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Betrieb & Gewerkschaft

Der lang andauernde Streik bei AEG-Nürnberg: Umorientierung der IG-Metall?

Von W. Walrave | 01.03.2006

Der Streik der AEG-Belegschaft gegen die Verlagerung der Produktion nach Tschechien und damit die Schließung des Hauptwerkes in Nürnberg dauert an!

Der Streik der AEG-Belegschaft gegen die Verlagerung der Produktion nach Tschechien und damit die Schließung des Hauptwerkes in Nürnberg dauert an!

Die Kampfmethoden, die die IG-Metall anwendet, sind für ihre Verhältnisse äußerst bemerkenswert: Nicht nur ist der Streik nach wie vor unbefristet, sondern er wurde in der vierten Woche auf das AEG Ersatzteillager nach Rothenburg ob der Tauber ausgedehnt. Damit wurde schon ein zweites Zweigwerk der AEG (obwohl von den Streichungen nicht direkt betroffen) in den unbefristeten Streik miteinbezogen.
Auch wurde schon ein internationaler Aktionstag an anderen europäischen Standorten von Electrolux organisiert und ein weiterer internationaler Streiktag in den europäischen Electrolux-Betrieben wurde angekündigt.
Inzwischen dürften tausende KollegInnen, organisiert von der IG Metall, anderer Betriebe und Orte aus der ganzen BRD in Nürnberg gewesen sein. Es waren sogar schon Electrolux-KollegInnen aus Italien da.
Electrolux-Deutschland musste seit der Schließungsankündigung einen Umsatz- und Auftragsrückgang von rund 40 % hinnehmen. Es gibt Lieferschwierigkeiten, weil die Produktionsausfälle weder in Polen noch in Italien aufgefangen werden können. Der Streik fängt an, dem Konzern ökonomisch weh zu tun.
Langer Streik
Wie erklärt sich, dass die IG-Metall plötzlich auf einen langandauernden Streik setzt, der den Einzelunternehmern auch wirklich weh tut? Wird sich diese Tendenz – also statt nur zu verhandeln, den Unternehmern auch mal länger die „alten” aber sehr beißfesten Zähne einer Gewerkschaft zu zeigen – verstetigen?
Den Gewerkschaften bläst der Wind nach wie vor ins Gesicht: Erstens knüpft die „R(D)eformpolitik” der neuen Bundesregierung, nach einer kurzen zeitlichen Schamfrist im Anschluss an die Bundestagswahlen, inhaltlich nahtlos an der der Vorgängerregierung an (Rente mit 67, Streichung der Unterstützungszahlungen für Jugendliche,…). Zweitens verlieren die Gewerkschaften weiterhin massiv Mitglieder. Drittens hatten es die Gewerkschaften auf europäischer Ebene mit dem zweiten Versuch der Durchsetzung der Bolkestein-Richtlinie zu tun, die den Handlungs- und Gestaltungsspielraum der Gewerkschaften im Rahmen des Kapitalismus äußerst stark beschnitten hätte. Viertens ist den DGB-Gewerkschaftsführungen die Ansprechpartnerin SPD in der Koalitionsregierung abhanden gekommen.Fünftens hatten die Unternehmer im Durchschnitt (bei gleichzeitig massivem Abbau von Arbeitsplätzen) im letzten Jahr horrende Gewinne einstreichen können und heuer zieht die Konjunktur an.
All dies scheint an den Gewerkschaftsvorstände nicht spurlos vorüber gegangen zu sein. Äußerungen wie die des DGB-Vorsitzenden in Bayern, Fritz.Schösser [s. Kasten S. 8] oder des Führungsgespanns der IG-Metall, J. Peters und B. Huber, zur anstehenden Metall-Tarifrunde („die Unternehmer können den Großkonflikt haben, wenn sie den dann haben wollten”), lassen sich vor diesem Hintergrund erklären. Das könnte darauf hindeuten, dass ein anderer, kämpferischer Wind wehen soll. Wie lang und wie konsequent die Gewerkschaftsführungen dies durchhalten werden, zeigt sich u.a. im Ausgang des Kampfes bei AEG und auch im aktuellen Kampf von ver.di beim Öffentlichen Dienst. Ein weiterer Prüfstein wird die nächste Tarifrunde der IG-Metall sein.

AEG-Nürnberg – Solibesuch von 400 MetallerInnen aus München
Am 24.1.06 organisierte die IG Metall Verwaltungstelle München einen zweiten Besuch bei den Streikenden AEGlerInnen in Nürnberg. Die KollegInnen brachten ihre Solidarität zum Ausdruck, in dem sie bei einer Demo mit insgesamt 1 200 TeilnemerInnen rund um das Betriebsgelände von AEG mitmachten. Die MünchnerInnen übergaben über 4 000€ für die Streikkasse. Am beeindruckensten war die Organisation der Streikposten – rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag müssen die Tore bewacht werden. Die AEG-KollegInnen sind in Streikposten-Schichten eingeteilt und nehmen an dem Streik aktiv teil. Korespondent München

 

 

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