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Innenpolitik

Die Eigentumsfrage stellen!

Von Jakob Schäfer | 14.05.2012

Nicht wenige der Gruppen und Organisationen, die zu den „Mai-Festspielen“ (Blockupy) in Frankfurt/Main aufrufen, stellen die „Macht der Banken“ in den Mittelpunkt. Sie folgen damit einer weitverbreiteten Stimmung, dass „die Banken an allem Schuld sind“ und dass deren Macht gebrochen werden müsse. Doch weder sind die Banken Urheber der Krise, noch folgt aus dem „Banken-Bashing“ eine zielführende politische Schlussfolgerung.

Nicht wenige der Gruppen und Organisationen, die zu den „Mai-Festspielen“ (Blockupy) in Frankfurt/Main aufrufen, stellen die „Macht der Banken“ in den Mittelpunkt. Sie folgen damit einer weitverbreiteten Stimmung, dass „die Banken an allem Schuld sind“ und dass deren Macht gebrochen werden müsse. Doch weder sind die Banken Urheber der Krise, noch folgt aus dem „Banken-Bashing“ eine zielführende politische Schlussfolgerung.

Dass gerade in Deutschland die Banken als die Verursacher der Krise angesehen werden, ist erst einmal nicht verwunderlich. Die stark exportorientierte deutsche Industrie verzeichnete zwar Ende 2008/2009 einen relativ starken Absatzeinbruch. Aber schon ab Ende 2009 ging es für sie mächtig aufwärts und sie konnte seitdem ihre dominante Stellung gegenüber ihren ausländischen Konkurrentinnen noch ausbauen. In gewisser Weise profitiert sie sogar von der Krise, nämlich dort, wo sogenannte „Mitbewerberinnen“ inzwischen die Segel streichen müssen.
Dagegen gelten die Banken als „die Zockerinnen“ und vor allem als diejenigen, die zusätzlich noch gewaltige staatliche Mittel einstreichen. Sie werden in der Öffentlichkeit oft als die für die Eurokrise Verantwortlichen angesehen, weil sie „aus lauter Gier“ auch dorthin Geld verliehen haben, wo eigentlich keine Rückzahlung zu erwarten ist.

Der Artikel von Guenther Sandleben auf den folgenden Seiten macht deutlich, dass mit dieser Sicht, wie sie vor allem von den Mainstream-Medien fleißig gefördert wird, die Dinge auf den Kopf gestellt werden. Quasi zur Einleitung hier ein paar Sachverhalte sowie einige politische Schlussfolgerungen:
Verwertungskrise
Für große Teile der Welt (besonders für Europa) gilt, dass sich das kapitalistische System in einer tiefgreifenden Verwertungskrise befindet. In den meisten Wirtschaftssektoren gibt es eine wachsende Überproduktionskrise, d. h. es gibt zu viele Kapazitäten, um das Kapital ausreichend zu reinvestieren und mit derselben Profitrate eine erweiterte Reproduktion zu starten. So steigen zwar die Profitmassen in vielen Konzernen (weil z. B. mittels Fusionen größere Kapitalmassen verwertet werden). Aber längst nicht alle kapitalistischen Unternehmen können eine Profitrate von zwanzig oder mehr Prozent aufweisen. Der Durchschnitt liegt eher bei 10 – 12 %, in nicht wenigen Bereichen auch deutlich darunter.

Dass es für das Kapital bedeutende Anlageschwierigkeiten gibt, zeigt die sinkende Investitionsrate (siehe Tabelle). Auch wenn einigen von Stockhammers Schlussfolgerungen nicht zuzustimmen ist, so zeigt die Tabelle doch zwei Dinge auf:

  • Ein immer geringerer Teil des Betriebsüberschusses wird wieder neu angelegt.
  • Der wachsende private Reichtum der Kapitaleigner­Innen (und damit eines großen Teils der Superreichen, der HNWI, s. Kasten) ergibt sich aus dem größeren Anteil des konsumtiv verbrauchten Anteils des Mehrwerts. 

Heute leiden sogar Pharmakonzerne unter sinkenden Profitraten (Merck in Darmstadt will Kosten einsparen und Stellen abbauen). Und die nächste Autokrise ist schon im Anmarsch. Opel wird eines der nächsten Opfer werden, angesichts einer weltweiten Überkapazität von gut 25 %. Dramatischer noch ist es bei den Hersteller­Innen von Druckmaschinen usw.
Nur der Vollständigkeit halber sei hier noch darauf hingewiesen, dass neben dieser Verwertungskrise – die für sich genommen schon eine Systemkrise, also mehr als eine Konjunkturkrise ist – noch die ökologische Krise, die Ernährungskrise, die Energiekrise usw. hinzutreten. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die „Ökosozialistischen Flugschriften“ des RSB, in Kürze von unserer Website www.rsb4.de  herunterzuladen.
Eurokrise hält an
Wenn der Internationale Währungsfonds gerade weitere 430 Mrd. $ eingesammelt hat, um bei Staatsschuldenkrisen  eingreifen zu können, dann ist dies nichts anderes als ein offenes Eingeständnis, dass die Eurokrise nicht gelöst ist. Die Europäische Union (EU) muss das Gros dieser Summe auftreiben (die USA und Kanada beteiligen sich wohlweislich nicht) und alimentiert weiterhin aus Systemerhaltungsgründen die Banken. Diesen werden dazu von der Europäischen Zentralbank  billige Kredite (1 % bei einer Laufzeit von 3 Jahren) zur Verfügung gestellt, die sie dann mit einem höheren Prozentsatz an die klammen Staaten verleihen (an Spanien mit über 5 %).

Damit wird aber nur der Tatsache Rechnung getragen, dass die Banken selbst gefährdet sind, und nicht, dass diese eine ungeheure Macht haben! Falls es demnächst bei einem mittleren EU-Land oder gar bei Italien zu einem Zahlungsausfall kommen sollte, dann werden auch die erweiterten Rettungsschirme (ESM u. ESFS) nicht ausreichen. Im letzten Jahr wurden deshalb die vorgeschriebenen Eigenkapitalquoten der Banken zweimal erhöht, was folglich ihren Finanzierungsbedarf deutlich steigen ließ: Laut Europäischer Bankenaufsicht (EBA) hatten die Banken im August 2011 einen Kapitalbedarf von 80 Mrd. €, im Oktober von 106 Mrd. € und mit dem Stresstest von Anfang Dezember 2011 von 115 Mrd. €. Die Banken in Europa müssen 2012 zusammen rund 725 Mrd. Euro an Schulden zurückzahlen. Wenn eine Bank groß genug ist (also „too big to fail“), wird sie weiterhin mit Staatshilfe rechnen können, aber sie diktiert diese Zahlungen nicht, sondern der „ideelle Gesamtkapitalist“, sprich der Staat, wird dies aus Gründen der „einfachsten Art“ der Systemreparation entsprechend umsetzen.
Mit den Banken anfangen …
Letztlich wird bei einer zugespitzten Klassenkampfsituation deutlich werden, an welcher Stelle die Eigentumsfrage mit der größten Schubkraft gestellt werden kann. Mit anderen Worten: Beim heutigen Stand der Dinge gibt es noch keine ausreichende Bewegung, die an einer solchen Frage für die Herrschenden bedrohliche Kämpfe entfaltet. Aber deswegen können wir auf die Frage, was mit den Banken oder etwa den Energiekonzernen geschehen soll, nicht mit Achselzucken reagieren. Wenn heute eine Sparrunde nach der anderen damit begründet wird, dass kein Geld da ist, gleichzeitig aber für die Systemreparation (Bankenrettungsfonds usw.) gewaltige Summen aufgebracht werden, dann kann es für uns nur eine Antwort geben, die auch vielen Kolleg­Innen unmittelbar einleuchtet:
Der ganze Bankensektor muss vergesellschaftet werden. Im Gegensatz zur Verstaatlichung kontrollieren dann die Beschäftigten und die einfachen Bankkund­Innen die Bücher und die Transaktionen. Es muss darum gehen, den Mechanismus des kapitalistische
n Bankensektors infrage zu stellen; der gesamte Banken- und Versicherungssektor muss dem Zugriff des Privatkapitals entzogen werden. Wir knüpfen hier also sowohl an einer objektiven Notwendigkeit wie auch an dem an, was die Kolleg­Innen politisch nachvollziehen können. Hierin liegt die besondere Bedeutung dieser Parole. Wir argumentieren:

Eine Bank gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge: zum Deponieren unserer kleinen Ersparnisse oder zur Finanzierung von Anschaffungen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, dies privatwirtschaftlich (und profitträchtig) zu betreiben. Eine europaweit wirkende Bank, mit einem nutzernahen Filialnetz könnte alle gesellschaftlichen Bedürfnisse befriedigen.

Die zentrale und regionale Kontrolle durch die Beschäftigten und die einfachen Bankkund­Innen würde allerdings die Aufhebung des Bankgeheimnisses für kapitalistische Unternehmen – statt für Hartz IV-Empfänger­Innen, wie es heute der Fall ist – zur Folge haben. Damit stellt sich indirekt die Systemfrage. Diese wird – obwohl weniger direkt – auch dann gestellt, wenn sich eine Bewegung für die Vergesellschaftung des Energiesektors entwickelt.

Entschädigungen von Kapital­eigner­Innen (auch bei den „gesunden“ Banken) sind grundsätzlich auszuschließen. Das gilt nicht nur für den Finanzsektor, sondern für alle Wirtschaftssektoren. Eine solche entschädigungslose Enteignung ist nichts anderes als die Inbesitznahme des Reichtums, den die Produzent­Innen selbst geschaffen hatten und der aus nichts anderem besteht als aus angeeignetem, akkumuliertem Mehrwert.

Von Vergesellschaftung kann nur gesprochen werden, wenn die Beschäftigten in Verbindung mit der Öffentlichkeit die Bankgeschäfte kontrollieren. Dazu müssen die Bücher offengelegt und alle Transaktionen transparent gemacht werden. Nur so lassen sich Spekulationsgeschäfte (Leerverkäufe usw.) verhindern. Bei zweifelhaften Überweisungen muss ein von den Beschäftigten gewählter Ausschuss in Absprache mit Bürger­Innenkomitees aus der Stadt/der Region über die Zulässigkeit entscheiden. Es geht letztlich um die kollektive Inbesitznahme. Ganz selbstredend muss eine vollständige Arbeitsplatzsicherheit durchgesetzt werden. Keine Entlassungen oder Abgruppierungen, außer für Manager­Innen und Vorstände.
… und auf das Gesamtkapital und die Reichen zielen
Die radikale oder revolutionäre Linke kann diese Bewegung nicht voluntaristisch schaffen, aber sie kann darauf bedacht sein, keine Losungen zu propagieren, die faktisch in eine Sackgasse weisen oder die im besten Fall Kosmetik darstellen.  Wer die Verhältnisse ändern will, kann vor der Enteignungsfrage nicht zurückschrecken. Das fängt bei der Enteignung der Millionär­Innen an und muss auf die Vergesellschaftung der Betriebe unter Kontrolle der Beschäftigen zielen.

 

HNWI
High Net Worth Individuals sind Personen mit einem verfügbaren Vermögen von mehr als 1 Mio. $, ohne selbst genutzte Immobilie. Sie besaßen 2007 weltweit: 40,7 Bill. $, 2008: 32.8 Bill. $; 2009: 39 Bill. $, 2010: 42,7 Bill. $ Finanzvermögen.
Privater Reichtum (ohne Betriebsvermögen!)
2010 gab es in Deutschland 829 000 Euro-Vermögensmillionär­Innen mit einem Gesamtvermögen von 2,2 Bill. €. Das ist eine Steigerung von 8,8 % gegenüber 2009.  Im Schnitt konnten Millionär­Innen in Deutschland seit 2003 ihr Vermögen jährlich um 8 % steigern, Milliardär­Innen sogar um 10 %. Die vermögensbezogenen Steuern machten 2009 nur 0,9 % des Bruttoinlandsproduktes aus, in der OECD 1,8 %, in der EU 2,6 %.
Geldvermögen der „D.A.CH-Millionäre“ in Billionen €:
   2008  2009 2010
 D  1,838  2,014  2,191
 CH  0,357  0,382  0,428
 A  0,185 0,210
 0,230

 
Quelle: Memorandum 2012

Investitionen in % des Betriebsüberschusses
  1970er
1980er
1990er
2000er
 Deutschland  52  48 42
35
 UK  55  48  44  42
 USA  46  44  39  39
 Frankreich  46  46  42  43
 Italien  41 36
 31  33
 Österreich  59 50  47  44
 EU-12  47 44
 40  40

Quelle E. Stockhammer

 

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