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Betrieb & Gewerkschaft

Dicke Backen und magerer Abschluss: Marburger Bund unterschreibt schlechten Tarif

Von MiWe | 01.07.2006

Der Abschluss zwischen dem Marburger Bund (MB) und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) für die Ärzte an den Unikliniken markiert wahrhaftig keine Trendumkehr in dieser seit 15 Jahren von einseitigem Verzicht gekennzeichneten Tariflandschaft. Die auf den ersten Blick achtbaren Einkommenserhöhungen resultieren vorwiegend aus der Ausdehnung der Arbeitszeit, wodurch aber wenigstens ein Teil der bisher oft unbezahlten Überstunden abgegolten werden.

Der Abschluss zwischen dem Marburger Bund (MB) und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) für die Ärzte an den Unikliniken markiert wahrhaftig keine Trendumkehr in dieser seit 15 Jahren von einseitigem Verzicht gekennzeichneten Tariflandschaft.

Die auf den ersten Blick achtbaren Einkommenserhöhungen resultieren vorwiegend aus der Ausdehnung der Arbeitszeit, wodurch aber wenigstens ein Teil der bisher oft unbezahlten Überstunden abgegolten werden. Einige wenige Verschlechterungen, die der TVöD mit sich bringt, konnten revidiert werden (z. B. die Dauer der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) oder abgemildert werden (so die drastische Kürzung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes). Wesentliche Mankos aber wie die „Vereinbarung zur Zukunftssicherung“, die wirtschaftlich gefährdeten Krankenhäusern eine Lohnkürzung/umwandlung bis zu 10% erlaubt und die vom MB zu Recht heftigst kritisiert worden war, wurden nunmehr auch von diesem geschluckt – desgleichen die Fortschreibung der Ost/West-Ungleichheit. Alles in Allem kein Ergebnis, das der besonderen Betrachtung wert wäre und das weit hinter den Ansprüchen des MB zurückbleibt (dessen Führung hoffentlich eine entsprechende Resonanz der Basis erhält), wenn nicht die Auseinandersetzung ihre Fortsetzung auf kommunaler Ebene erführe und der MB zum Haudrauf von Ver.di und auch vieler Linker geworden wäre.
Dilemma mancher Kritiker
Eine Meldung in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 21.6.06 veranschaulicht dieses Dilemma: „Ver.di-Landesleiter Denia verwies darauf, dass die Dienstleistungsgewerkschaft den auch für die kommunalen Kliniken geltenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst 2005 „unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ geschlossen habe. Angesichts der Einsparungen im Gesundheitswesen befänden sich viele Krankenhäuser in einer schwierigen Phase, so dass Ver.di in zahlreichen Notlagentarifverträgen sogar Gehaltseinbußen zugestimmt habe. Falls sich die VKA nun zu deutlichen Gehaltszuwächsen für die Ärzte bereit erkläre, „würden wir das als Signal verstehen, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen stark verbessert haben“.
Falls die Finanzlage aber weiterhin schlecht sei, dann klammere der MB „die wirtschaftlichen Bedingungen völlig aus“, kritisierte Denia. Eine solche Tarifpolitik könne nur zu Lasten anderer Berufsgruppen gehen. Er gehe davon aus, dass ein solcher „Akt der Unmoral, wie ihn der Marburger Bund versucht“, die „Beziehungen zwischen den Berufsgruppen in den Krankenhäusern belasten“ werde.

Was treibt diesen Bürokraten so in Harnisch, dass er sich unfreiwillig darauf besinnt, welche Erwartungen Mitglieder einer Gewerkschaft an ihre Vertretung stellen? Wohl sein Unverständnis dafür, dass ausgerechnet der in seinem Selbstverständnis dem neoliberalen Umbau der Gesellschaft eher wohlwollende Marburger Bund die daraus resultierenden Nachteile für seine Mitglieder nicht hinnehmen will, während Ver.di zwar in Sonntagsreden und Theoriedebatten den mangelnden Verteilungsspielraum der Öffentlichen Hand als zwangsläufige Folge der steuerlichen Entlastung von Kapital und Vermögen anprangert, sich in der tariflichen Praxis aber dieser neoliberalen Logik vollends beugt. Dass es noch nicht einmal „schwieriger Rahmenbedingungen“ für diese völlige Unterwerfung unter die Kapitallogik bedarf, zeigt der Tarifvertrag mit den Privatbanken, der mit einer Nominallohnerhöhung in Höhe der Inflationsrate von 2,1% den Beschäftigten dieser an Rekordprofiten darbenden Branche mal wieder einen Kaufkraftverlust beschert.

Was also eingefordert wird seitens Ver.di und dann „moralisch“ sein soll, ist nichts anderes als solidarisch geübter Verzicht zugunsten der Mächtigen und Reichen. Dies kann unser Anliegen nicht sein. Statt den MB zum Popanz und die Krankenhausärzte zur privilegierten Schicht zu erklären, sollten wir dafür eintreten, dass beide Gewerkschaften vereint sich diese legitime Forderung nach 30% für Alle zueigen machen. Alles andere vertieft nur die Spaltung und erleichtert der Gegenseite das Geschäft.

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