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Innenpolitik

Die Kriegsverbrecher sitzen in Berlin

Von Politisches Sekretariat des RSB | 15.09.2009

Die gnadenlose Tötung und Verletzung von ca. 150 Zivilisten, meistens Kinder und Jugendliche, im Dorf Haji Abdur Rahman, sechs Kilometer südöstlich des deutschen Bundeswehrlagers in der Stadt Kundus in der Nacht vom 3. September 2009 ist eine Folge eines rücksichtslosen Racheakts der deutschen Armee, einer der Besatzungsmächte in Afghanistan.

Die gnadenlose Tötung und Verletzung von ca. 150 Zivilisten, meistens Kinder und Jugendliche, im Dorf Haji Abdur Rahman, sechs Kilometer südöstlich des deutschen Bundeswehrlagers in der Stadt Kundus in der Nacht vom 3. September 2009 ist eine Folge eines rücksichtslosen Racheakts der deutschen Armee, einer der Besatzungsmächte in Afghanistan.

Die Menschen, die getötet wurden, gehörten zu dem Dorf Haji Abdur Rahman und umliegenden Dörfern. Sie nahmen Diesel aus den Tankern, die deutsche Truppen am Tag zuvor – nach einem bewaffneten Konflikt in der Region mit den Taliban (mit vier verletzten deutschen Soldaten und mehreren beschädigten Fahrzeugen) – auf ihrer Flucht zurückgelassen hatten. Aufgrund der Armut und der Not kamen die Menschen zu den verlassenen Tankwagen, um Kraftstoff aus dem Tank zu nehmen.

Jeder im Dorf hat sich Töpfe und Eimer gegriffen und ist losgelaufen, einige Bauern hatten sogar ihre Traktoren herangefahren. Sie waren mit dem Zapfen von Diesel beschäftigt, als zwei amerikanische Kampfflugzeuge des Typs F-15 auf Anforderung von Oberst Klein, Kommandant der Bundeswehr im Feldlager Kundus, zwei 500-Pfund-Bomben warfen. Oberst Klein hatte laut Medien-Berichten sogar auf den Abwurf von 2000 (!)- Pfund-Bomben bestanden, was allerdings von den amerikanischen Koordinatoren des Bombardements abgelehnt worden war. Vor einem Jahr hatten Bundeswehrsoldaten an einer Straßensperre eine afghanische Frau und zwei Kinder in einem Auto erschossen.
Kriegsverbrechen gerechtfertigt
Die deutschen Medien wiederholen gebetsmühlenartig die Version des Einsatzführungskommandos in Potsdam und des deutschen Kriegsministers Franz-Josef Jung, dass 56 Taliban getötet worden seien. Zivile Opfer oder verletzte Soldaten gebe es nicht, obwohl die Washington Post von 125 Toten und Verletzen darunter Zivilsten spricht und der ISAF-Oberbefehlshaber und US-General McChrystal persönlich am Samstag (5.9.) im Krankenhaus von Kundus die Opfer besucht hat und dabei sagte: „Es ist zu bedauern, dass auch sehr junge Leute, sogar Kinder unter den Opfern sind“.

Noch einen Tag vor dem Bombenangriff hatte „Verteidigungs“minister Jung an die deutsche Bevölkerung appelliert, die Soldaten in Afghanistan mehr als bisher zu unterstützen. „Wir beseitigen Gefahren für unser Land, indem wir Afghanistan stabilisieren und dort den Terrorismus zurückdrängen. Deshalb, denke ich, haben unsere Soldaten auch den Dank und die Unterstützung unserer Bevölkerung verdient.“

In der Bundestagsdebatte stellten sich die Parteivertreter von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen nicht nur hinter den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr. Dass der Bombenangriff auch noch der neuen Taktik des ISAF-Oberkommandos widerspricht – statt Luftangriffe auf militärische und zivile Ziele sollen nun Stammesführer gekauft werden – scheinen nur die Grünen mitbekommen zu haben.

Das Kriegsverbrechen vom 3. September wird von den Herrschenden geschönt, bemäntelt, gerechtfertigt:
Witfried Stolze, Sprecher des Deutschen Bundeswehrverbandes, erklärte im Interview mit der Deutschen Welle: „Das ist eine fatale Geschichte, dass man aus der Ferne und aus den USA über die Zahl der Todesopfer spekuliert. 125 ist mit Sicherheit zu hoch gegriffen. Wir gehen eher von den deutschen Zahlen aus. […] Im Übrigen hat der Kommandeur – das ist für uns festzustellen – richtig gehandelt“.

Der Sprecher des Bundesministeriums für „Verteidigung“ veröffentliche dessen Stellungnahme am 7.9.2009 um 12 h unter dem Titel: „Erfolgreicher Einsatz gegen Aufständische im Raum Kunduz“. Verteidigungsminister Jung erklärte: „Deshalb halte ich es auch für richtig, dass wir in einer solch schwierigen Situation unseren Oberst, der die Entscheidung getroffen hat, nicht alleinstehen lassen, wenn voreilig von schweren Fehlern gesprochen wird“. Und Bundeskanzlerin Merkel wollte in der Bundestagsdebatte „Vorverurteilungen nicht akzeptieren“.
Die Bundeswehr als Schutztruppe der Drogenbarone
2001 haben noch 70% der AfghanInnen die Präsenz ausländischer Truppen begrüßt. Heute lehnen sie deren Präsenz mit großer Mehrheit ab. Seit einigen Jahren wird die Sicherheitslage in Afghanistan zusehends schlechter, was auch die NATO einräumt. Die Präsenz und der Einsatz ausländischer Truppen stacheln den Widerstand an. Sie werden als Besatzungstruppen empfunden, die die korrupte Karzai-Regierung unterstützt. Hier sei nur auf den Drogenanbau verwiesen, der seit 2001 um 90 % zugenommen hat oder auf die gefälschten Wahlen, die der Abgeordnete Eckart von Klaeden (CDU/CSU) als „beeindruckendes Beispiel für den Fortschritt im Land“ sieht.

Auch die Bundeswehr, die seit 2002 in Afghanistan ist, wird im Raum Kundus von der Bevölkerung immer mehr als Besatzerin wahrgenommen und ist besonders seit 2007 täglich Angriffen der Widerstandsgruppen ausgesetzt. Die Taliban sind dort nur eine von fünf verschiedenen Gruppen.

Das deutsche Militär in Kundus arbeitet mit den in der Bevölkerung verhassten Warlords der Nordallianz im Raum Kundus zusammen, um deren Sicherheit zu gewährleisten. Der von den Deutschen eingesetzte Gouverneur von Kundus, Omar, selbstverständlich ein Warlord und Drogenbaron, wiederholt natürlich die deutsche Version des Bombardements von 56 getöteten Taliban und null Zivilsten.
Die Weltherrschaft der Großmächte
Die „internationale terroristische Gefahr“ dient den Großmächten zur weltweiten Präsenz ihrer Streitkräfte und zu entsprechenden militärischen Operationen. Es geht auch um geostrategische Interessen der imperialistischen Staaten u. a. um die Kontrolle der Rohstoffe. So ist durch Afghanistan und Pakistan der Bau einer Pipeline zum Indischen Ozean geplant. Wichtig für die deutsche Regierung ist jedoch, nach Jahrzehnten der außenpolitischen Bedeutungslosigkeit im Kreis der Großmächte gleichberechtigt aufgenommen zu werden und entsprechend – auch militärisch – handeln zu können.

Entsprechend werden Heer, Marine und Luftwaffe umgerüstet. Das neue Kriegsschiff Fregatte Typ F 125 soll über zwei Jahre in internationalen Gewässern in Einsatz stehen können. Es wird mit schwerer Artillerie ausgerüstet, um von See aus Landziele beschießen zu können. Das ist nichts anderes als ein Zurück zur alten Kanonenboot- und Kolonialpolitik Wilhelms II. angepasst an das 21. Jahrhunderts. Da jubeln die Offiziere und Militaristen!
Der Militarismus meldet sich wieder zu Wort
Beim 2002 begonnenen Afghanistaneinsatz sind bisher 28 deutsche Soldaten ums Leben gekommen. „Wir befinden uns im Krieg“, erklärte Oberst Bernhard Gertz, Chef des BundeswehrVerbandes. Der Bundeswehrverband – angeblich die Interessenvertretung aller Soldaten; in Wirklichkeit die der Offiziere
und Militaristen – wirft der Bundesregierung vor, mit „gestelzten Wendungen“ die Wahrheit über den deutschen Einsatz in Afghanistan zu verschleiern. Ein bei Kundus getöteter 29-jähriger Soldat aus Zweibrücken sei nicht ums Leben gekommen, wie bei seiner Beisetzung erklärt worden sei. „Richtig ist: Dieser Hauptfeldwebel ist für die Bundesrepublik Deutschland gefallen“, sagte Gertz. Diese Militaristen wollen deshalb von der Bundesregierung das Wort „Krieg“ für den Afghanistaneinsatz hören, weil sie wirklich Krieg (führen) wollen.  „Verteidigungs“minister Jung sprach sich nur deshalb dagegen aus, den Einsatz in Afghanistan als „Krieg“ zu bezeichnen, weil dann die Taliban nämlich Kombattanten wären und in berechtigter Weise auf uns schießen könnten“.

Kein Wunder, dass ein Oberst Kirsch zu dem Bombenangriff bei Kundus erklärt: „Ich stelle mich als Bundesvorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbandes mit 206.000 Mitgliedern vor Oberst Klein!“. Für Kirsch muss die Bundeswehr in Afghanistan „zur Abwehr großer, gestaffelter Angriffe“ noch mit Panzerhaubitzen, d. h. schwerer Artillerie, ausgerüstet werden. Gleichzeitig fordert Oberst Kirsch die Wiedereinführung einer Militärgerichtsbarkeit, damit keine zivilen Staatsanwälte gegen Militärs ermitteln. Denn der Beschuss mit Panzerhaubitzen könnte doch auch mal danebengehen und Zivilisten treffen. Sicherlich würden dann die „Kameraden“ im Militärgericht mehr Verständnis für Kriegsverbrecher aufbringen.

Wir dagegen akzeptieren nur:
Bundeswehr und alle anderen ausländischen Truppen raus aus Afghanistan!

Und wir sagen:
ProletarierInnen aller Länder, vereinigt euch!

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