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Betrieb & Gewerkschaft

Die Herbstkampagne des DGB zu den Reformen: Mehr als nur ein Dampfablassen?

Von W. Walrave | 01.09.2006

Der DGB plant für die Herbstmonate September/Oktober eine Kampagne gegen die Reformvorhaben der Regierung. Höhepunkt sollen Kundgebungen und Demonstrationen in Berlin, Dortmund, Wiesbaden, Stuttgart und München am Samstag, den 21. Oktober sein.  Die Themen der DGB-Kampagne sind: Finanzielle Sicherheit im Alter, Erwerbschancen junger Menschen; Mindestlöhne, prekäre Beschäftigung, Leiharbeit und die Gesundheitsreform.

Der DGB plant für die Herbstmonate September/Oktober eine Kampagne gegen die Reformvorhaben der Regierung. Höhepunkt sollen Kundgebungen und Demonstrationen in Berlin, Dortmund, Wiesbaden, Stuttgart und München am Samstag, den 21. Oktober sein.  Die Themen der DGB-Kampagne sind: Finanzielle Sicherheit im Alter, Erwerbschancen junger Menschen; Mindestlöhne, prekäre Beschäftigung, Leiharbeit und die Gesundheitsreform.

So erfreulich es ist, dass der DGB endlich Aktionen auf der Straße machen will, so sind doch erhebliche Vorbehalte angebracht, wie ernst es die Gewerkschaften mit den angekündigten Protesten meinen. Das betrifft sowohl die bisher ersichtliche inhaltliche Ausgestaltung der Aktionen wie auch die Beweggründe für diese.
Die Inhalte der Proteste
Bisher sind keine konkreten Forderungen seitens des DGB aufgestellt. Im Gegenteil: Nicht einmal die sowieso schon skandalös niedrige Forderung nach einem Mindestlohn von 7,50 Euro/Stunde wurde in einem Rundschreiben des DGB-Bayern zur Herbstkampagne erwähnt. Dort heisst es schwammig: “Wir wollen, dass jeder von seiner Arbeit und seinem Einkommen leben kann.” 

Zur Gesundheitsreform steht dort: “Die Gesundheitsreform ist in Wirklichkeit eine kranke Reform. Sie gefährdet das Solidarsystem der gesetzlichen Krankenversicherung und belastet Versicherte und Patienten. Wir fordern gesunde Reformen statt kranke Profite”. Sollen im Umkehrschluss eine “gesunde Reform” und “gesunde Profite” die Lösung darstellen?  Auf einer solch inhaltslosen Basis werden die Proteste des DGB der Regierung und dem Kapital nicht weh tun. Aber vielleicht tut sich noch irgend etwas zum Positiven! Vielleicht sind die angekündigte Plakate und Flugblätter für die Betriebe inhaltlich schärfer!??
Unausgegorene Beweggründe
Noch Anfang des Jahres erteilte DGB-Chef Sommer geforderten Aktionen gegen die Regierungspolitik eine Absage. Nach der breiten Streikbewegung von Ver.di und massiven Abwehrkämpfen gegen Arbeitsplatzabbau und Betriebsverlagerungen in einigen Metallbetrieben, der Demo am 3. Juni und zuletzt der auch im Inland sich erholenden Konjunktur, die den Unternehmen grandiose Gewinne beschert, scheint der Druck und die Erwartungshaltung der Gewerkschaftsbasis so groß zu sein, dass der DGB besagte Aktionen ansetzten musste.  Das ist die eine Seite. Andererseits tat der DGB in der Begründung für die Aktionen gleich ihre Beschränkung kund. Sommer sprach davon, im Herbst die Reformvorhaben der Regierung mit Aktionen “begleiten” zu wollen. Mitnichten ist die Sprache davon, auch nur ein Reformvorhaben der Regierung zu verhindern!

Der DGB-Vorsitzende in Bayern, Fritz Schösser, sprach auf einer IGM-Vertrauensleute-Versammlung in München davon, dass “wenn wir im Herbst mit unsere Kampagne nichts erreichen, die Auseinandersetzung in den nächsten Tarifrunden gegenüber den Unternehmern fortgesetzt werden soll.” Schösser sagte nicht, was denn im Herbst mit der Kampagne erreicht werden soll. Wenn der DGB bzw. die Einzelgewerkschaften die Auseinandersetzung tatsächlich auf die Tarifrunden im Frühjahr 2007 verschieben will,  wäre dies  ein absoluter Taktikwechsel.

Schließlich wurde immer gesagt, dass, “was in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung an gewerkschaftlichen Forderungen nicht durchgesetzt oder erreicht werden könne, könne in der Tarifpolitik nicht zurück geholt werden.”
Gegenüber der Ernsthaftigkeit der in Aussicht gestellten “Perspektive” des DGB im Kampf gegen den sozialen Kahlschlag (s. Kasten 1) sind erhebliche Vorbehalte angebracht. Diese “Perspektive” deutet eher darauf hin, dass mit dem  Aktionstag am 21.10 erst mal wieder Schluss  mit dem “Widerstand” des DGB sein soll. Die Aktionen sind tatsächlich zum Dampfablassen gedacht, und um die verloren gegangene “Dialogbereitschaft” der Großen Koalition mit den Gewerkschaften einzuklagen!
Oder vielleicht doch mehr?
Die Aussichten, dass aus dem 21.10 mehr werden soll als ein Dampfablassen sind also nicht besonders gut. Einerseits! Andererseits könnte der DGB sich gezwungen sehen, – nachdem die Konjunktur nicht nur beim Export, sondern auch im Inland anzuspringen scheint –, und den dadurch erhöhten Erwartungen vieler Kolleginnen und Kollegen, dass sich der DGB endlich entschieden gegen den sozialen Kahlschlag von Regierung und Kapital wendet, zu stärkeren Mitteln als nur zu Kundgebungen und Demonstrationen an einem arbeitsfreien Tag zu greifen. Dass der DGB dieses Szenario für seine Herbstkampagne zumindestens ins Kalkül zieht, mag die Aussage von DGB-Schösser auf besagter VK-Versammlung in München belegen. Er forderte nämlich “im Vorfeld des 21. Oktober dürfe keine Betriebsversammlung, Betriebs/Personalrats- und VK-Sitzung  ohne die Thematisierung des gigantischen Umverteilungsprogramms der Regierung stattfinden”. Auch wurde von Schösser zu diesem Thema die Aktionsform der verlängerten Betriebsversammlung ins Gespräch gebracht.
Aufgaben für linke GewerkschafterInnen
Wie dem auch sei,  für linke und aktive GewerkschafterInnen, stellt sich die Aufgabe, die Gewerkschaftsspitzen beim Wort zu nehmen:

  • •    Im Vorfeld, aber auch nach dem 21. Oktober, für Aktionen in den Betrieben zu werben und sie mit zu organisieren.

  • •    Neben der Aufklärung über die Regierungsvorhaben gilt es klar zu machen, dass es am und nach dem 21.10. nicht darum gehen kann, die Reformen “kritisch zu begleiten”, sondern die Reformvorhaben mit weiteren Aktionen bis zum Streik zu verhindern! Auf welche Reform mensch die Proteste zuerst konzentriert bzw.  welche Forderung im Herbst in den Vordergrund zu rücken ist, hängt von der gesellschaftlichen Diskussion ab und davon, wo sich das meiste gesellschaftliche Mobilisierungspotential abzeichnet.

  • •    Natürlich sollen die Proteste im Sinne des Aufbaus einer außerparlamentarischen Opposition bis zu den Tarifrunden 2007 andauern. Aber sie dürfen nicht darauf verschoben werden. Es soll vom 21.10. bis zum Frühjahr 2007 keine Lücke in der gewerkschaftlichen Mobilisierung geben.

  • •    Das Bündnis 3.6. “Schluss mit den Reformen gegen uns!” wird RednerInnen aus der sozialen Bewegung  für die Kundgebungen am 21.10 vorgeschlagen bzw. beim DGB anmahnen. Schließlich waren es die sozialen Bewegungen, die in den letzten zwei
    Jahren nach der großen Montagsdemo-Welle weiter gegen die soziale Demontage gearbeitet und mobilisiert haben.

Darüber hinaus sollten wir uns auf den Aktionen des DGB mit klaren Forderungen,  wie auf der  Demonstration vom 3. Juni und beim “Frankfurter Appell”, vom inhaltlichen  Wischi-Waschi-Kurs der Gewerkschaften absetzen (s. Kasten 2). Tragen wir in diesem Sinne unser Möglichstes dazu bei, um den 21.10. zu einem Erfolg im Kampf gegen Regierung und Kapital zu machen!

 

DGB Bayern – Folgen den Worten auch Taten?
“ … Wir werden in Bayern Aktivitäten entwickeln, die zielgerichtet und konzentriert auf den Aktionstag zulaufen – und über den Aktionstag 21.10. hinausreichen. Wir müssen unseren Mitgliedern und der Öffentlichkeit zeigen, dass wir es nicht bei einem punktuellen Protest und einem Aktionstag belassen.”

Aus: Rundschreiben des DGB Bayern

 

Unsere Forderungen
  • •    Gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro in der Stunde!
  • •     Mindesteinkommen von monatlich 1500 Euro Brutto!
  • •    Verbot von Entlassungen!
  • •    Betriebe, die Gewinne machen und gleichzeitig Arbeitsplätze vernichten, sind zu enteignen!
  • •    30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich unter definierten Arbeitsbedingungen!
  • •    Arbeitszeitverkürzung bis alle Arbeit haben!
  • •    Offenlegung der Firmenkonten und Geschäftsbücher!
  • •    Enteignung der Vermögen der 756.000 Dollarmillionär­Innen!
  • •    Gleiche Rechte für alle!
  • •    Nur außerparlamentarische Opposition bricht die Offensive des Kapitals!

 

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