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Innenpolitik

Die Krise der Linkspartei

Von B. B. | 14.06.2012

Konjunkturbelebung, niedriger Stand der Klassenkämpfe, Wahlniederlagen – die Linkspartei befindet sich in einer heftigen Krise.

Konjunkturbelebung, niedriger Stand der Klassenkämpfe, Wahlniederlagen – die Linkspartei befindet sich in einer heftigen Krise.

Bei den letzten Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig Holstein und NRW verlor Die Linke 343 004 Wähler­Innen. Das waren in den drei Bundesländern insgesamt mehr als die Hälfte der Wähler­Innen der vorhergehenden Landtagswahlen.
Wenn dabei die Linkspartei im Saarland an die Piratenpartei, die SPD und an Nichtwähler­Innen verloren hat, in Schleswig-Holstein an die Piratenpartei und an die Nichtwähler­Innen, in NRW an die SPD und an die Piratenpartei, dann entwickelt sich das Bewusstsein bei einem Teil der Arbeiter­Innenklasse (von „Protestwähler­Innen“ ganz abgesehen) nicht nach „links“, sondern nach „rechts“. Was sind die Ursachen?
Soziale Frage nicht im Mittelpunkt
Wenn trotz der anhaltenden Erschütterungen der kapitalistischen Weltwirtschaft die Linkspartei 343 000 Wähler­Innen verlor, dann zeigt das auch auf der parteipolitischen Ebene, dass die Krise nicht auf die BRD durchschlägt, jedenfalls nicht direkt. Die Erwerbslosigkeit steigt nicht, sondern sinkt. Für viele Lohnabhängige zählt der aktuelle Konjunkturaufschwung in Deutschland und nicht die offenkundige Krise in vielen Ländern Europas oder den USA. Die Empörung über Hartz IV und Rente mit 67, die der SPD nicht vergessen und verziehen werden, wird überlagert von den durch ver.di und IG Metall ausgehandelten Lohnerhöhungen, zu denen CDU-Finanzminister Schäuble aufgefordert hatte, und durch die Zuschläge für Leiharbeiter­Innen in der Metallindustrie, die von Bundesarbeitsministerin von der Leyen (CDU) begrüßt wurden. Die Gewerkschaftsführungen sehen sich auf Erfolgskurs und wähnen keinen Grund für gesellschaftlichen Protest. Die soziale Frage steht nicht im Mittelpunkt. Für viele ist der Blick auf die Krise des Systems verstellt, während sie eine kleine revolutionäre Minderheit ins Zentrum ihrer Aktivitäten rückt. Die gute Konjunktur verhindert die Ausweitung der Anti-Krisen-Proteste zur Anti-Krisen-Bewegung und schwächt die Zustimmung zur Linkspartei.
Kein antikapitalistischer Wahlkampf
Zur schwierigen objektiven Lage kam ein Wahlkampf der Linkspartei in NRW, der sich nicht auf die kapitalistische Sys­temkrise konzentrierte, sondern auf Sofortforderungen wie „Kitas für alle“, „landesweites Sozialticket“ und „Löhne rauf (ihr seid es wert!“). Die Forderung einer „Millionärssteuer“ ist kein Gegenbeispiel. Sie wurde auch von der Linkspartei im Saarland und in Schleswig-Holstein gefordert. Die „Enteignung der Banken“ konnte schon deshalb keine zentrale Forderung des Wahlkampfes der NRW-Linkspartei werden, verhinderte doch ein Teil der Mehrheit der Antikapitalistischen Linken des Landesverbandes schon den Wahlkampfslogan „Löhne rauf – Diäten runter!“, weil er zu radikal sei. Damit verpasste die antikapitalistische Mehrheit der Linkspartei in NRW die einmalige Chance, einen antikapitalistischen Wahlkampf zu führen und zur Herausbildung von Klassenbewusstsein beizutragen. Ihren „Antikapitalismus“ spart sich diese Strömung lieber für Parteitage auf.
Sicherlich hätte auch ein Wahlkampf rund um die „Enteignung der Banken“ nicht die Abwendung von der Linkspartei und den Fall unter die 5-%-Hürde verhindern können. Aber eine scharfe Kritik an der kapitalistischen Systemkrise hätte gesellschaftlich polarisierend gewirkt und vielleicht einen Teil der früheren Wähler­Innen überzeugt.
Ratgeberpose
Für eine reformistisch-parlamentarische Partei wie die Linkspartei wiegen Wahlniederlagen mindestens so schwer wie Niederlagen im offenen Klassenkampf.

Nach der Wahlniederlage wurde der Linkspartei vielfach empfohlen, sich mehr der außerparlamentarischen Arbeit zu widmen. Der gut gemeinte Ratschlag geht völlig daneben. Eine reformistische Partei bringt nur unter außergewöhnlichen Umständen Menschen auf die Straße – mit dem alleinigen Zweck, sie auf den Parlamentarismus zu fixieren. Im Alltag saugt ihr Apparat viele AktivistInnen der sozialen Bewegungen auf, um sie als Abgeordnete in den parlamentarischen Tretmühlen versacken zu lassen. Wenn RevolutionärInnen für die Reform der Reformismus eintreten, kann das nur in der Entrevolutionierung der RevolutionärInnen enden.

Ergebnisse der letzten Landtagswahlen der Linkspartei im Vergleich
Angaben in absoluten Zahlen der gültigen Stimmen

   LTW 2012
 LTW 2009/2010
Stimmenverluste
 Saarland  77.612 (16,1%)
113.664 (21,3 %)
-36.052
 Schleswig-Holstein  29.900 (2,3 %)
 95.764 (6,0 %)
 -65.864
 NRW  194.539 (2,5%)
 435.627 (5,6 %)
 -241.088
   302.051 645.055
-343.004

 

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