TEILEN
Innenpolitik

Deutsche Befindlichkeiten und die Heuchelei in der Flüchtlingsproblematik

Von Heinz Jandl | 01.10.2015

Mutti Merkel hatte sich nach langem Schweigen schließlich doch noch gegen die rassistischen Barbaren gestellt.

Ihr Zaudern ergab sich, weil der CSU-Partner sich grade warm lief, um die „rechte Flanke“ durch Übernahme der rassistischen Pegida-Propaganda „abzudecken“ und damit zu stärken. Mit ihrer Positionierung war sie also ein gewisses Risiko in der Koalition eingegangen.

Wir werden uns künftig auf eine bedeutend stärkere Hetze von NPD bis CSU einzustellen haben. Der offizielle Medienbetrieb hat endlich eine neue Sprachregelung zum Mainstream gemacht, der sich nicht mehr an dem Nazivokabular von den „Menschenfluten“ bedient: Die Nazifloskel von der „Flut“ der Flüchtlinge wurde durch einzelne „Schübe“ und „Wellen“ ersetzt. Als ausgesprochen erfolgreich erwies sich die Verwendung der „Flüchtlingstrecks“. Damit werden Erinnerungen an das deutsche Flüchtlingselend vor 70 Jahren wachgerufen und ein neues Narrativ implementiert, das die Flüchtlinge in ein völlig anderes Licht rückt.

Die Welle der Hilfsbereitschaft wurde dadurch nachweislich (in NRW jedenfalls) enorm befördert. Täglich kann man im WDR Radio Interviews mit Helfer­Innen hören, die an diese „schlimme Zeit“ anknüpfen, als Eltern, Großeltern etc. auf „dem Treck“ waren.

Die NRW-Landesmutter H. Kraft fragt Flüchtlinge nun vor den Kameras, wie es ihnen auf „dem Treck“ denn ergangen sei.

Leerstehenden Wohnraum beschlagnahmen

Hier ist für uns eine Anknüpfungspunkt gegeben und wir sollten darauf hinweisen, dass damals leerstehender Wohnraum für Flüchtlinge beschlagnahmt wurde. (Berlin hat am 10. September erstmals ein leerstehendes Bankgebäude der Treuhand zu diesem Zweck beschlagnahmt und staunend erfährt man nebenbei dass dort in der Chefetage Duschen und Küchen in gebrauchsfertigem Zustand eingebaut sind.) In Germoney gibt es einen geschätzten Leerstand von ca. 40 000 Wohneinheiten. Es wäre zu prüfen, wie viele davon mindestens vorübergehend nutzbar sein könnten.

Skandalisiert werden muss von uns auch die Haltung der Kirchen: Obwohl in beiden großen christlichen Organisationen viele Gebäude mit Schlafsälen und Küchen leerstehen, ist von einer „Barmherzigkeit“ gegenüber den Armen nichts zu spüren. Dieser Skandal wird mittlerweile in mehreren Gemeinden thematisiert und hier und da wächst der Druck von unten. Aber dieses Versagen bezieht sich nicht nur auf das Christentum.

Warum Saudi Arabien als der „größte Freund des Westens“ (George Bush) klimabelüftete Zelte für mehr als eine halbe Million Menschen nicht zur Verfügung stellt, bleibt ebenso unerklärlich. Diese Zelte bleiben den jährlichen Pilgerscharen vorbehalten. Es sind und bleiben eben hier wie dort meist die Armen, die anderen Armen in ihrer Not beistehen.

Humanitäre Hilfe für Schutzbedürftige bleibt im Kapitalismus ansonsten Quelle staatlichen und privatwirtschaftlichen Profits: Das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellt fest, dass ohne jährliche Zuwanderung von mehreren hunderttausend Menschen die „Stärke und der Einfluss der deutschen Wirtschaft nicht zu bewahren“ sei.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Zur Startseite