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Länder

Der Euro, die Krise Griechenlands und die Linke

Von Andreas Kloke | 28.11.2012

Ob Griechenland nun in Kürze aus der Eurozone herausgeworfen wird oder nicht, für die griechische Arbeiter/innen-Bewegung kann es nur darum gehen, die herrschende Politik durch Streiks, Besetzungen und sonstige Widerstandsaktionen zu Fall zu bringen. 1

Ob Griechenland nun in Kürze aus der Eurozone herausgeworfen wird oder nicht, für die griechische Arbeiter/innen-Bewegung kann es nur darum gehen, die herrschende Politik durch Streiks, Besetzungen und sonstige Widerstandsaktionen zu Fall zu bringen. 1

Klar ist, dass der Euro die zentrale Option der griechischen Bourgeoisie bis heute geblieben ist, weil er ihr entscheidende Vorteile in der Konkurrenz mit den Nachbarländern verschaffte und damit ihre Rolle als imperialistischer Juniorpartner des europäischen Zentrums auf dem Balkan und in der weiteren Region zu sichern scheint.
Die Memoranden-Politik
Die Memoranden-Politik hat zu einem sozialen Verfall, zu einem Einbruch des BIP, dramatisch ansteigender Arbeitslosigkeit vor allem der jungen Generation, dem sprunghaften Ansteigen der Suizidrate etc. geführt. Diese Tendenzen werden sich mit dem zweiten Memorandum vom Februar 2012, mit der Vereinbarung über den Schuldenschnitt mit Griechenlands privaten Gläubigern, dem sogenannten PSI-Abkommen, und mit dem Fiskalpakt sowie den jüngsten „Sparmaßnahmen” von nominell 11,5 Mrd. Euro weiter drastisch verschärfen.
Gleichzeitig stellt sich die Frage nach einer alternativen Politik, die Wege aus der katastrophalen Misere und dem Niedergang der Lebensverhältnisse weisen könnte. Bekämpft werden müssen auch die verstärkt auftauchenden faschistischen Tendenzen.
Eins der Kernprobleme, das mit der Einführung der Memoranden-Politik aufgeworfen und in der griechischen und in der europäischen Linken weiterhin kontrovers diskutiert wird, besteht darin, ob Griechenland versuchen sollte, in der Eurozone zu verbleiben oder wieder eine eigene nationale Währung einführen und zur Drachme zurückkehren sollte.
Bekanntlich hat diese Frage in den diesjährigen Wahlkämpfen Griechenlands eine bedeutende Rolle gespielt. Die Furcht vor dem Rauswurf aus dem Euro und dem angedrohten totalen Zahlungsstopp von Löhnen und Renten hat offenbar viele dazu bewogen, am 17.6. 2012 doch wieder den Memoranden-Parteien Nea Dimokratia (ND) und PASOK ihre Stimme zu geben.
Die Führung der Linksallianz SYRIZA hatte sich ebenfalls darauf festgelegt, an der Eurozone festzuhalten und eine gegen die Memoranden gerichtete Politik einzuleiten, aber dennoch eine Verständigung mit den Gläubigern und der Troika anzustreben, diese also zu einem teilweisen Rückzug zu veranlassen.
Eine solche Orientierung macht nur dann Sinn, wenn realistische Aussichten auf einen solchen Kompromiss bestehen. Es war aber klar, dass weder die Troika im Allgemeinen noch die Regierungen in Berlin und Paris im Besonderen irgendein Interesse daran zeigten, sich mit einer möglichen „Linksregierung” unter SYRIZA-Leitung auf irgendwelche Änderungen der geltenden Kreditverträge einzulassen,  Ob es sich von Seiten der Troika und der deutschen Regierung um Bluff handelte, sei dahingestellt.
Die SYRIZA-Führung hatte vor den Juni-Wahlen 2012 der Einschüchterungskampagne der Herrschenden sowohl in Griechenland als auch in ganz Europa, z.B. auch in den deutschen Medien, nichts Nennenswertes entgegen zu setzen.  Wer die Katastrophe des Rauswurfs aus dem Euro unbedingt vermeiden wollte, für den war es logischer, z.B. ND zu wählen und eben nicht SYRIZA.
Festzustellen ist, dass die Position der Euro-Befürworter in der griechischen Linken, seit den Juni-Wahlen inhaltlich immer schwächer wird und  immer weniger überzeugen kann. Gerade die unbedingte Aufrechterhaltung der Eurozone und die Memoranden-Politik sind für den sozialen Zersetzungsprozess hauptverantwortlich .
Wenn im „Zentrum” der Eurozone, d.h. vor allem in Deutschland, offen darüber nachgedacht wird, ob „Grexit” – der Ausschluss Griechenland aus dem Euro – nicht doch die günstigere Option ist, dann muss sich die griechische Linke – und wohl nicht nur sie – Gedanken darüber machen, wie es ohne den Euro weitergehen soll.
Die Chancen einer Wende
Zweifellos kann Griechenland letztlich nur durch eine arbeiterfreundliche Politik auf europäischer Ebene, durch eine radikale Umstrukturierung von Produktion und Verteilung zugunsten der arbeitenden Bevölkerung, gerettet werden. Dies würde eine grundsätzliche Umorientierung der europäischen Politik erfordern, mit der das „Zentrum” den „Peripherie”- oder PIIGS-Ländern (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien), tatsächlich – und nicht mit den an Bankprofiten orientierten Krediten und  Wucherzinsen – zu Hilfe käme.
Die Chancen auf einen baldigen Wechsel in den EU-Institutionen in eine solche Richtung sind nicht besonders gut. In den wichtigsten Ländern des Zentrums, Deutschland und Frankreich, würden nur die linken Parteien, „Linke”, Front de Gauche, NPA etc. diesen Wechsel für Griechenland und die Peripherie befürworten. Diese repräsentieren derzeit in Frankreich weniger als 20% und in Deutschland unter 10% der Wählerschaft.
Die EU-Institutionen sind zudem völlig undemokratisch und hierarchisch strukturiert. Sie entsprechen vollständig dem imperialistischen Projekt der herrschenden Klassen, sich die besten Positionen auf dem Weltmarkt zu sichern und diese weiter auszubauen. Die Verträge von Maastricht bis Lissabon, der reaktionäre „Europäische Fiskalpakt” sowie  die Einführung des Euro dienen den Interessen des Finanzkapitals und der multinationalen Konzerne – weitgehend unter deutscher Führung.  Daher ist es auch nicht richtig zu glauben, eine „pro-Euro” – Haltung sei prinzipiell „fortschrittlich” oder „internationalistisch” im sozialistischen Sinn.
Die Institutionen der EU und der Eurozone sind kapitalistisch definiert und nicht zugunsten der Arbeitenden „reformierbar”, die die Kosten für alle Krisenfolgen aufzubringen haben. Sie müssen aufgelöst und durch europäische Institutionen der ArbeiterInnen-Demokratie und -Herrschaft ersetzt werden.
In der Frage der internationalen Solidarität der Länder des Zentrums mit der Peripherie, die sich für die ArbeiterInnen-Bewegung und die Linke stellt, besteht offensichtlich großer  Nachholbedarf. Die Vernetzung und Organisierung der Ausgebeuteten und Unterdrückten in den Gewerkschaften, den Bewegungen und der Linken auf gesamteuropäischer Ebene bleibt weit hinter der bestens organisierten internationalen Kooperation der herrschenden Klassen und ihrer poli­tischen Institutionen zurück.
Die Notwendigkeit einer ­Alternative
Aufgrund der gegebenen Kräfteverhältnisses ist nicht zu erwarten, dass in absehbarer Zukunft „Eurobonds”, Kredite mit extrem niedrigen Zinssätzen, wie sie die Europäische Zentralbank (EZB) an die Privatbanken vergibt, die Länder der Peripherie aus der Schuldenkrise befreien könnten.
Die Politik, die auf europäischer Ebene verfolgt wird, treibt mit fieberhafter Hyperaktivität die gesamte Zone in eine höllische Spirale von Sparmaßnahmen und Rezession.
Es ist es unmöglich, dass sich Griechenland (und die anderen Länder der Peripherie) am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Das bedeutet aber nicht, dass
diese nicht selbst Schritte unternehmen könnten, um die Diktate der Troika und der verderblichen Memoranden-Politik über Bord zu werfen.
Initiativen, die Auswege aus der eingetretenen Misere aufzeigen könnten, müssen von der ArbeiterInnen- und Widerstandsbewegung sowie der Linken in Griechenland selbst ergriffen werden. Die Kräfteverhältnisse und die Politik müssen radikal verändert werden, wenn das Land wieder eine Perspektive auf eine den sozialen Bedürfnissen entsprechende Entwicklung der Produktivkräfte und der sozialen  Gerechtigkeit erhalten soll.
Dafür muss ein alternatives Wirtschafts- und Sozialprogramm skizziert werden.
Griechenland wird in jedem Fall die Ansprüche der Gläubiger zurückweisen und die Abzahlung der Staatsschulden einstellen müssen, um die verfügbaren Mittel für den Umbau seiner sozialen und industriellen Struktur zu nutzen.
Der Stopp der Schuldenzahlungen
Es gibt hier zwei Varianten der Zurückweisung der Schuldenzahlungen. Die radikalere ist die von ANTARSYA vertretene, die die Legitimität sämtlicher Ansprüche der Gläubiger verneint. Die mildere Vari­ante ist die Forderung nach einer Einsetzung einer, „Audit” – Kommission, die die Rechtmäßigkeit der Staatsschulden überprüfen soll. Sie wird von der SYRIZA-Führung unterstützt.
Der Stopp der Schuldenzahlungen wird sofort den tatsächlichen Zustand der griechischen Banken bloßlegen und ihre Nationalisierung unausweichlich machen, womit die Herrschaft des Kapitals selbst in Frage gestellt werden kann, besonders wenn die Enteignung entschädigungslos und unter Arbeiterkontrolle erfolgt, wie von ANTARSYA gefordert wird.
In Griechenland steht tatsächlich die Zukunft Europas auf dem Spiel. Die Solidarität mit der Widerstandsbewegung der griechischen Bevölkerung sollte von einem kritischen Verständnis der Entwicklungen in Griechenland begleitet sein. Diese Solidarität kann dazu beitragen, eine Wende zu einem konstruktiven Ausweg aus der Krise für die Ausgebeuteten und Unterdrückten, d.h. der Mehrheit der Bevölkerung, herbeizuführen und damit neue Perspektiven für die sozialistische Alternative in ganz Europa zu eröffnen.
1 Gekürzt durch Ernst Heiber

Tipp:

Hier könnt Ihr den ungekürzten Artikel von ­Andreas Kloke als PDF-Datei herunterladen.

Hier findet Ihr den von Andreas Kloke übersetzten Flyer von OKDE – Spartakos, der am 9. Oktober 2012, dem Tag des Merkel-Besuchs in Athen, verteilt wurde.
OKDE – Spartakos ist die griechische Sektion der IV. Internationale und gehört dem revolutionären Bündnis ANTARSYA an.

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