TEILEN
Länder

Die NPA und die Europawahlen

Von Gérard Torquet & Pierre Vandevoorde | 01.07.2009

Am Abend des 7. Juni war die Stimmung im Büro der NPA von Rouen sehr geteilt: Die einen waren enttäuscht, weil unsere Spitzenkandidatin in der Region Nord-Osten, unsere Genossin Christine Poupin, Technikerin in der Chemieindustrie und Abgeordnete in einem Arbeitervorort von Rouen, die Wahl nur knapp verfehlt hat. Aber viele sind dennoch sehr zufrieden mit dem Gesamtergebnis der Partei. Für die junge NPA war diese Kandidatur schließlich keine leichte Angelegenheit.

Am Abend des 7. Juni war die Stimmung im Büro der NPA von Rouen sehr geteilt: Die einen waren enttäuscht, weil unsere Spitzenkandidatin in der Region Nord-Osten, unsere Genossin Christine Poupin, Technikerin in der Chemieindustrie und Abgeordnete in einem Arbeitervorort von Rouen, die Wahl nur knapp verfehlt hat. Aber viele sind dennoch sehr zufrieden mit dem Gesamtergebnis der Partei. Für die junge NPA war diese Kandidatur schließlich keine leichte Angelegenheit.

In einer Situation des Rückgangs der sozialen Mobilisierungen, ohne stabilisierte Wählerschaft, ohne Stützen in den vorhandenen Institutionen, ohne bekannte Listenführer, den Angriffen von allen Seiten ausgesetzt und konfrontiert mit den Enthaltungen der Jungen und der einfachen Bevölkerung (80 % bei den 18-30jährigen!) drohte uns die Wiederholung des Szenarios, das das Bündnis LCR-LO 2004 erlebte, als es 440 000 Stimmen (2,6 %) erhielt. Aber 4,98 % in den 6 Wahlkreisen Frankreichs (die NPA hat bewusst in den so genannten Überseegebieten keine Kandidaten aufgestellt) ist ein ermutigendes Wahlresultat. Das sind mehr Prozentpunkte als die 4,08 %, die unser sehr populärer Sprecher Olivier Besancenot bei den Präsidentschaftswahlen 2007 erhielt.

1999 hatte die Listenverbindung LO-LCR mit 914 680 Stimmen 5,18 % (5 Abgeordnete) bekommen. Damals allerdings gab es noch gesamtnationale Wahllisten, es wurden 87 Abgeordnete statt jetzt 72 gewählt und die Wahlenthaltung lag nur bei…46,8 %!
70 % der 1 498 581 Wählerinnen und Wähler, die für den Präsidentschaftskandidaten Olivier Besancenot gestimmt hatten, haben sich dieses Mal enthalten, um damit gegen die Regierung, gegen die Krise und die Missachtung ihres Nein zur Europäischen Verfassung zu protestieren. Die NPA erhielt 840 714 Stimmen und erzielte überall dort, wo sie eine gewisse Verankerung hat, Wahlergebnisse von bis zu 10 %. Die NPA-Komitees haben sehr viele Veranstaltungen in den Stadtvierteln und sogar in Dörfern durchgeführt. Die Ergebnisse dieser in der Fläche breit geführten Kampagne sind eine Ermutigung und lässt uns mit Vertrauen in die Zukunft blicken.

Die politische Landschaft hat sich verändert: Sarkozys UMP geht zwar mangels ernsthafter Konkurrenten mit 27,8 % als Sieger hervor, aber die Partei bleibt sehr isoliert. Das herausragende Ereignis dieser Wahlen ist der Absturz der Sozialistischen Partei, was der Liste Europe Écologie (16,28 %) zugute kommt, und nicht wie erwartet den Zentrumsliberalen von Bayrou (8,5 %).

Mit 16,48 % landet die PS wieder auf dem Niveau vom 21. April 2002, als Jospin bei den Präsidentschaftswahlen noch nicht mal in die Stichwahl kam. Sie wurde dieses Mal von Cohn-Bendit gerupft und stark von der Wahlenthaltung getroffen und leidet unter internem Streit. Die Lösung einer Allianz mit Bayrou ist vorläufig gescheitert, kann aber neu aufleben, denn das Programm des Modem (Bayrous „Demokratische Bewegung“) ist durchaus mit dem PS-Programm kompatibel. Die Grünen werden im Zusammenhang mit den Regionalwahlen (März 2010) begierig werden und überlegen, ob sie im ersten Wahlgang oder erst im zweiten Wahlgang Absprachen mit der PS treffen.  Die KP und die von der PS abgespaltene PG (Linkspartei) haben mit ihrem Wahlbündnis Front de Gauche (Linksfront) der PS gerade klar gemacht, dass ein Bündnis der PS mit ihnen eine Abkehr von Bayrou voraussetzt.

Die Stimmen für die Grünen sind die größte Überraschung. Sie sind sowohl Ausdruck der Beunruhigung der Mittelschichten angesichts der Umweltkrise also auch des Verlangens nach etwas „Neuem“. Der „deutsche Jude“ von 1968, die Antikorruptionsrichterin Eva Joly und der globalisierungskritische Bauernführer Bové erscheinen jeder auf ihre Art als außerhalb des Systems. Eins ist aber sicher: Der Grüne Kapitalismus wird die Macht der Konzerne nicht in Frage stellen.

Die Linksfront (FDG) hat etwas mehr Stimmen bekommen als im Jahr 2004 die KP alleine (6,47 % gegenüber 5,88 %). Sie setzt sich zusammen aus der neu gegründeten Parti de Gauche (PG) des Senators und ehemaligen PS-Mitglieds Jean-Luc Mélenchon und der KP – sowie im Anschluss an den Gründungskongress der NPA einer Handvoll Mitglieder aus der ehemaligen Minderheit der LCR um Christian Piquet – und vermochte es, das Lied der Einheit zu spielen. Dabei ist die FDG von den Medien hochgespielt worden, die gegen die  „archaischen Sektierer der NPA“ gewettert haben; immerhin hat diese Front auch einen dynamischen und gut sichtbaren Wahlgang geführt. Ihre Wähler­­Innen sind älter und leichter an die Urnen zu bringen als die der NPA. Es stellt sich aber die Frage nach der Zukunft dieser Koalition. KP und PG verwalten als Vasallen der PS Departements und Regionen mit, wohingegen die NPA erneut dazu aufruft, eine Allianz all der Kräfte zu bilden, die nicht bereit sind, sich dort einbinden zu lassen.

LO hat sich damit begnügt, die Fahne der eigenen Organisation und ihrer „kommunistischen und revolutionären“ Identität  hochzuhalten, was faktisch gegen die NPA gerichtet war. Sie erhielt 1,2 % der Stimmen, was immerhin eine Vorstellung davon gibt, was möglich wäre, wenn die Organisationen zusammen anträten. Schwer verständlich auch, dass LO im letzten Jahr noch jedes Wahlbündnis bei den Kommunalwahlen ablehnte und vor kurzem nun eine Wahlabsprache für die Nachwahlen in Perpignan akzeptiert hat…

Oberste Dringlichkeit ist die soziale Mobilisierung. Die Angriffe kommen heftiger: Infragestellung des möglichen Renteneintritts mit 60 Jahren, Entlassungen, Zerschlagung und Privatisierung öffentlicher Dienste… Die Linksfront hat sich an die Strategie der Gewerkschaftsführungen angehängt, ohne deren Politik bei den sozialen Mobilisierungen zu kritisieren und vor allem ohne von dem exem­plarischen Kampf der LKP auf Guadeloupe zu sprechen. Es wird unsere Aufgabe sein, die Mobilisierungen von unten her aufzubauen. Nur so wird dem Gewicht der Gewerkschaftsapparate etwas entgegenzusetzen sein, die im Herbst die öden und folgenlosen Aktionstage wieder aufnehmen werden, die die gewaltigen Mobilisierungen vom 29. Januar und 19. März abgenutzt haben.

Übersetzung: D. B.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite