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Betrieb & Gewerkschaft

Der politische Kampf der GDL

Von Jakob Schäfer | 11.01.2015

Selten war ein gewerkschaftlicher Kampf von vornherein so politisch wie der aktuelle Tarifkonflikt bei der Bahn und das nicht nur wegen des Dreifrontenkampfs. In den großen Medien ist von der Verweigerungshaltung der Bahn kein Wort zu vernehmen. Stattdessen wird weiter von Weselskys „Machtstreben gefaselt. Die Interessen der Beschäftigten spielen im Schmierenjournalismus keine Rolle.

Bisher (25.11.) versucht die GDL-Führung, recht konsequent und unbeirrt vom medialen Trommelfeuer einen Tarifvertrag für alle ihre Mitglieder beim fahrenden Personal durchzusetzen.

DB spielt auf Zeit …

Die Bahn hat bei den Verhandlungen am 21. November ein 600-seitiges Tarifpaket vorgelegt, das die wesentlichen Forderungen der GDL zurückweist und an einer Frage sogar einen Rückschritt organisieren will: Es soll nämlich kein Flächentarifvertrag mehr gelten, der Abschluss soll nur einen Haustarifvertrag sein.

Zwar musste die Bahn erste Zugeständnisse bei der Einbeziehung der Zugbegleiter machen, aber Bordgastronomen, Lokrangierführer, Disponenten und Instruktoren sollen weiterhin außen vor bleiben.
Das Angebot von 5 Prozent für 30 Monate entspricht einer Erhöhung von weniger als 2 % im Jahr.
Auf die Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung, Begrenzung der Überstunden, besserer Alterssicherung und besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht die Bahn gar nicht ein.

…und setzt auf politische Zermürbung

Die Bahn wurde von den Streiks schwer getroffen und hätte normalerweise schon mehr eingelenkt, wären da nicht die politischen Ziele der Bundesregierung (siehe Kasten). Das stellt die GDL-Führung und die streikenden KollegInnen vor eine gewaltige Aufgabe: Sie müssen all die Manöver der Bahn durchschauen und sich nicht von dicken „Verhandlungspaketen“ in die Irre führen lassen. Weiter müssen sie stellvertretend für alle Gewerkschaften den Kampf für das Grundrecht auf Koalitions- und Streikfreiheit führen. Und schließlich müssen sie der Versuchung widerstehen, auf die Streikbrecheraktivitäten der EVG mit einer Zuspitzung der Konkurrenz zwischen diesen beiden Gewerkschaften zu reagieren.

Für die GDL muss es an dieser Stelle vor allem darum gehen, die EVG für eine gemeinsame Zielbestimmung bei den Tarifforderungen zu gewinnen: reale Tariferhöhung , Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgelt- und Personalausgleich, Begrenzung der Überstunden, bessere Altersversorgung …

Hier ist vor allem die Bewegung von unten entscheidend. Wenn also die KollegInnen der anderen Gewerkschaft immer wieder auf klar definierte Ziele angesprochen werden und sie für gemeinsame Aktivitäten angesprochen und ermuntert werden, dann wird auch der Druck innerhalb der EVG steigen. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis massenhaft entsprechende Resolutionen und Briefe an den EVG-Vorstand gehen, sich dem gemeinsamen Kampf nicht zu entziehen.

Von außerhalb der Bahn muss die scharfe Kritik am EVG-Vorstand fortgeführt werden und gleichzeitig gilt es, aktive Solidarität mit den Streikenden zu organisieren. Die massenhafte Verteilung der Streikzeitung (Link siehe Seite 5) oder des Flyers des RSB sind nur zwei von vielen Möglichkeiten.

Der Flyer des RSB unter

Offener Brief an alle Mitglieder in DGB-Gewerkschaften und ihre Gremien
[…] Dem grundgesetzwidrigen Angriff auf Koalitionsfreiheit und Streikrecht hätte quasi mit dem Argument, „die GDL hätte es doch eingesehen" eine Scheinlegitimation verliehen werden können. Große Koalition und Bundesarbeitsministerin Nahles hätten einen ersten kleinen „Sieg“ davon getragen und der ungeheuerlichen Verleumdungskampagne gegen die Streikführung der GDL und ihren Vorsitzenden zusätzliche Nahrung gegeben. […]
In dieser Auseinandersetzung geht es also nicht darum, wie DGB-GewerkschafterInnen zu der Frage von Sparten- und Berufsgewerkschaften stehen; ob wir diese gut oder schlecht finden, ob – historisch gesehen – Berufsgewerkschaften im Vergleich zur Einheitsgewerkschaft einen Rückschritt darstellen oder nicht. Die Interessen einzelner Beschäftigter und Berufsgruppen führen immer wieder zu Konflikten und Konkurrenzen auch innerhalb und zwischen DGB-Gewerkschaften.

Im Konflikt zwischen der Deutschen Bahn/EVG/Bundesregierung und der GDL geht es um eine grundsätzliche gesellschaftliche Auseinandersetzung zwischen den Interessen des Kapitals und des Staates auf der einen Seite und den Interessen der Lohnabhängigen auf der anderen Seite! Und es geht darum, ob es uns gemeinsam gelingt, diesen Angriff auf das Koalitions- und Streikrecht abzuwehren oder nicht!

Darum stellt sich die Frage, ob DGB-GewerkschafterInnen – wegen der Differenzen, die wir mit Spartengewerkschaften haben – ihnen in diesem Konflikt die Solidarität verweigern wollen. Ob wir weiter zusehen wollen, wie eine kleine Gewerkschaft in die Knie gezwungen werden soll. Eine Niederlage der GDL würde die schleichende Aushebelung der Rechte aller und aller Gewerkschaften verstärken. Grund- und Freiheitsrechte wie das Streikrecht müssen immer wieder verteidigt werden; gerade jetzt in Krisenzeiten sind sie europaweit bedroht, bereits eingeschränkt oder sogar abgeschafft worden wie z. B. in Italien und Griechenland. Wollen wir DGB-GewerkschafterInnen zulassen, dass eine kleine Gewerkschaft gezwungen werden kann, quasi „stellvertretend" für uns, als Erste über die Klinge eines Tarifeinheitsgesetzes zu springen, bevor ein solches Gesetz überhaupt verabschiedet geschweige denn rechtskräftig wurde? Wir meinen nein, wir können und dürfen nicht zulassen, dass das Streikrecht eingeschränkt wird! […]

Wir fordern euch dringend auf, nicht länger schweigend zuzusehen, wie einer „Konkurrenzgewerkschaft" der Garaus gemacht wird! Deshalb erwarten wir von euch, dass ihr umgehend eindeutige, öffentliche Signale setzt, dass die DGB-Gewerkschaften sich mit dem Kampf der GDL gegen die Logik eines Tarifeinheitsgesetzes solidarisieren und sich der Vorgehensweise des EVG-Vorstandes in diesem Konflikt, der im Einklang mit der Bundesregierung und dem Bahnvorstand der GDL eine Tarifeinheitslogik im Sinne des geplanten Gesetzes aufzuzwingen versucht, entgegenstellen.

Wir fordern euch auf, das politische Gewicht der DGB-Gewerkschaften zur Verteidigung des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit und Streikrecht in die Waagschale zu werfen, diesen gesellschaftlichen Grundkonflikt in Betriebe und Büros zu tragen, zu Solidaritäts-Aktionen mit der GDL und Protestaktionen gegen das geplante Gesetz aufzurufen und so dazu beizutragen, dass das Gesetz zur Tarifeinheit nicht verabschiedet wird!
Hände weg vom Streikrecht – volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit für Jede und Jeden!

Grundrechte gelten für Alle – Solidarität mit der GDL ist gewerkschaftliche Pflicht!  […]“

Initiative »Hände weg vom
Streikrecht – für volle
gewerkschaftliche Aktionsfreiheit«

 

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