Der neue Aufschwung der Frauenbewegung macht Frauen zu Vorkämpferinnen der Gegenwehr

Global Women's Strike at the Stop Trump Rally Foto: Garry Knight, Global Women's Strike at the Stop Trump Rally, CC-BY-NC-ND 2.0

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Internationaler Frauentag

Der neue Aufschwung der Frauenbewegung macht Frauen zu Vorkämpferinnen der Gegenwehr

Von Büro der IV. Internationale | 15.03.2018

Der Zyklus der Massenmobilisierungen von Frauen, der in den letzten Jahren entstand, ist weiterhin voller Dynamik, am 8. März wurde wieder in über fünfzig Ländern ein internationaler Frauenstreik organisiert – von Argentinien bis Italien, von Frankreich bis USA, von Brasilien bis Großbritannien, von Island bis Iran, auch anderswo demonstrierten Frauen in zahlreichen Ländern und auf allen Kontinente.

  • Der Streik ist zu einem Werkzeug der feministischen Bewegung geworden. Die Frauenstreiks zeigen nicht nur auf, wessen Lohnarbeit den Markt funktionieren lässt, sondern auch, wessen Arbeit und Aktivitäten – ob entlohnt oder nicht – die Gesellschaft als Ganze funktionieren lässt und Lebensbedingungen für alle aufrechterhält. In Zeiten der allgemeinen Verbreitung informeller Arbeit, des Prozesses der Rückkehr der bezahlten Arbeit in die Privatwohnung durch Heimarbeit oder unter halb-skla­ve­rei­artigen Bedingungen wird es durch die Frauenstreiks möglich, diese unsichtbaren und feminisierten Bereiche zu organisieren.Der Streik im Jahr 2018 hatte größere Auswirkungen als im Jahr zuvor. Im Jahr 2018 nahmen z. B. im Spanischen Staat 5,3 Millionen Frauen mit Unterstützung von 10 Gewerkschaftsverbänden daran teil, während in Argentinien mehr als eine Million Frauen landesweit auf die Straße gingen. In Polen organisierten sich die Frauen auch im Jahr 2018, in Erinnerung dran, dass ihre Mobilisierung zugunsten der Abtreibungsrechte von Frauen den bislang ersten Sieg gegen die PIS-Regierung brachte. In Großbritannien nahmen Frauen, die bereits für die Verteidigung ihrer Pensionsrechte oder ihrer Arbeitsplätze aktiv waren, Verbindung zu der Frauenstreikbewegung auf. In Italien hat die Bewegung „Non Una di Meno“ gegen Gewalt an Frauen zusammen mit Gewerkschaften zu einem Streik aufgerufen, der bedeutende Auswirkungen auf den Verkehr und Schulen hatte.Die Vielfalt der Forderungen, die am 8. März gestellt werden, wächst und wächst. So demonstrierten z. B. in Tunesien 1000 Frauen für die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Erbrecht, während Frauen auf den Philippinen Präsident Duterte als eine der schlimmsten Frauenrechtsverletzer anprangerten und in der Zentralafrikanischen Republik der Hauptfokus auf dem Zugang von Frauen zur Bildung lag. Wir sind sicher, dass die Proteste gegen die Zwangsverschleierung im Iran weitergehen.In Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, trugen Frauen Schilder mit Aufschriften wie „Wir feiern nicht, wir demonstrieren“. In der Türkei dominierten Slogans wie „Wir schweigen nicht, wir haben keine Angst, wir sind nicht folgsam“. In Pakistan nutzten Frauen – neben breiten Protesten gegen von den fundamentalistischen Taliban ausgehende Gewalt – die Gelegenheit des 8. März, um die neue sozialistische-feministische Organisation für Demokratie und Säkularismus „Women Democratic Front“ (WDF) zu lancieren, während es in Irland einen weiteren Schritt in Richtung eines neuen Referendums zur Abschaffung des Abtreibungsverbots in der Verfassung gab, das für Ende Mai geplant ist.
  • Die Reaktion auf den Aufruf zum Internationalen Frauenstreik, der 2017 von der argentinischen Bewegung lanciert wurde, sowie die weltweiten Frauenmärsche sind Anfangspunkt eines Zyklus von neuen Mobilisierungen.Ein zentraler Radikalisierungsträger in diesem Zyklus ist der Kampf gegen chauvinistische Gewalt von Männern, die weltweit ungestraft bleibt. Das stützt sich auf Vorbereitungen in den vergangenen Jahren. Bereits im Dezember 2012 gab es gewaltige Demonstrationen in Indien. Am 7. November 2015 demonstrierten 500.000 Frauen in Madrid; in Argentinien mobilisierten sich im Jahr 2015 hunderttausende Frauen als Reaktion auf mehrere Morde, die landesweit großes Echo auslösten. Auch die Ausweitung der Fälle von ermordeten und verschwundenen Frauen in Mexiko, das in bislang unbekanntem Ausmaß vom Drogenhandel geprägt ist, führte zu starken Mobilisierungen. Unlängst hat das #MeToo-Phänomen scharf ins Licht gerückt, wie weit sexuelle Gewalt und Belästigung überall auf der Welt verbreitet sind, und den zunehmenden kollektiven Widerstand dagegen verdeutlicht.
  • Diese neue Welle hat es außerdem möglich gemacht, dass diejenigen, die vorher auf die hinteren Ränge verwiesen und unsichtbar gemacht wurden, eine bedeutendere Rolle zu spielen: Rassisch abgestempelte und migrierte Frauen genauso wie LGBTI+-Menschen und Sexarbeiterinnen spielten in den Mobilisierungen der vergangenen Jahre eine bedeutende Rolle.
  • Seit dem letzten Jahr wurde durch den Aufbau der Frauenstreiks eine Verknüpfung von sexistischer Gewalt und der Prekarität der Arbeits- und Lebensbedingungen, unter denen die meisten Frauen leiden, möglich, aber auch ein Anprangern der reaktionären Offensive des krisenhaften Kapitalismus. Die ersten Streiks und Massenmobilisierungen, mit denen sowohl Macri (Argentinien) als auch Trump (USA) konfrontiert wurden, waren feministischer Natur, insbesondere die Großdemonstrationen am 21. Januar 2017 anlässlich von Trumps Amtseinführung, die den Grundstein für den Aufruf zum Frauenstreik in den USA und darüber hinaus legten.
  • Dieser Zyklus von Frauenkämpfen ist in vielen Ländern mit einer reaktionären Offensive konfrontiert – zurückzuführen auf den Aufstieg neokonservativer und fundamentalistischer Strömungen sowie die zunehmend autoritären Formen des Neoliberalismus und Angriffe auf demokratische Reche, die die Meinungsfreiheit und Proteste an immer mehr Orten der Welt untergraben. Die politischen Ziele der Reaktionäre stellen grundlegende Rechte – wie das Recht auf Leben, die finanzielle und soziale Unabhängigkeit von Männern (Vätern, Brüdern oder Ehemännern), reproduktive Rechte wie Abtreibung – in Frage und stärken die Rolle der Familie. Die kapitalistische Krise verschlechtert die Lebensbedingungen der Mehrheit der Frauen in der Welt. Dies ist der Kontext der heutigen Gegenwehr.
  • Die Rolle der Frauen als Vorkämpferinnen des sozialen Widerstands im letzten Jahrzehnt zeigt, dass es sich nicht um einen sporadischen Ausbruch handelt, sondern um ein Potenzial, dass die ganze Welt und sehr breit gefächerte Kämpfe umspannt. Die Hauptaufgaben von Revolutionär*innen ist es, dieses Potenzial auszuloten, Teil der selbstverwalteten Erfahrungen von Frauen zu sein, die von ihnen lernen; stabile Verbindungen zwischen verschiedenen Kämpfen und Widerständen herzustellen; auch die Systemkritik, die von dem breiten Spektrum an Frauen aufgezeigt wird, zu vertiefen und weiterzuentwickeln und dieser implizit antikapitalistischen Dynamik Gestalt zu verleihen.
  • Die Frauenbewegung und die feministischen Bewegungen dieses 8. März haben gezeigt, dass es Alternativen zu einer ausländerfeindlichen und autoritären kapitalistischen Politik gibt – dort, wo diese Politik Mauern des Hasses baut, bauen Frauen Brücken der Solidarität.

13. März 2018
Aus dem Englischen übersetzt: http://www.internationalviewpoint.org/spip.php?article5410

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