Die Frauen der Pariser Kommune
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Geschichte des Feminismus

Die Frauen der Pariser Kommune

17.03.2021

Die Frauen spielen eine wichtige Rolle der revolutionären Pariser Kommune. Auch wenn die Arbeiterbewegung noch durch Männer dominiert war. Das Wahlrecht spielte für die Revolutionärinnen eine untergeordnete Rolle. Sie hatten andere Ziele.

Am 18. März 1871 erhebt sich in Paris das Volk gegen die Regierung Thiers. Mit einer Reihe fortschrittlicher Maßnahmen wollen die Aufständischen eine demokratische Herrschaftsform begründen, die die Interessen der einfachen Bevölkerung in den Mittelpunkt stellt. Welche Rolle gerade die Frauen auf den Barrikaden der Commune[1] gespielt haben, beleuchtet das folgende Interview mit der Historikerin Mathilde Larrère. Der Interviewer war Yohann Emmanuel.

Was kann man über die Rolle der Frauen während der Ereignisse des 18. März, die den Beginn der Kommune markieren, sagen? Lässt sich eine Parallele zu anderen revolutionären Ereignissen ziehen, in denen die Frauen eine zentrale Rolle innehatten, wie dem Marsch auf Versailles am 5. und 6. Oktober 1789 oder der Demonstration zum Internationalen Frauentag am 8. März 1917, der die Russische Revolution einleitete?

Am 18. März machten sich sehr viele Frauen auf den Weg zum Hügel Montmartre, um die Soldaten daran zu hindern, die Geschütze dort zu beschlagnahmen. Die Erklärung dafür liegt einfach darin, dass es früh am Morgen war und die Frauen zuerst aufgestanden sind, um Wasser, Brennholz etc. zu holen. Aber es waren auch Männer dabei – wenn auch nur, weil die Frauen Alarm schlugen – und vor allem die Föderierten der Nationalgarde, die bloß aus Männern bestand und für Frauen nicht zugelassen war. Insofern war es ein recht gemischtes Volk, das sich mit den Soldaten auf dem Champs des Polonais auf Montmartre verbrüderte.

Am 5. und 6. Oktober 1789 waren die Frauen die treibende Kraft (es war ein Frauenverband, die Dames de la Halle – die Frauen aus den (Markt-)Hallen –, die die Bewegung ins Leben rief), bevor sich die Nationalgarde ihnen anschloss; und am 8. März 1917 war es der Internationale Frauentag (seither ist dieser Tag auf den 8. März festgelegt). In all diesen Fällen wird bloß der Rolle der Frauen an diesen jeweiligen Tagen gedacht und für die übrige Zeit ausgeblendet, obwohl sie auch am 10. August 1792 und im weiteren Verlauf der Ereignisse von 1871 und der Russischen Revolution etc. präsent waren. Ihre Präsenz wird also bloß in Verbindung mit ihrer sozialen und hauswirtschaftlichen Rolle – besonders bei der Beschaffung von Nahrungsmitteln – sichtbar gemacht: Der 5. Oktober 1789 war ein Getreideaufstand, bei dem die Frauen nach Versailles gingen, um Brot zu holen, auch wenn sie am Ende den König nach Paris zurückbrachten; und der 8. März 1917 war für einen großen Teil der Petersburger Frauen, nämlich derer aus den Arbeitervierteln, weniger eine Demonstration für die Rechte der Frauen als eine Demonstration für Brot und Frieden. Daher darf die Sicht auf ihre Teilnahme an den revolutionären Ereignissen nicht auf diese wenigen Tage eingeengt werden, auch wenn diese die Initialzündung waren.

Danach waren sie aber nicht in den offiziellen Institutionen der Commune vertreten. Haben sie das nicht eingefordert?

Es war kein Wahlrecht der Frauen bei der Wahl der Commune am 26. März vorgesehen und tatsächlich erhoben sie auch kaum Anspruch darauf. Das Wahlrecht war zu dieser Zeit keine vorrangige Forderung der Frauen: Anderes ging vor, erst recht bei den Kommunardinnen, von denen die meisten Sozialistinnen oder „Montagnardes“ (Sozialdemokraten) waren. Auf ihre Forderungen werden wir noch zurückkommen. Übrigens verhielt es sich genauso in der Französischen Revolution: Wohl ist oft die Rede von Olympe de Gouges und ihrer Erklärung der Rechte der Frauen und Bürgerinnen, mit der sie indirekt (aber nie explizit) das Wahlrecht einforderte, aber wie Dominique Godineau in ihren Werken über die revolutionären Frauen nachweist, forderten sie viel eher, der Nationalgarde beitreten zu können, als wählen zu dürfen.

Ist die Beteiligung von Frauen an den Kämpfen eine Besonderheit der Commune?

Nein, schon immer waren Frauen in Kämpfe involviert, aber hier muss man unterscheiden. Mit der Waffe in der Hand zu kämpfen, war in den Aufständen vor der Commune eher unüblich, weil Frauen nicht unbedingt wussten, wie man mit Waffen umgeht, und weil die Mentalität vorherrschte, wonach es einfach unvorstellbar war, dass Frauen den Tod und zugleich das Leben gaben. So wurden sie von Waffen ferngehalten. Andererseits nahmen sie an Barrikadenkämpfen teil (besonders 1830 und 1848). Eine Barrikade soll eine Straße versperren, damit die anstürmenden Soldaten aufgehalten werden. Die Kämpfe finden dann auf zwei Ebenen statt: Zum einen kommt es zu einer direkten Konfrontation zwischen den Soldaten und den bewaffneten Männern auf der Barrikade, zum anderen wirft die Bevölkerung verschiedene Gegenstände aus den Fenstern – und das sind vorwiegend Frauen. Diese zweite Ebene ist ebenso wichtig (Untersuchungen haben gezeigt, dass es während der Aufstände gegen die Julimonarchie mehr Schädelbrüche als Schussverletzungen unter den Truppen gab), wird aber oft vergessen. Außerdem luden die Frauen auch die Gewehre nach, versorgten die Verwundeten und richteten die Barrikaden wieder auf etc. Die Besonderheit der Kommune war, dass Frauen häufiger mit der Waffe in der Hand an den Kämpfen teilnahmen, vor allem auf Barrikaden, die von männlichen Kämpfern verlassen worden waren.

Eine der bedeutendsten Frauenorganisationen in der Commune war auch direkt in die Kämpfe involviert: die Frauenunion für die Verteidigung von Paris und die Pflege der Verwundeten. Können Sie dazu etwas sagen? Und in welchen Zusammenhängen konnten sich Frauen sonst organisieren?

Dies ist eine Organisation, die von Elisabeth Dmitrieff gegründet wurde, die von der IAA [Internationale Arbeiterassoziation, der offizielle Name der Ersten Internationale] von London nach Paris delegiert worden war. Ursprünglich waren zwei Männer delegiert worden, aber einer von ihnen war wegen Krankheit verhindert, sodass sie ihn kurzerhand ersetzte. Diese Organisation ist wegen ihrer Doppelfunktion interessant: die Verteidigung von Paris, womit die Frauen den Tabubruch einforderten, Waffen tragen zu dürfen; und die Versorgung der Verwundeten, die dem gegenüber der klassischen Rolle der Frau in der geschlechtlichen Arbeitsteilung entspricht. Es ist die am besten strukturierte und ziemlich zentralisierte Organisation mit drei Ebenen: lokale Komitees in jedem Bezirk, in denen Vertreterinnen für ein übergeordnetes Komitee gewählt wurden, und schließlich ein Zentralkomitee, das von Elisabeth Dmitrieff geleitet wurde.

Aber es gab auch andere Organisationen, vor allem Klubs, wie den Montmartre-Klub, in dem André Léo mitwirkte. Auch zwischen diesen Organisationen gab es gewisse Spannungen: Als André zum Beispiel auch der Frauenunion zur Verteidigung von Paris und der Pflege der Verwundeten beitrat, zeigte sich Elisabeth Dmitrieff über diese Doppelmitgliedschaft stark verärgert. Diese verschiedenen Organisationszusammenhänge waren „nicht gemischt“ (auch wenn der Begriff anachronistisch ist), von Frauen geführt und organisiert, genau wie die Frauenklubs in der Französischen Revolution oder im Jahr 1848 (und auch die Zeitungen von 1848), auch wenn in einigen Fällen Männer unterstützend tätig werden konnten. Die Frauen verstanden, dass sie sich so organisieren mussten, um handeln zu können und Gehör zu finden!

Gab es weitere „prominente“ Kommunardinnen?

Außer Louise Michel sind alle weitgehend in Vergessenheit geraten. Und auch sie – und vielleicht noch [Victorine] Brocher – sind hauptsächlich wegen ihrer Schriften in Erinnerung geblieben. Daneben gab es aber sehr viel mehr erwähnenswerte Frauen. Etwa André Léo, Verfasserin einer großartigen Kampfschrift La guerre sociale, in der sie kritisierte, dass man seit 100 Jahren „die Revolution ohne die Frauen machen“ will; Dmitrieff, deren weiteres Leben nach der Commune weitgehend unbekannt ist; Paule Minck oder auch die etwas bekanntere Nathalie Lemel, die mit Eugène Varlin zusammenarbeitete und mit ihm eine Gastronomiegenossenschaft für das einfache Volk (La Marmite) gegründet hat. Aber über die meisten Kommunardinnen gibt es keine Aufzeichnungen, abgesehen von ein paar namentlichen Erwähnungen auf Plakaten oder in den nachfolgenden Gerichtsakten aus Versailles. Davon abgesehen gilt dies mehr oder minder auch für die meisten Männer, die in der Commune kämpften, sieht man von Vallès, Courbet, Pottier und einigen anderen ab.

Außer dem Beitritt in die Nationalgarde oder darüber hinaus dem Recht, Waffen tragen zu dürfen, welche wichtigen Forderungen haben die Frauen der Commune noch gestellt?

Ihre Forderungen waren die, die schon von den Frauen 1848 erhoben worden waren, denen sie sozial und politisch recht nahe standen: das Recht auf Arbeit, gleiche Bezahlung wie die Männer und damit dieselbe Anerkennung ihrer Qualifikation. Sie forderten auch das Recht auf Bildung ein, das Scheidungsrecht, die Anerkennung der unehelichen Kinder, die Anerkennung der Konkubinen und ihre Gleichstellung mit den verheirateten Frauen. Einige von ihnen, namentlich Louise Michel, verlangten auch die Abschaffung der Prostitution.

Welche dieser Forderungen wurden erfüllt?

Im Rahmen der Frauenunion für die Verteidigung von Paris und die Versorgung der Verwundeten stand auch die Frauenarbeit im Mittelpunkt, und Elisabeth Dmitrieff erreichte die Zusage über eine Lohngleichheit, die sogar per Dekret für einen bestimmten Beruf garantiert wurde; sie gründete sogar Produktionsgenossenschaften für Frauen. Zahlreiche Schulen für Jungen und Mädchen wurden gegründet. Konkubinen wurden anerkannt, da die Kommune verfügte, dass die Ehefrauen oder Konkubinen von im Kampf verwundeten oder gefallenen Nationalgardisten eine Rente erhalten sollten; auch die unehelichen Kinder wurden anerkannt. Hingegen wurden die Frauen nicht zur Föderierten Nationalgarde zugelassen: In der Blutigen Woche griffen sie dann von sich aus zu den Waffen.

Welche Rolle spielten die Frauen damals in der Arbeiterbewegung?

Dies war recht problematisch. Die Arbeiterbewegung war nicht nur männerdominiert, sondern es gab auch etliche Strömungen, die gegen die Arbeit von Frauen waren, die ihnen als illoyal galt, weil sie schlechter bezahlt wurde. Und sie sahen in ihnen auch – allerdings vor allem in der Folgezeit –  Streikbrecher, wofür es gar keinen Beleg gab, weil die Arbeitsteilung so geschlechtsspezifisch war, dass eine Frau nicht die Arbeit eines Mannes machen könnte.

Außerdem hielten sie Fabrikarbeit für amoralisch, und viele in der Arbeiterbewegung und der Internationale wollten, dass die Frauen, insbesondere wenn sie verheiratet waren, wieder in den Haushalt zurückkehren und zu Hause arbeiten sollten, und zwar unter noch schlechteren Bedingungen als in den Fabriken. In der französischen Arbeiterbewegung kamen noch der Einfluss des Proudhonismus und Proudhons ausgeprägte Frauenfeindlichkeit hinzu.

Dies galt natürlich nicht für alle Genossen. Eugène Varlin setzte sich beispielsweise sehr für die Gleichstellung der Geschlechter und insbesondere für gleiche Bezahlung ein, und als er zusammen mit Nathalie Lemel La Marmite gründete, waren die organisatorischen Aufgaben gleich verteilt. Aber solche Genossen waren in der Minderheit: Es gab mehrere Kongresse oder Konferenzen der Internationale in der Zeit vor der Commune – vor allem während der Weltausstellungen –, die mit zutiefst frauenfeindlichen Texten endeten, die sich gegen die Frauenarbeit richteten. Dagegen kämpften Dmitrieff, André Léo und Paule Minck schon vor der Commune: Sie führten stark frequentierte Konferenzen durch, in denen sie das Recht auf Arbeit und gleiche Löhne propagierten. Der Slogan „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist ein Slogan der Pariser Commune.

Kann man sagen, dass es damals eine feministische Bewegung in Frankreich gab?

Das ist schwierig, denn das Zweite Kaiserreich hatte die feministischen Bewegungen, die sich 1848 gebildet hatten, weitgehend zerschlagen. Es gab einen langsamen Wiederaufschwung im Gefolge von André Léo oder Paule Minck, aber auch Maria Deraismes, die die 1869 gegründete Zeitung Le Droit des femmes leitete und eine zentrale Rolle in der 1870 gegründeten Vereinigung für die Rechte der Frauen spielte. Aber vor allem innerhalb der Arbeiterbewegung entwickelte sich ein sozialistischer Feminismus oder feministischer Sozialismus. Erst später entwickelte sich eine feministische Bewegung außerhalb der Arbeiterbewegung, im Gefolge der Suffragetten wie Hubertine Auclert und Marguerite Durand.

Wenn wir uns das Ende der Commune ansehen, gab es eine besondere Repression der Frauen durch die Versailler?

Ja, aber dies war zweischneidig. Einerseits wurden mehr Verfahren gegen Frauen als gegen Männer eingestellt, was lange Zeit als nachsichtigerer Umgang der Justiz gegenüber Frauen gewertet wurde. Betrachtet man jedoch die Urteile, so stellt man fest, dass Frauen härter verurteilt wurden: 13 % der verurteilten Frauen wurden zum Tode verurteilt, verglichen mit 0,9 % der Männer; und 13 % wurden zu Zwangsarbeit und 13 % zur Deportation verurteilt, während die Zahlen bei den Männern 2,3 % bzw. 11 % betrugen.

Der Grund dafür war, dass sie alle Tabus gebrochen hatten. Sie galten den Versaillern als Monster, besonders weil sie Frauen waren. Sie durchbrachen die Geschlechterordnung, indem sie ihren damalig angestammten Platz (in der Küche und an der Wiege) verließen und in die Politik gingen, was zwangsläufig mit einer Revolution einherging. So lässt sich das Bild der Petroleusen verstehen, als welche die Kommunardinnen stigmatisiert wurden. Dieses Klischee findet sich seit den ersten Bränden in der Commune. Es taucht in der Versailler Presse auf, in den Gemälden und in den Prozessen, in denen immer wieder bewiesen werden sollte, dass Frauen die Brände gelegt haben (wobei die Versailler vergaßen, dass sie es waren, die die ersten Brandbomben geworfen hatten!)

Hatte die Niederlage der Commune in den folgenden Jahren nachteilige Folgen auf die Lage der Frauen und ihre Forderungen?

Nicht unbedingt. Es kam zur Wiederherstellung der „moralischen Ordnung“ durch die Versailler, aber das betraf alle und nicht nur die Frauen. Und als die Dritte Republik ins Leben gerufen wurde, schaffte sie zwar das Frauenwahlrecht ab, aber das lag daran, dass Frauen als zu klerikal angesehen wurden, und stand nicht in direktem Zusammenhang mit der Commune. Es gab also keinen „Gegenschlag“ wie nach der Französischen Revolution mit der Verabschiedung des Code Civil (1804). Natürlich wurden die erzielten Fortschritte einer nach dem anderen getilgt, aber dies galt auch für das gesamte Werk der Kommune, das einfach ausgelöscht wurde.

Aus l’Anticapitaliste la revue vom Januar 2021.

Übersetzer: MiWe


[1] Die kommende Ausgabe der Internationale wird anlässlich des 150. Jahrestags ein ausführliches Dossier zur Pariser Commune enthalten.

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