Geklaut haben soll Gutenberg u. a. in der FAZ und der Süddeutschen Zeitung.

Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg soll seine Doktorarbeit nicht selbst geschrieben haben, er machte getreu dem Motto „e pluribus unum“, „aus vielem eines“1 . Geklaut haben soll Gutenberg u. a. in der FAZ und der Süddeutschen Zeitung.

Um sich nicht länger als notwendig mit dem ungelenken Baron aufzuhalten, wird Karl Theodor in Folge nur noch Guttenberg genannt, wichtig ist hierbei das zweite „t“. Denn Gu„t“enberg erfand den Druck mit beweglichen Lettern und von da an konnten ganze Bücher kopiert werden, verwandt sind die beiden trotzdem nicht. Das Adelsgeschlecht der Guttenbergs lässt sich bis 1149 zurückverfolgen, ein Jahr später 1150 wurde das Benediktinerkloster Marienburg gegründet und in den Klosterstuben wurde ja bekanntlich ebenfalls so einiges kopiert.

Dass Doktortitel oft nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden, ist nichts Neues. Insbesondere innerhalb der CDU gab es schon des Öfteren Doktortitel, die mit viel Hilfe von Parteifreund­Innen entstanden sind und dem oder der TrägerIn kaum die „Fähigkeit zur eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit“ bescheinigen dürften. CDU-Übervater Kohl trat 1946 der CDU bei. Er schrieb eine Doktorarbeit über die Geschichte seiner Partei in Rheinland-Pfalz nach 1945, die er ja maßgeblich selbst bestimmt hat. Bescheiden wie er war, schrieb er also über sich selbst.

Familienministerin Schröder, die nicht nur gegen Frauenquoten in Vorstandsetagen, sondern auch für die Gleichsetzung von Links und Rechts eintritt, schrieb ihre Dissertation über mögliche Unterschiede in den Wertvorstellungen von CDU-Bundestagsabgeordneten und den einfachen CDU-Mitgliedern. Über die Qualität von Doktorarbeiten angehender Ärzte und Ärztinnen, sowie von Wirtschaftswissenschaftler­Innen und Jurist­Innen braucht man eigentlich auch nicht diskutieren.
Warum wird jetzt ein Skandal daraus gemacht?
Guttenberg ist niemand, bei dem man lange suchen müsste, um etwas zu finden, das einen solchen Hype rechtfertigen würde. Seine Erfahrung in einem großen Unternehmen, das seine Kompetenz für den Job des Wirtschaftsministers beweisen sollte, war die des Geschäftsführers der Guttenberg GmbH. Ein Unternehmen, das sich ausschließlich mit der Verwaltung des eigenen Familienvermögens beschäftigte und nur drei Angestellte hatte.

Viel schlimmer aber ist, dass Guttenberg den Luftangriff auf zwei Tanklaster bei Kunduz am 4. September 2009 bei dem 142 Menschen starben „angemessen“ und „unvermeidbar“ nannte. Guttenberg kann ein Kriegsverbrechen mit weit mehr als hundert Toten „angemessen“ nennen, wird aber erst in den bürgerlichen Medien kritisiert, als rauskommt, dass seine Doktorarbeit zusammenkopiert wurde. Mit Absicht wurde hier das Passiv verwandt, denn sehr wahrscheinlich ist, dass Guttenberg sich die blaublütigen Finger nicht selbst mit Druckerschwärze beschmieren wollte und deshalb einen Ghostwriter engagierte.
Was ist das eigentliche Problem?
Nicht nur in der Politik gelten Doktortitel als schick und sind oft mehr Schein als Sein. Vielleicht wird hier soviel Wind gemacht, weil es ein Angriff auf des Bürgerlichen liebstes Kind, den Doktortitel, ist. Oder ist es die Angst vor einem Wertverlust? Ein „Dr.“ vor dem Namen kleidet nicht nur das Klingelschild, sondern wirkt sich auch auf das Bankkonto positiv aus. Die wirklichen Probleme liegen woanders. Die Universitäten bilden tausende junge Menschen im so genannten „wissenschaftlichen Arbeiten“ aus, in der Realität bedeutet das, ständig Texte produzieren zu müssen, die meist von minderer Qualität sind und oftmals ungelesen im Papierkorb landen. Und meist nur, damit die Dozierenden bei den Leistungsanforderungen ein Häkchen machen können.
Aus dem System entspringt das Problem
Das Zusammenkopieren einer wissenschaftlichen Arbeit ist letztlich nur ein Zeichen für unser krankes System:

  • Dem universitären System, in dem Drittmittel alles bedeuten, in dem ohne Geld aus der Wirtschaft nichts mehr geht und in dem Studiengänge wie die Betriebswirtschaftslehre, die von fehlerhaften Vorstellungen aus- und völlig unwissenschaftlich vorgeht, immer wichtiger werden.
  • Dem Mediensystem, in dem die Medien sich auf jeden Hype stürzen, um Quote zu machen; berichtet wird nicht was wichtig für die Menschen ist, sondern berichtet werden halbgare Skandalgeschichten, die sich profitträchtig verkaufen lassen. Wenige Tage später rennt die bürgerliche Presse dann wieder einer anderen Geschichte hinterher. Die Einsparungen in den Redaktionen, die zu schlechter oder gar keiner Recherche mehr führen, tragen ihren Teil dazu bei.
  • Dem Wirtschaftssystem, in dem Wirtschaftsverbände und Konzerne die eigenen Gesetze schreiben. Als Wirtschaftsminister ließ Guttenberg 2009 externe Anwaltsfirmen Gesetze ausarbeiten und vergaß bei der Weiterleitung des Gesetzes den Briefkopf der beauftragen Kanzlei ändern zu lassen. Warum er ein externes Unternehmen beauftragte, lässt sich nach den Plagiatsvorwürfen vielleicht besser verstehen.

1    Zehnpfennig, Barbara: Das Experiment einer großräumigen Republik. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung,  http://www.faz.net/-01oqth (Stand: 21.2.2011). (Korrekt übersetzt müsste es eigentlich „Aus vielen eines“ heißen, Anmerkung P. J.)

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