Der schon lange angekündigte Castortransport aus dem sächsischen Rossendorf ins Zwischenlager Ahaus soll nun gegen Ende Mai diesen Jahres losfahren. Münsterländer fürchten, dass in der Region ein zweites Gorleben entstehen wird.
Die notwendige Genehmigung zum Transport der Brennelemente vom ehemaligen Forschungsreaktor Rossendorf nach Ahaus wurde 1999 und dann nochmal 2001 durch den Bundesumweltminister Trittin (Grüne) abgelehnt. Gründe hierfür waren u.a., dass der Transport nicht zwingend notwendig sei, da es keinen Sicherheitsgewinn durch eine Verlagerung des Mülls geben würde. Die beiden Betonleichtbauhallen in Ahaus und in Rossendorf sind baugleich. Außerdem verfügte das Zwischenlager Ahaus nicht über die entsprechenden Voraussetzungen, den Müll länger als 15 Jahre zu lagern.
Im November 2003 wurde bekannt, dass die damalige sächsische CDU-Landesregierung einen neuen Versuch machen wollte, den Atommüll loszuwerden. Diesmal saß Trittin und sein Bundesumweltministerium (BMU) mit im Boot. Von den o.g. Bedenken des Ministers gegen einen Transport war nichts mehr zu hören. Zunächst waren auch alle beteiligten Landesregierungen für die Transporte. Nach zahlreichen Proteste der Anti-Atomkraft-Initiativen in Dresden, Ahaus und entlang der Transport-Autobahnen vollzog die NRW-Landesregierung einen taktischen Rückzug und verkündete plötzlich eine ablehnende Haltung gegenüber den anstehenden Transporten. Aber wie konnte die SPD/Grüne NRW-Landesregierung jetzt am Besten vorgehen, war sie doch eigentlich für den Atommülltransport aus Rossendorf?
NRW-Landesregierung gegen Atomkraft?
Die Lösung war eine Klage gegen den Transport. Dies ließ sich gut in der Presse als atomkritisches Vorgehen der Landesregierung verkaufen. Da allerdings nur gegen die Transportgenehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) geklagt wurde, ohne inhaltlich gegen die widersinnige Einlagerung des Atommülls vorzugehen, wurde die Klage wie vorauszusehen abgeleht. Die NRW-Landesregierung sah sich nun „gezwungen” mit Sachsen zu vereinbaren, die Atomtransporte im Jahr 2005 durchzuführen. Die drei Transporte sollen nach derzeitigem Stand zwischen dem 27. Mai und 14. Juni rollen. Grund für diese Zeitplanung sind die Landtagswahlen in NRW am 22. Mai, die rot/grün nicht durch Castor-Proteste verlieren will.
Wie scheinheilig die Klage und der „oberflächliche Protest” der NRW- Landesregierung gegen den Rossendorf-Transport war, stellte vor einiger Zeit Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt Gronau dar: „Der halbherzige Protest der Landesregierung gegen den Castor-Transport nach Ahaus erfolgte erst durch den Druck der Bürgerinitiativen und war letztlich ein willkommenes Ablenkungsmanöver von den Ausbauplänen in Gronau.” (jW 16.02.2005). Außerdem genehmigte die Landesregierung im selben Zeitraum etliche Urantransporte von und nach Gronau.
Ausbau der Urananreicherungsanlage Gronau – militärischer Hintergedanken?
Die Urananreicherungaanlage (UAA) in Gronau liegt wenige Kilometer von Ahaus entfernt und wird derzeit stark ausgebaut. Die Jahreskapazität soll von 1800 auf 4500 Tonnen Trennarbeit erhöht werden. Somit ist es möglich, 35 große AKWs mit Brennstoff zu versorgen – in der BRD laufen derzeit 18 Reaktoren. Gründe für diesen Ausbau sind nicht bekannt. Zu erklären ist der Ausbau nur, wenn der Beteiber Urenco die überschüssige Produktion im Ausland absetzen wird. Dies würde mal wieder den wahren Gehalt der „Ausstiegs”-Pläne der Bundesregierung klarmachen – im eigenen Land die Atomkraft abbauen, wenn auch auf lange Zeit gesehen, und im Ausland die Atomenergie fördern. Wenn der Atomstrom aus dem Ausland dann noch importiert wird, ist das Geschäft perfekt – auch eine Lösung um an „sauberen” Atomstrom zu kommen.
Ein weiterer Grund für den Ausbau könnte sein, wenigstens die Option zur militärischen Nutzung der Kernspaltung offen zu halten. Durch die UAA kann Uran so hoch angereichert werden, dass es zum Atombombenbau genutzt werden kann. Dies wirft die USA momentan dem Iran vor. Ein Abfallprodukt der Urananreicherung ist abgereichertes Uran, welches für panzerbrechende Munition genutzt wird. Diese Geschosse mit einem Urankern wurden von den US-Militärs und ihren Verbündeten bspw. in Jugoslawien oder im Irak eingesetzt.
Transporte ohne Ende
Doch die Menschen in der Region um Ahaus und Gronau oder im Münsterland wissen, dass der Rossendorftransport und der Ausbau der UAA nicht die einzigen Probleme sind, denen sie sich in der nächsten Zeit stellen müssen. Die Betreiber des Forschungsreaktors FRM II in Garching bei München haben auch schon Stellplätze in Ahaus angemietet. Der Müll aus hochangereichertem Uran aus Garching ist atomwaffentauglich, d.h. Ahaus würde im Falle einer Einlagerung dieses Mülls zum militärischen Hochsicherheitsbereich. Das bisherige Informationsrecht der Bevölkerung über die Vorgänge im Zwischenlager würde genauso wie das sowieso stark eingeschränkte Demonstrationsrecht bei der Einlagerung des sog. HEU (Highly Enriched Uranium) zum Opfer fallen. Desweiteren stehen unzählige Transporte aus der Wiederaufbereitungsanlage „La Hague” in Frankreich an. Von 2008 bis 2018 wird der bisher dort lagernde „deutsche” Atommüll vervielfacht, waffenfähiges Plutonium abgespalten und anschließend nach Ahaus gebracht. Jeder Transport von radioaktivem Material nach Ahaus vergrößert die Gefahr, dass Ahaus neben Gorleben und dem Schacht Konrad zum Atomklo werden.