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Innenpolitik

Den antikapitalistischen Flügel aufbauen

Von Tom Bogen | 01.03.2009

Am 28.03. wird es in Deutschland zum ersten Mal Massenproteste gegen die Auswirkungen der Krise geben. Unter dem Motto „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ werden Zehntausende erwartet. Leider keine Leichtigkeit. Denn um gegen die Krise zu demonstrieren, muss die soziale Bewegung erst mal ihre eigene überwinden.

Am 28.03. wird es in Deutschland zum ersten Mal Massenproteste gegen die Auswirkungen der Krise geben. Unter dem Motto „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ werden Zehntausende erwartet. Leider keine Leichtigkeit. Denn um gegen die Krise zu demonstrieren, muss die soziale Bewegung erst mal ihre eigene überwinden.

Seit Heiligendamm gab es nämlich keine Massenproteste mehr in Deutschland. Hinzu kommt, dass für jede bundesweite Mobilisierung der sozialen Bewegung erst wieder neue Strukturen geschaffen werden müssen. Im Vorteil sind die Organisationen, die bundesweit schon gut aufgestellt sind, wie Attac, Die Linke oder die Gewerkschaften. Doch ihre Vorstände vertreten jeweils nicht die Interessen der in ihr organisierten AktivistInnen. Nach 11 Jahren ultra-neoliberaler Politik und das ewige Führen von (wenn überhaupt) Abwehrkämpfen, haben sie überhaupt kein Selbstbewusstsein, um ihre Interessen gegenüber den Vorständen auch nur ansatzweise durchzusetzen. Allein der Fakt, dass bundesweite Vorbereitungstreffen anfangs an Werktagen stattfanden, zu denen dann nur Hauptamtliche fahren konnten, spricht schon Bände. Auch darüber, was die Vorstände jeweils von ihrer Basis halten.
Anfangs gab es noch 3 bundesweite Ansätze, die erfreulicherweise zusammengebracht werden konnten. Als Erstes stand der Vorschlag der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken, sich Ende Januar für eine Demo im Sommer zu treffen. Eilig schob Die Linke und Attac einen früheren Termin Anfang Januar (einem Dienstag) nach, der über eine Demo Ende März debattieren sollte. Diesem schloss sich das Berliner Bündnis initiiert von der Gruppe Soziale Kämpfe an, die für Berlin eine Demo gegen die Krisenlasten organisieren wollten. Daraus wurde dann der bekannte Termin mit den zwei bekannten Orten.
Demokratie und Selbstvertrauen
Was folgte war ein unschöner, für Menschen, die einmal bundesweite Vorbereitungstreffen besucht haben, aber nicht ganz unbekannter Prozess. Herausgekommen ist ein bundesweiter Aufruf, auf dessen Grundlage die bundesdeutschen AktivistInnen zwar mobilisieren sollen, der paradoxerweise aber nicht ein Jota ihrer unmittelbaren Interessen artikuliert. Das war den genannten Vorständen zu radikal. In Klüngelrunden, Vorabsprachen oder offener Erpressung kippten die Forderungen nach Enteignung der Banken, einem gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro, nach Erhöhung des ALG-II-Eckelregelsatz auf 500 Euro plus Warmmiete und nach 30 Stunden Wochenarbeitszeit. Dabei traten die vehementesten Befürworter, wenn es darum geht, vor die Kameras der Presse zu treten, am heftigsten gegen bestimmte Forderungen auf, wenn sie den AktivistInnen der sozialen Bewegung ins Auge schauten. Sollte die soziale Bewegung aufgrund der politischen Lage zu weiteren Mobilisierungen gezwungen sein, wird die Frage der demokratischen und transparenten Organisierung ganz oben auf der eigenen Agenda stehen müssen. Die Linke schielt 2009 auf die Wahlen. Zusammen mit Attac schielen sie auf die Gewerkschaftsvorstände, die gucken auf die Bundesregierung, die wiederum schielt aufs Kapital. Das hörte selbst dann nicht auf, als klar wurde, dass der ver.di Bundesvorstand nicht nur nicht zur Demo aufrufen würde, sondern der DGB mit dem 16. Mai offen einen Konkurrenztermin plante. Offensichtlich weil ihnen die Demo immer noch zu radikal war.

Entsprechend war der Unmut bei vielen AktivistInnen groß, aber die Krise der Bewegung spiegelt sich nicht nur einfach als mangelndes Selbstvertrauen wider, was sich darin äußert, nicht gegen offenen Klüngelein und Erpressungsversuche das Wort zu erheben. Es spiegelt sich vor allem im mangelnden Zutrauen der AktivistInnen wider, eine Massenmobilisierung ohne den Segen der Vorstände der „Großen“ auf die Beine zustellen. Dabei zeigt der Verlauf der Mobilisierungen, dass sich trotz eines quasi-Verbots des ver.di-Bundesvorstandes den 28.03. zu unterstützen, gewerkschaftliche Gliederungen mobilisieren. In diesem Fall sogar der Landesvorstand von ver.di-Baden-Württemberg und die IG-Metall Berlin.
Kämpferischer Block
Der RSB hat sich entschlossen, den Aufruf für die Demo am 28.03. nicht zu unterzeichnen, wohl aber die Demo selbst zu unterstützen. Das Vorgehen von Die Linke, Attac und Gewerkschaftsvertretern führte zu zaghaften Brüchen. So unterstützt das Berliner Bündnis zwar offiziell den bundesweiten Aufruf, weil der aber fast allen Bündnispartner­Innen zu mager war, wird mit der ersten Version des Aufrufes mobilisiert. Dieser war noch nicht so sehr entzahnt. Aber selbst in Berlin wollte mensch diese erste Version bundesweit nicht alternativ zum Wischiwaschi-Aufruf abstimmen lassen.

Der RSB bildet deshalb zusammen mit anderen Kräften, wie der internationalen sozialistischen linken, der Gewerkschaftslinken, dem Rhein-Main-Bündnis und dem Aktionsbündnis Sozialproteste einen kämpferischen, antikapitalistischen Block, der für konkrete radikale Forderungen eintritt und diese auf der Demo sichtbar machen will. 500-30-10 soll dabei im Mittelpunkt stehen. Der RSB wird zusätzlich die Forderung nach Enteignung des Finanzsektors betonen. Der Block bietet die Möglichkeit, ausgehend von einer gemeinsamen Praxis mit den beteiligten Gruppen über den Aufbau eines  linken, antikapitalistischen Flügels der sozialen Bewegung zu diskutieren.
Den antikapitalistischen Flügel aufbauen
2009 ist noch jung, die Krise noch lange nicht vorbei und die Rechnung im Wahljahr noch nicht präsentiert. Aber schon jetzt steht eines ganz oben auf der Tagesordnung. Um den Klüngelrunden etwas entgegenzusetzen, ist der Aufbau eines linken, antikapitalistischen Flügels der sozialen Bewegungen unabdingbar. Dieser muss die Forderungen der AktivistInnen artikulieren, sichtbar machen und gegen den Willen der Spitzen der sozialen Bewegung für diese eintreten. Vor allem muss er aber auf Forderungen bestehen, die wenigsten teilweise mit der kapitalistischen Logik brechen.

Wir brauchen am 28. März die Aktion möglichst vieler Menschen – auch noch danach. Aber wir brauchen in der schlimmsten Krise seit 1929 auch eine politische Stoßrichtung, die radikal die Interessen der Lohnabhängigen verteidigt und ihnen eine Perspektive bietet, die das System ansatzweise in Frage stellt. Konkrete Forderungen wirken obendrein viel mobilisierender! Wann, wenn nicht jetzt, muss die linke und soziale Bewegung Forderungen aufstellen, die eine radikale Antwort auf die kapitalistische Krise geben? Niemandem ist geholfen, wenn wir mit Wischi-Waschi-Forderungen auf der Straße sind, die keine konkrete Kampfperspektive aufzeigen.
Nach dem Protest ist vor dem Protest
Wir treten ebenfalls dafür ein, den Spaltungsversuchen der GewerkschaftsbürokratInnen, die sich und ihre Mitglieder von den „radikalen“ Forderungen fernzuhalten suchen, nicht mit ultra-linken Argumenten auf dem Leim zu gehen. Nach
dem Motto: „Die werden schon sehen, was sie davon haben.“ Am 16. Mai (DGB-Demo) und am 5. September (IG-Metall Aktion) brauchen wir deshalb ebenfalls einen klassenkämpfer­ischen, antikapitalistischen Flügel, der dem Komplex aus Standortlogik und Sozialpartnerschaft, den die Bürokratie bildet, etwas entgegenzusetzen weiß.

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