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Betrieb & Gewerkschaft

DGB – Das Geht Besser

Von Klaus Engert | 01.09.2003

Was macht der DGB gegen die sog. Gesundheitsreform? Er lässt ein Buch schreiben!

Was macht der DGB gegen die sog. Gesundheitsreform? Er lässt ein Buch schreiben!

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Engelen-Kefer grinst uns von der Website des DGB an: Nachdem sie monatelang in der Rürup-Kommission gesessen hatte, dämmerte es ihr wohl allmählich, dass sie anderer Meinung als die Mehrheit der Kommission war. Und so entschloss sie sich, zusammen mit dem Vorsitzenden der IG Bau, Klaus Wiesehügel, dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von BMW, Manfred Schoch und Nadine Franz von der Schering AG, ihr Minderheitsvotum aus der Kommission zu veröffentlichen. Das dürfen die GewerkschafterInnen nun nicht etwa auf der Website des DGB nachlesen, nein, dafür ist es zu wertvoll. Für 7 Euro sechzig kann man es in Buchform beim VSA-Verlag erwerben.

Doch mit dieser mutigen Widerstandshandlung stehen Engelen-Kefer und der DGB nicht alleine da: Die Einzelgewerkschaften gehen teilweise noch erheblich weiter. Ver.di stellt heraus, dass mensch auch schon verlässliche BündnispartnerInnen gekeilt habe. "Mit dem DGB macht sich Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt in einer gemeinsamen Erklärung dafür stark, dass mit Hilfe der Reformen mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit ins Gesundheitssystem einziehen" (soll). Na, wenn das keine starken Bataillone sind! Und Vorstandsmitglied Schmitthenner von der IG Metall weiss sogar, warum die Pläne der Bundesregierung schlecht sind, nämlich weil "die einseitige Finanzierung des Krankengeldes durch die Arbeitnehmer unsozial und beschäftigungspolitisch kontraproduktiv (ist). Sie schmälert die verfügbaren Erwerbseinkommen und schwächt damit die Nachfrage." Dank Schmitthenner wissen wir es jetzt: Die Gesundheitsreform ist schlecht, weil durch die höheren Belastungen der Beschäftigten der restlichen Konsumindustrie das Geld geklaut wird. Unter dem Titel Forderungen der IG Metall steht dann auch noch der ominöse Satz: "Bei einer Reform müssten (weiterhin) die Prinzipien gelten, dass sich jeder so stark an der Finanzierung beteiligt, wie er es sich finanziell leisten kann". Da wird die Bundesregierung gleicher Meinung sein, nur dass die Ansichten darüber, wieviel sich wer leisten kann, auseinandergehen dürften.
Briefe an Abgeordnete
Eifrig wird in den Veröffentlichungen von Ver.di auch auf die verschiedenen gemeinsamen Initiativen, zum Beispiel mit attac, zu einer alternativen Gesundheitspolitik verwiesen. Und mensch weiss auch, wie so etwas durchzusetzen ist: "….ver.di (macht sich) für Nachbesserungen stark. Jede Menge Briefe sind in den vergangenen Tagen und Wochen an Bundestagsabgeordnete verschickt worden. Das Ziel: Die Abgeordneten dazu zu bewegen, sich ebenfalls dafür stark zu machen, dass die Gesundheitsreform noch "auf das richtige Gleis gebracht wird", wie (Vorstandsmitglied) Eggert betont. Eine wirklich bahnbrechende Widerstandsstrategie!

Nur auf eines sind die zitierten GewerkschaftsstrategInnen allesamt noch nicht gekommen. Dass es so etwas wie eine gewerkschaftliche Gegenmacht gibt und dass soziale Errungenschaften in der Geschichte in der Regel nicht durch Briefe an irgendwelche Abgeordnete durchgesetzt wurden, sondern durch Mobilisierung und Druck. Aber da ist so ein kleiner Haken. Nicht wenige unserer GewerkschaftsführerInnen haben selbst einen Stuhl im Bundestag stehen. Und wer sägt schon gerne an dem Ast, auf dem er samt den eigenen RegierungsgenossInnen sitzt. Und so erschöpft sich der heroische Widerstand der deutschen ArbeiterführerInnen im Verfassen von Büchern und Memoranden, Abgeben von folgenlosen Erklärungen und dem Schreiben von Briefen an Abgeordnete und damit absurderweise auch an die eigene Adresse.
Beispiel Österreich
In Österreich hatte der Gewerkschaftsbund ÖGB gegen die Rentenreform der dortigen Regierung zum politischen Generalstreik aufgerufen. Die Parlamentsentscheidung konnte damit nicht verhindert werden, aber zumindest haben die österreichischen GewerkschafterInnen, die den Aufruf zu fast hundert Prozent befolgten, Rückgrat und Selbstachtung bewiesen – und gezeigt, dass sie wissen, was das angemessene Mittel gegen sozialen Kahlschlag, unverschämte Abzocke und Umverteilungspolitik ist. In der BRD besteht das Rückgrat der GewerkschaftsführerInnen offensichtlich aus einem implantierten SPD- oder Grünen-Parteibuch. Bisher konnten sie sich nicht einmal dazu durchringen, die am 1. November geplante bundesweite Demonstration gegen den Sozialabbau in Berlin zu unterstützen, geschweige denn zu gewerkschaftlicher Aktion aufzurufen. Da wird die Gewerkschaftsbasis wohl selbst aktiv werden müssen.

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