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Länder

Die Bewegung gegen die Auswirkungen der Krise im spanischen Staat

Von Laura A. | 21.02.2012

Die 2008 eingetretene Bankenkrise stellte den europäischen Regierungen angeblich nur zwei Alternativen: Entweder die Banken oder das Land geht unter. Die gemeinsame Entscheidung aller Regierungen: Um jeden Preis die Banken retten.

Die 2008 eingetretene Bankenkrise stellte den europäischen Regierungen angeblich nur zwei Alternativen: Entweder die Banken oder das Land geht unter. Die gemeinsame Entscheidung aller Regierungen: Um jeden Preis die Banken retten.

Im spanischen Staat hat die sozialdemokratische Regierung unter Zapatero im Jahr 2010 mit der Bankenrettung und dem Beschneiden der Rechte der Menschen angefangen. Ab dem 20. November 2011 übernahm die Rechtsregierung von Rajoy (Partido Popular) den Staffelstab.
In den letzten Monaten zog die neue spanische Regierung immer mehr die Schrauben an. Es folgten immer neue Angriffe gegen die Arbeiter­Innenklasse: Lohnkürzungen, Einfrieren der Gehälter der Beamten und des Mindestlohns, Steuererhöhung, Abschaffung der Hilfe zur selbstständigen Lebensführung von Jugendlichen und der Altenhilfe sowie ungeheure Kürzungen im öffentlichen Sektor (Krankenversicherung, Bildung, usw.). Diese „Reformen“ bewirkten, dass die Kosten der Krise auf die Lohnarbeiter­Innen abgewälzt werden konnten. Das ist ein schlagender Beweis dafür, dass sie die Absicht haben, sich ihre Krise von uns bezahlen zu lassen.
Charakter der spanischen Krise
Um den Charakter der spanischen Krise besser zu verstehen, muss mensch die wirtschaftliche Wachstumsweise im spanischen Staat in den letzten Jahren (seit den 90ern) kennen. Es waren die Wachstumsjahre Spaniens, aber über welches Wachstum sprechen wir? Hier einige Eckdaten: Zwischen 1999 und 2007 stiegen die Profite der Unternehmen um fast 50 %, Aktienwerte und anderer Finanzbesitzstand wuchsen um 90 % und die Immobilienwerte stiegen um 125 %. In der gleichen Zeit wuchs aber der Mindestlohn um kaum 1 %, die Rente um 18 % und das Arbeitslosengeld um 4 %. Dies zeigt offensichtlich, wem dieses Wachstum zugute kam.
Das Wachstum im spanischen Staat beruhte auf zwei Grundpfeilern: der Schaffung eines ungeschützten, prekären Arbeitsmarkts (Zeitarbeit usw.) und der Finanz- und Immobilienblase.

Nach dem Crash des Börsengeschäftes im Jahr 2000, wendeten sich die Spekulant­Innen im spanischen Staat dem Wohnungsbereich zu. Mit der Einführung des neuen Bundesbaugesetzes (von José Maria Aznar, der Präsident der rechts-konservativen PP-Regierung) im Jahr 1998 verwandelte sich die Immobilienspekulation in einen neuen Markt. Dieser konnte auf die Hilfe der Banken zählen, die ihm viele risikoreiche Kredite und Hypotheken gewährte. Außerdem setzte die Regierung mit einer neuen Arbeitsmarktreform Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durch.

Nach dem Aufkommen der neuen Bankenkrise kam der Handel im Immobiliensektor zum Erliegen. Das Ergebnis: viele neu gebaute Häuser mit hohen Preisen, aber keine Käufer­Innen.
In der jetzigen Krise im spanischen Staat gibt es keine Bankenkredite mehr, und auch wenig Konsum, weil es keine entsprechende Erhöhung der Löhne gegeben hat, als die Profite explodierten und die Immobilienpreise stiegen. Nach dem Untergang des Immobiliensektors folgt für die Arbeiter­Innenklasse nun die Arbeitslosigkeit.
Derzeitige Lage
Was nun ansteht, sind soziale Kürzungen im spanischen Staat, wie es sie seit dem Bürgerkrieg nicht mehr gegeben hat. Es geht um Kürzungen von 8,9 Milliarden Euro im öffentlichen Sektor (inkl. Lohnkürzungen und Entlassungen in den Verwaltungen) und um die Privatisierung des Bildungs- und Krankversicherungssystems. Gleichzeitig werden 100 Mrd. € für die Rettung des Bankensystems ausgegeben.
Das verräterische Verhalten der Bürokratien der großen Gewerkschaften (CCOO und UGT) spielt gerade jetzt eine wichtige Rolle. Sie haben die neuen Arbeitsmarktreformen akzeptiert, die Zeitarbeit, Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und schnelle Entlassungen ermöglicht.
Dieses Verhalten seitens der Gewerkschaften kommt zu einer Zeit, in der es eine Verschärfung des Klassenkampfs gibt und in der die Bewegung mehr denn je schlagkräftig sein müsste.
Die sozialen Kämpfe im spanischen Staat
2010 fanden im spanischen Staat einige Arbeitskämpfe in verschiedenen Sektoren statt. Das waren zum Beispiel der Kampf der U-Bahn-Arbeiter­Innen in Madrid oder der Kampf der Beamt­Innen gegen Lohnkürzungen. Diese Kämpfe waren in einigen Orten stark, aber nicht heftig genug, um größere Ergebnisse zu erzielen.

Danach kam der Generalstreik im September 2010 (seit 2002 hat es keinen Generalstreik mehr im spanischen Staat gegeben). Dieser war hilfreich, um alle Sektoren in einem gemeinsamen Kampf zu vereinen, aber in dieser Zeit war die soziale- und die Arbeiter­Innenbewegung noch zu schwach. Nach dem Streik gab es keine kontinuierliche und effektive Bewegung.

Seit Mai 2011 (mit der Bewegung vom 15. Mai, der Indignadas-Bewegung) erscheinen jetzt neue Perspektiven für den Klassenkampf. Trotz ihrer Widersprüche und ihrer nicht unbedeutenden Schwächen ist diese Bewegung etwas Hoffnungsvolles. Die arabischen Bewegungen haben es geschafft, die Ländergrenzen zu überwinden und kommen über Spanien nach Europa.

Die hauptsächlichen Schwächen dieser Bewegung sind aber: das niedrige Niveau des Klassenbewusstseins der meisten Teilnehmer­Innen und das Fehlen einer klaren politischen Perspektive. Aber sie ist trotzdem eine Massenbewegung. Im Mai 2011 demonstrierten auf der „Puerta del Sol“ in Madrid mehr als 70 000 Menschen. Wir sollten die Spontaneität und Selbstorganisation der Bewegung aber nicht überschätzen, denn eine echte Revolte hat sie noch nicht auf ihrem Plan. Die Bewegung ist auch kein neues politisches Subjekt, das die Arbeiter­Innenbewegung ersetzen könnte. Aber sie ist ein Schnittpunkt zwischen der Vorhut der Bewegung und den Massen der Unterdrückten. Diese Bewegung gibt den Arbeiter­Innen die Möglichkeit, politische und organisatorische Erfahrung zu sammeln.

Die täglichen Versammlungen auf den Plätzen und in den Stadtvierteln der meisten Städte im spanischen Staat schaffen eine fruchtbare und geeignete Umgebung für politische und antikapitalistische Ideen. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Bewusstsein der Teilnehmer­Innen zwangsläufig nach links entwickeln wird. Die antikapitalistische Linke sollte innerhalb der Bewegung ihre Ideen in den großen Versammlungen einbringen und sich an die Arbeitslosen, prekär Beschäftigten oder Jugendlichen wenden, weil wir bei ihnen am ehesten Gehör finden werden.
Perspektiven und Aufgaben der Antikapitalist­Innen
Jetzt ist es im spanischen Staat erst recht nötig, die Vereinigung und die Selbstorganisation der Arbeiter­Innen zu fördern, um die neoliberalen Angriffe der Regierung abzuwehren.

Bei dieser riesigen und brutalen Offensiven der herrschenden Klasse ist der Kampf der einzig mögliche Weg. Es braucht eine einheitliche Massenmobilisierung, die nicht nur stark, son
dern auch dauer­haft sein muss, um diese Barbarei zu stoppen.

Heute müssen wir wieder auf die Straße gehen, um eine große Bewegung aufzubauen und diese zu verbreitern. Es muss aber auch viel Arbeit innerhalb der Gewerkschaften geleistet werden, um die neuen Forderungen der soziale Bewegungen (wie die 15M-Bewegung oder aktuell die Bewegung gegen die Privatisierung des öffentlichen Sektors) mit den traditionellen Forderungen der Arbeiter­Innenbewegung zu verbinden.

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